Ein neues Exilmuseum für Berlin

Ruine des Anhalter Bahnhofs

Das Exilmuseum soll hinter der Ruine des Eingangsportals des Anhalter Bahnhofs entstehen.

Von Christoph Stölzl, Direktor des Exilmuseums

Wer sich dem Exil zuwendet, der wird erschüttert durch das Übermaß an Tragik und Traurigkeit, aber auch an Mut und Überlebenswillen. Wie Menschen in den prekärsten Situationen über sich hinauswachsen, wie großartig sich bei ihnen und ihren Helfern in aller Welt praktische Humanität erweist, wie Lebensmut über Niedertracht und Mordlust der Verfolger triumphiert – all das bildet die große Saga vom Exil 1933–45. Sie ist in Deutschland viel zu wenig bekannt. Aber sie gehört ebenso zur deutschen Geschichte wie zur Weltgeschichte.

Anhalter Bahnhof

Vom Anhalter Bahnhof bestiegen einst unzählige verfolgte Berlinerinnen und Berliner den Zug, um Deutschland zu verlassen.

Was verloren ging

Vom Exodus der Exilanten nach 1933 hat sich die Kultur Deutschlands bis heute nicht erholt. Mit den aus politischem Hass und rassistischem Wahn Vertriebenen verließen gerade jene sozialen Gruppen unser Land, in denen am ernsthaftesten über ein zukunftsgewandtes, weltoffenes, liberales und demokratisches Deutschland nachgedacht worden war. Berlin, als Zentrum des Fortschrittsglaubens der Weimarer Republik, wurde durch das Exil ganz besonders getroffen. Tausende von zum Teil hochinnovativen Unternehmen (von der Einzelhändlerin bis zum Konzernchef), tausende von Bänkern, Ärztinnen, Rechtsanwälten wurden ruiniert und vertrieben.

Die Universitäten und Forschungsstätten verloren großartige Wissenschaftlerinnen und Lehrer, und dazu ihre weltoffensten Studierenden. Sei es die vielfältige Presselandschaft der Weimarer Republik oder der deutsche Film, der es gerade zu Weltruhm gebracht hatte, seien es Theater, Musik, Literatur oder Kunst – überall Kahlschlag und Exodus. Und nicht zuletzt verlor Berlin, die Hauptstadt des „Roten Preußen“, die politischen Köpfe und Gruppierungen, die an einem sozialstaatlichen, reformerischen Zukunftsmodell Deutschlands arbeiteten.

Hilde Domin

Die erste große Schenkung an das Exilmuseum waren die Emigrantenporträts des Fotografen Stefan Moses. Hier: Hilde Domin

Was gerettet wurde

Wer aus Deutschland vertrieben war, fand, wenn die Flucht gelang, auf der ganzen Welt eine neue Heimat und neue Aufgaben. Die Geschichte des Exils ist auch die Geschichte einer Globalisierung von Ideen und Idealen. Viel zu wenige davon kamen nach 1945 zurück – die alte Heimat fühlte lange wenig Verantwortung gegenüber den so schändlich Verjagten. Und das, obwohl in den ersten Nachkriegsjahren manche der Exilierten selbstlos dabei halfen, im zerstörten Deutschland eine neue, demokratische Gesellschaft aufzubauen. Die Namen Ernst Reuter und Willy Brandt mögen hier für all die anderen Idealisten stehen, denen Deutschland unendlich viel verdankt.

Noch einmal: Fünfhunderttausend Menschen sind ins Exil gezwungen worden. Unter ihnen sind viele große Namen gewesen. Aber die Mehrzahl finden wir nicht in den Lexika. Ihre Lebenswege sind nicht weniger aufregend und lehrreich. Was Menschen im Bösen wie im Guten erfahren haben, wie sie es schafften, ihre Würde zu bewahren gegen eine Welt von Widrigkeiten, wie sie manchmal aus dem Nichts blühende Existenzen aufbauten, wie sie ihre neuen Heimaten veränderten und bereicherten – dafür bietet das Exil ein unerschöpfliches Anschauungsmaterial.

Die Idee des Exilmuseums

Wir meinen, dass all dies eine große und großartige Erzählung ist, die mitten hinein in das deutsche Gedächtnis gehört. Wir sind überzeugt, dass die deutsche Hauptstadt Berlin einen permanenten Ort der Erinnerung ans Exil braucht. „Wir“, das ist eine Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern rund um den Kunsthändler Bernd Schultz, der die Stiftung Exilmuseum ins Leben rief. Die Schirmherrschaft übernahmen Bundespräsident a. D. Joachim Gauck und die Nobelpreisträgerin Herta Müller – sie hatte schon 2011 in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel ein deutsches Exilmuseum gefordert.

Der Neubau des Exilmuseums wird nach Plänen der dänischen Architektin Dorte Mandrup am Anhalter Bahnhof entstehen.

Der Neubau des Exilmuseums wird nach Plänen der dänischen Architektin Dorte Mandrup am Anhalter Bahnhof entstehen.

Der Neubau des Exilmuseums wird nach Plänen der dänischen Architektin Dorte Mandrup am Anhalter Bahnhof in Berlin entstehen. Dies ist der ideale Platz, denn von dort aus bestiegen einst unzählige verfolgte Berliner und Berlinerinnen den Zug, um Deutschland zu verlassen. Ausgewählte menschliche Schicksale, erzählt mit großer Nahsicht, stehen im Mittelpunkt des Erinnerungsortes. Aber auch die großen Linien des Exils 1933–1945 mit dem Nachspiel „Remigration?“ werden anschaulich dargestellt. Immer wieder wird das Museum, dessen Eröffnung für 2025 geplant ist, auch die Brücke ins Heute schlagen und fragen: Was sind die Parallelen zum heutigen Exil? Was können wir aus der Geschichte für das Heute lernen?

In aller Welt suchen wir nach Zeugnissen von Exilschicksalen. Texte und Bilder, Fotos und Filme, Erzählungen und Erinnerungen sind unser Stoff. Wir freuen uns auf jeden Zuruf, jeden Kontakt, jeden Hinweis auf einen bisher unbekannten Lebensweg.

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Stiftung Exilmuseum Berlin
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E-Mail: info@exilmuseum.berlin
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