Die Ephraim Veitel Stiftung und das Ephraim Palais

Das Ephraim Palais heute

Das Ephraim-Palais im Berliner Nikolaiviertel gehört zu den schönsten historischen Bürgerhäusern der Stadt. Nach umfassenden Sanierungsarbeiten wurde es im Herbst 2022 wiedereröffnet. Die Geschichte seines Bauherrn und der von ihm ins Leben gerufenen Stiftung ist heute nahezu unbekannt. Das will die Ephraim Veitel Stiftung ändern.

Von Prof.Dr. Karl E. Grözinger, Vorsitzender der Ephraim Veitel Stiftung

Erste Seite der Stiftungsurkunde der Ephraim Veitel Stiftung vom 6. Februar 1799

Erste Seite der Stiftungsurkunde der Ephraim Veitel Stiftung vom 6. Februar 1799

Es sind nur wenige Schritte vom ehemaligen Berliner Königsschloss zu dem herrlichen Gebäude am Mühlendamm, dem Ephraim Palais, und dies ist nicht nur geographisch gemeint. Kurz bevor der preußische König Friedrich der Große in Potsdam sein Neues Palais errichtete, hatte sein jüdischer Hofjuwelier und Münzentrepreneur, Veitel Heine Ephraim (1703 – 1775), 1772 mit dem Bau seines geschäftlichen Stammhauses begonnen. Dieses Haus sollte, wie auch seine „Milde Stiftung“ von 1774, auf ewige Zeiten den Namen seiner Familie in dieser Stadt bewahren. Es kam anders, wie wir alle wissen. Das Palais wurde 1936 abgetragen und erst in den 1980er Jahren zur 750 Jahrfeier Berlins wiederhergestellt. Veitels ältester Sohn, Ephraim Veitel Ephraim (1729 – 1803), wie sein Vater preußischer Hofjuwelier, begründete 1799 eine Stiftung, deren wichtigste Aufgabe die Unterhaltung des von seinem Vater mit dessen Stiftung eingerichteten Traditions- Lehrhauses – Bet Midrasch – war. Dieses wurde 1856 zur ersten jüdischen Universität in Preußen umgestaltet, an der die bedeutendsten Gelehrten der damals noch jungen Wissenschaft des Judentums lehrten, unter anderen Leopold Zunz, Abraham Geiger und vor allem Moritz Steinschneider, der Vater der jüdischen Bibliographie.
Die Weltwirtschaftskrise und die Nationalsozialisten beendeten und beraubten die Stiftung des Vaters, die Stiftung des Sohnes wurde 1934 „arisiert“ und ausgeplündert. So blieb sie bis 2000, zum Tod ihres „Ariseurs“, der sie nach dem Krieg den Augen der Berliner Stiftungsaufsicht durch Verlegung nach Bonn entzogen hatte. Er hatte die „Stiftung von 1803“, wie sie von den Nationalsozialisten genannt wurde, als „seine“ Stiftung betrachtet, sie von ihren jüdischen Bewilligungsempfängern wie Vorstandsmitgliedern „gesäubert“ und bis zu seinem Tod hartnäckig gehalten.

Veitel Heine Ephraim überreicht dem Prinzen Friedrich in Rheinsberg eine Schuldurkunde (aus einer verlorenen Handschrift)

Veitel Heine Ephraim überreicht dem Prinzen Friedrich in Rheinsberg eine Schuldurkunde (aus einer verlorenen Handschrift)

Erst danach deckten erste Erkundungen im Osten des geteilten Berlins und nachfolgende systematische Recherchen in den ehemals preußischen Archiven in Berlin und Brandenburg die wahre Geschichte dieser scheinbar „arischen“ Stiftung auf, die nun sukzessive unter ihrem alten Namen Ephraim Veitel Stiftung rejudaisiert und schließlich, völlig verarmt, 2018 nach Berlin, dank der großzügigen Einladung des Berliner Stadtmuseums in das Stammhaus am Mühlendamm, zurückgeholt wurde. Seither widmet sich die Stiftung der Erforschung dieser exemplarischen deutsch-jüdischen Geschichte und trägt sie in öffentlichen Veranstaltungen in das Bewusstsein der Stadt zurück.
Die Archive erwiesen sich als reiche Quelle für die Geschichte der Familie Ephraim und ihr gesellschaftliches Umfeld. Es kam das Testament des Vaters Veitel ans Licht. Aus ihm konnte man von der selbstbewussten Zuversicht des wirtschaftlich mächtigen Veitel Heine lernen: Er hat, den preußischen Adelsgeschlechtern gleich, mit seinem Testament eine Familienstiftung, ein sogenanntes „Fideicommiss“, begründet. Dieses sollte stets von Auserwählten jeder Generation, in der Regel den Erstgeborenen, „auf ewige Zeiten“ weitergetragen werden – vor allem dessen zentraler Grundbesitz, das Ephraim Palais. Es war die stolze Hoffnung auf einen immerwährenden preußisch-jüdischen „Wirtschafts- Adel“. Aber wie bei den Mendelssohns hat auch hier die „Taufepidemie“ um sich gegriffen, so dass es am Ende der König selbst und rechtsbewusste preußische Minister waren, welche den jüdischen Charakter der Stiftung des Vaters gegen die getauften Erben bewahrten. Die Stiftung des Sohnes Ephraim Veitel Ephraim hingegen hatte bis 1934 nicht mit Tauf-Problemen zu kämpfen, weil der Vorstand nicht an die Familie gebunden war und so seinen jüdischen Rechtsstatus bewahren konnte – bis zur nationalsozialistischen Zwangs-„Arisierung“.

Schlussseite des mit hebräischen Buchstaben geschriebenen Testaments von Veitel Heine Phraim 13.10.1774

Schlussseite des mit hebräischen Buchstaben geschriebenen Testaments von Veitel Heine Phraim 13.10.1774

Bis dahin arbeiteten die beiden Stiftungen eng zusammen, vor allem in der Finanzierung des vom Vater gestifteten Lehrhauses, der von Anfang an bestrebt war, dem traditionellen Lehrhaus eine etwas modernere Ausrichtung zu geben. Die Stiftung des Sohnes hat dafür eigens den zusätzlichen Unterricht in modernen Fächern finanziert. 1834 allerdings kam diese verwandelte jüdische Kinderschule zum Erliegen und die getauften und umbenannten Ephraims, nun als Ebers, Eberty, Friebe, Emmerich oder Meyer, versuchten mit den Stiftungsmitteln ein Seminar und Stipendien für evangelische Theologen einzurichten, was zunächst gelang, aber dann durch den preußischen Polizeipräsidenten (Innenminister) verboten wurde.
Nach dem von der Berliner Universität abgelehnten Angebot, mit den Stiftungsmitteln dort einen Lehrstuhl oder Dozenturen für jüdische Literatur und Geschichte einzurichten, haben die Ephraim- Nachkommen 1856, gemäß der Auflage des Polizeipräsidenten, die Rejudaisierung des Lehrhauses durchgeführt und zwar in Gestalt einer säkularen jüdischen Universität. Diese sollte in enger Anlehnung an die königliche Universität die an dieser verhinderten jüdischen Fächer lehren und erforschen. Alsbald kamen an diese Veitel Heine Ephraimsche Lehranstalt genannte Hochschule zahlreiche jüdische und christliche Studenten aus ganz Europa wie auch eine beachtliche Zahl aus den USA. Unter ihnen waren die hernach großen Gelehrten und Professoren der amerikanisch-jüdischen Universitäten, berühmte Rabbiner und Führungspersönlichkeiten, die das amerikanische Judentum maßgeblich gestalteten, so die Präsidenten und Lehrer des renommierten Hebrew Union College und des Jewish Theological Seminary. Auch die Landkarte der europäischen und palästinischen jüdischen Intelligenz wurde nachhaltig von dieser Schule geprägt.
Dies ist ein fast völlig vergessener Teil der Geschichte des Berliner Judentums. Die Ephraim Veitel Stiftung ist ein institutionelles Denkmal dieser Geschichte. Sie hat es sich deshalb zur Aufgabe gesetzt, all dies im Berliner Leben wieder bewusst zu machen und hofft deshalb auch auf weitere private wie öffentliche Unterstützung.
Weitere Informationen: www.ephraim-veitel-stiftung.de