Zuletzt hatte der argentinisch-israelische Pianist und Stardirigent Daniel Barenboim drei Jahrzehnte lang die musikalischen Geschicke der Staatsoper geleitet. Er begann Silvester 1991 mit Beethovens 9. Sinfonie, es folgte im Herbst 1992 Wagners „Parsifal“ als erste Opernproduktion. Seine Bilanz ist beachtlich: Als Chef hat er rund 760 Opern- und Ballettaufführungen und 850 Konzerte dirigiert. Barenboim hatte künstlerisch höchste und strenge Maßstäbe an seine Staatskapelle gesetzt und konnte das im Osten Berlins gelegene Opernhaus nach der deutschen Wiedervereinigung, die am 3. Oktober 1990 vollzogen wurde, in nur wenigen Jahren in den Kosmos der international wichtigen Häuser zurückkatapultieren. Mit einer Premiere am 3. Oktober eröffnet die Staatsoper jeweils ihre neue Spielzeit.
Der 80-jährige Barenboim musste im Januar 2023 aus gesundheitlichen Gründen seinen Rücktritt erklären. Für seine Leistungen für die Musikstadt wurde Barenboim zum Berliner Ehrenbürger ernannt. Seine Staatskapelle hatte für die Nachfolge am Pult schnell einen Wunschkandidaten. Inzwischen wurde der Berliner Stardirigent Christian Thielemann, der sich vor allem auch als Wagner-Spezialist bei den Bayreuther Festspielen einen Namen gemacht hat, vorgestellt. Er tritt sein Amt gemeinsam mit der neuen Intendantin Elisabeth Sobotka mit Beginn der neuen Spielzeit an.
Er möchte gerne auf verschiedenen Schienen fahren, sagte Christian Thielemann in einem Interview. Aber wie jeder große Dirigent hat er seine musikalischen Vorlieben. „Richard Strauss war 20 Jahre lang hier Hofkapellmeister und hat von 1898 bis 1918 über 1.000 Aufführungen dirigiert. Als Komponist hat er in Berlin interessante Sachen wie ,Elektra‘ und ,Frau ohne Schatten‘ geschrieben. Ich schaue auf Strauss-Opern, die hier länger nicht gespielt wurden.“ Thielemann wird wie Barenboim auch den Titel Generalmusikdirektor (GMD) tragen. Der heute geläufige Titel war erstmals 1819 am Berliner Opernhaus an Gaspare Spontini verliehen worden.
Zu den großen Generalmusikdirektoren des Hauses, die oftmals auch Komponisten waren, zählen neben Spontini auch Felix Mendelssohn Bartholdy, der in Berlin als Jakob Liebmann Meyer Beer geborene und später in Paris berühmt gewordene Giacomo Meyerbeer, der Münchner Richard Strauss oder der Österreicher Erich Kleiber. Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten konnte der damalige Generalmusikdirektor Leo Blech noch einige Jahre im Amt bleiben, weil er über eine beachtliche Fangemeinde verfügte. Aber 1937 wurde er als Jude zwangspensioniert und konnte rechtzeitig vor seiner Deportation fliehen.
Kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs, am 20. Mai 1945, wurde ein Brief losgeschickt, um Leo Blech nach Berlin zur Staatskapelle zurückzuholen. Der Brief erreichte ihn leider zu spät in seinem Exil in Stockholm. Jahre später erst kehrte er nach Berlin zurück und wurde Generalmusikdirektor der Charlottenburger Oper im Westteil der Stadt. Heute gibt es in Berlin drei große Opernhäuser, die in einer eigenen Stiftung zusammengefasst sind.