„... aber es ändert vielleicht die Zukunft“

In vielen Berliner Bezirken werden derzeit Debatten um Straßenumbenennungen geführt. Die Wissmannstraße im Grunewald wurde im Februar in Baraschstraße umbenannt.

Aus der Grunewalder Wissmannstraße wurde im Februar 2022 die Baraschstraße | Wissmannstraße in Grunewald was renamed Baraschstraße in February 2022

Aus der Grunewalder Wissmannstraße wurde im Februar 2022 die Baraschstraße

von Charlotte Bauer, Journalistin

Von der Mohrenstraße über den Richard-Wagner-Platz bis hin zur Jahnstraße: Über diese Straßen wird derzeit heiß diskutiert. Der Grund: Ihre Namen wirken auf immer mehr Menschen rassistisch oder erinnern an Persönlichkeiten, die in der Kolonialgeschichte eine unrühmliche Rolle spielten. Jetzt werden die Forderungen immer lauter, dass ihre Namen aus dem öffentlichen Straßenraum verschwinden. Nach einer aktuellen Untersuchung des Politologen Felix Sassmannshausen weisen berlinweit insgesamt 290 Straßen antisemitische Bezüge auf.

1921 zog die Familie Barasch mit ihren Kindern Else und Werner in die damalige Wissmannstraße 11 | In 1921 the Barasch family, with children Else and Werner, moved into Number 11 of what was then Wissmannstraße

1921 zog die Familie Barasch mit ihren Kindern Else und Werner in die damalige Wissmannstraße 11

Ein aktuelles Beispiel: Ende Februar wurde die Wissmannstraße in Grunewald offiziell in Baraschstraße umbenannt. Tahir Della von „Decolonize Berlin“ sieht die Umbenennung der Wissmannstraße als einen weiteren Schritt hin zu einem dekolonisierten öffentlichen Raum. „Die erfolgreichen Umbenennungen von Straßennamen in Berlin, die entweder koloniale Verbrecher ehren oder rassistische Bezeichnungen tragen, stehen für einen in-zwischen in Gang gekommenen Prozess, den öffentlichen Raum diskriminierungsfrei zu gestalten und die gesellschaftlichen Verhältnisse neu zu gestalten.“ Das Netzwerk setzt sich für die kritische Auseinandersetzung mit der Kolonialgeschichte ein. Dazu gehört auch die Umbenennung von antisemitischen Straßennamen.

Der Name der Wissmannstraße stand in der Kritik, weil dem Gouverneur Hermann von Wissmann, der von 1853 bis 1905 lebte, vorgeworfen wird, als Kolonialbeamter für brutale Verbrechen an Tausenden Menschen im damaligen Deutsch-Ostafrika verantwortlich gewesen zu sein. Bei einem Militärfeldzug massakrierte die deutsche Armee die afrikanische Bevölkerung, um deren Widerstand zu brechen.

Stolperstein für Arthur Barasch | Stumbling stone in memory of Arthur Barasch

Stolperstein für Arthur Barasch

Der neue Name geht auf einen Vorschlag der Anwohnerinitiative „Öffentlicher Bürgergarten der Erinnerung“ zurück. Seit 2014 setzen sich dabei die Gründerin Barbara Gstaltmayr und weitere Anwohner des Hauses der Wissmannstraße 11 – wo einst Irene und Arthur Barasch wohnten – für das lokale Gedenken an die Verfolgung der Familie ein.
1921 zog die Familie Barasch mit ihren Kindern Else und Werner in die Wissmannstraße 11. Irene Barasch arbeitete als Professorin für fremde Sprachen und Phonetik an der Hochschule für Musik in Charlottenburg, Arthur Barasch widmete sich unter anderem seinem Unternehmen „Gebrüder Barasch, deutsch-russischer Warenaustausch Berlin“ in der Mohrenstraße 51. 1942 ermordeten die Nazis Arthur Barasch im Konzentrationslager Auschwitz. Seine Frau Irene sowie die Kinder Else und Werner flohen ins Ausland.
Dort leben auch heute noch Nachkommen der Familie Barasch. Anlässlich eines Festaktes zur Umbenennung am 27. Februar 2022 kam Alan Ross, der Enkel von Arthur und Irene Barasch, mit seiner Familie aus den USA nach Berlin, um bei der symbolischen Enthüllung des Straßenschilds dabei zu sein. „Zu meinen größten Freuden im Leben gehört es, mit meinen Enkelkindern zu spielen“, sagte Ross in englischer Sprache. Er selbst habe nie die Gelegenheit gehabt, eine Beziehung zu seinem Großvater aufzubauen. „Er starb, bevor ich geboren wurde.“ Vor ein paar Jahren habe er die Villa in der Wissmannstraße besucht. Es sei ein trauriger wie schöner Besuch gewesen. Dass jetzt die Straße nach seinem Großvater Arthur und seiner Großmutter Irene Barasch benannt wurde, um sie zu ehren, mache ihn sehr glücklich, sagt er. „Es ändert nichts an der Vergangenheit, aber es ändert vielleicht die Zukunft.“