ein Leserbeitrag von Truusje Vrooland-Löb
Mit dem Koffer weg aus Berlin: Exilgestalt Kurt Löb
Bild: Martijn Löb
Mein liebster Papa Kurt Löb (1926 – 2015) war bildender Künstler. Er war ein bekannter Künstler in den Niederlanden, aber auch im Ausland zahlreich preisgekrönt – sein Werk gab es regelmäßig in Ausstellungen zu begutachten (Amsterdam, Het Rembrandhuis, 2005). Für sein OEuvre als Buchkünstler bekam er in Deutschland beispielsweise 1993 den Gutenberg-Preis der Stadt Leipzig und 1999 die Hans Meid-Medaille verliehen. Doch nicht nur in Deutschland, auch in den Niederlanden hat er regelmäßig Preise auf seinem Fachgebiet erhalten und wurde sogar Ridder in de Orde van Oranje Nassau – eine wichtige gesellschaftliche Ehrung, mit der das Königshaus die von Ursprung aus nicht-Niederländischen auszeichnet, wenn sie sich in ihrer zweiten Heimat bewiesen haben und als Symbol für ihre Anerkennung als Menschen. Denn ursprünglich war mein Vater Ausländer, Deutscher, Berliner!
Das konnte man aufgrund seiner vortrefflichen Niederländischkenntnisse und akzentlosen Sprachbeherrschung (was in den 1950er Jahren und auch noch in der Zeit danach als wichtig angesehen galt!) nicht erkennen. Wir Kinder merkten das aber sehr wohl an so manchen deutschen Eigenschaften und Gewohnheiten: Wenn er zum Beispiel krank war, hatte er „Schüttel frost“, hatte ich eine Halsentzündung, bekam ich von ihm einen „Prießnitz-Umschlag“ um meinen Hals und unsere Hunde waren immer Dackel. Das alles sind Dinge, die ein Niederländer nicht kennt und wir Kinder fanden das auf eine komische Art und Weise auch „ausländisch“.
Bild: Kurt Löb
WER WAR ER?
Mit 16 Jahren hatte er eine Ausbildung an der „Rijksakademie“ (Staatliche Hochschule für bildende Künste) in Amsterdam begonnen und entwickelte sich nach dem Krieg weiter zu einem begabten figurativen Maler und Zeichner. Später war er insbesondere bekannt als Buchkünstler wegen seiner hervorragenden Wiedergabe der Atmosphäre von Ausgaben der Weltliteratur, wie De Costers Tijl Uilenspiegel, Arthur Schnitzlers Reigen, Clochemerie von Gabriel Chevalier, Titel von Anton Tschechow (und vielen anderen russischen Autoren), Anna Seghers, Joseph Roth, Stefan Zweig, Guy de Maupassant, Heinrich Böll und Imre Kertesz, in den Niederlanden und der BRD. Neben seiner Tätigkeit als Dozent an der Kunstakademie in Den Bosch übte er diverse Lehrtätigkeiten als Gastprofessor in Essen, Salzburg, Belgien und Israel aus. Das Unterrichten und die Wissensvermittlung seines Faches waren seine Leidenschaft, was sich in vielen Veröffentlichungen niederschlug – darunter seiner 1994 in Deutsch
verfassten, als Höhepunkt geltenden Dissertation: Exil-Gestalten: deutsche Buchgestalter in den Niederlanden 1932–1950.
Bild: Kurt Löb
MIT DEM KOFFER ZURÜCK NACH BERLIN
1971 war er zum ersten Mal wieder zurück in Berlin. Kurt (in Bild und Buch, 1972): „Ich kam am selben Bahnhof Zoo an, von wo aus wir einmal in die Emigration fuhren. Und ich lief von dort mit einem schweren Koffer rechts in die Hardenbergstraße hinein. Ich lief wieder auf Berliner Pflaster, wie es keins so auf der ganzen Welt gibt: mit preußischem Fleiß zusammengesetzt aus unzähligen kleinen Steinen, mit denen es sich bei Krawallen schon immer so gut schmeißen ließ … und ich war wieder ein bisschen zu Hause, obwohl ich nie mehr ganz zu Hause sein könnte.“
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Susanne Zöchling