Von Boris Nitzsche, Humboldtuniversität zu Berlin, und Ingo Schwarz, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
„Die physische Welt vernunftmäßig deuten.“ Zum 250. Geburtstag Alexander von Humboldts
Bild: bpk / Stiftung Preußische Schlösser und Gärten / Hermann Buresch
Romane handeln von ihm, Biografien über ihn werden zu Bestsellern, seine Texte werden gelesen: Alexander von Humboldt ist wieder populär geworden. Im Jahr seines 250. Geburtstags wird in Berlins Mitte das Humboldt Forum eröffnet. Auch in Lateinamerika, in Russland und auf Teneriffa wird er gefeiert.
Dabei war das Interesse an Humboldt nicht immer so groß. Zu seinen Lebzeiten einer der bekanntesten Wissenschaftler der Welt, wurde es nach seinem Tod stiller um ihn. Seine Universalgelehrsamkeit entsprach nicht mehr dem Zeitgeist. Es war die Stunde der Experten und Spezialisten. Sein oft poetischer Schreibstil und emotionaler Zugang galten als unwissenschaftlich. Heute ist der übergreifende, die Welt in Zusammenhängen betrachtende Blick Humboldts wieder attraktiv. Er untersuchte globale Wechselwirkungen, die gegenseitigen Abhängigkeiten und das Zusammenspiel von menschlichen und natürlichen Phänomenen. Auch sein transdisziplinäres Vorgehen, um komplexe Zusammenhänge zu erfassen, ist für uns wieder interessant. Vor allem aber treiben uns Themen um, mit denen sich schon Humboldt befasste: Die Ausbeutung von Mensch und Natur, Demokratie, Menschenrechte, Rassismus, Unterdrückung, die Zerstörung von kultureller und natürlicher Vielfalt in einer globalen Welt. Es ist daher kein Wunder, dass sich in diesem Jahr zahlreiche Institutionen weltweit mit dem monumentalen Werk, Leben und Denken des großen Wissenschaftlers und Entdeckers beschäftigen.
Bild: Zentralbibliothek Zürich
Weltbürger, Gelehrter und Verfechter von Menschenrechten
Alexander von Humboldt wird am 14. September 1769 in Berlin oder in Tegel geboren. Der früh verstorbene Vater Alexander Georg von Humboldt war preußischer Offizier und Kammerherr; die meist als kühl geschilderte Mutter, Maria Elisabeth, geb. Colomb, hat ein wichtiges Ziel: ihren Söhnen die bestmögliche Ausbildung zu ermöglichen, damit sie später tüchtige Staatsdiener werden könnten. Einer ihrer Hauslehrer ist Christian Wilhelm Dohm, Verfasser der Schrift “Über die bürgerliche Verbesserung der Juden”.
Früh kommt Alexander so mit der Berliner Aufklärung in Kontakt. Dohm und anderen Vertretern der Berliner Geisteswelt begegnet er auch im Doppelsalon von Markus und Henriette Herz. Die Gesellschaft gebildeter jüdischer Frauen in den vor 1800 populären Berliner Salons prägt den jungen Aristokraten ebenso wie die freundschaftlichen Beziehungen zu Mitgliedern der jüdischen Familien Mendelssohn und Beer.
Als die Mutter 1796 stirbt, hinterlässt sie ihren Söhnen ein beträchtliches Vermögen. Alexander nutzt diese finanzielle Unabhängigkeit, um sich den langersehnten Traum einer Forschungsreise zu erfüllen. Von der Bank seines Freundes Joseph Mendelssohn kreditiert – denn das ererbte Vermögen ist nicht sogleich verfügbar – tritt er die Reise an, die ihn weltberühmt machen soll. Bis 1804 bereist er mit dem Mediziner und Botaniker Aimé Bonpland Lateinamerika und zum Schluss auch die USA. Dabei werden Tausende in Europa unbekannte Pflanzen gesammelt und beschrieben, Orte geografisch bestimmt, Berge vermessen, geologische und zoologische Sammlungen angelegt. Ebenso wichtig ist für Humboldt die Lebenssituation der Menschen. Auf Kuba studiert er das System der Sklaverei, das er als „größtes Übel“ charakterisiert. Er sieht Zeugnisse der Geschichte indigener Völker. Hier verfestigt sich seine Überzeugung von der „Einheit des Menschengeschlechtes“, in dem alle gleichermaßen zur „Freiheit bestimmt“ sind. Dabei übersieht er nicht die sozialen Unterschiede in dem von ihm als unnatürlich charakterisierten Kolonialsystem. Die Erfahrungen während der amerikanischen Reise fördern seine Überzeugung, dass die Idee von „höheren und niederen“ Menschengruppen, die noch zu seinen Lebzeiten in einen pseudowissenschaftlich begründeten Rassismus mündeten, ein falsches und für das Zusammenleben der Menschen bedrohliches Vorurteil ist.
Bild: Landesarchiv Berlin, Georg Bartels
Rückkehr nach Berlin
Zurück in Europa beginnen die Reisenden in Paris mit der Auswertung der Sammlungen. Das amerikanische Reisewerk – etwa 30 Bände – wird Humboldt und ein Team von Spezialisten und Künstlern 30 Jahre beschäftigen. Erst 1827 kehrt er endgültig in seine Heimatstadt Berlin zurück, denn er benötigt ein Einkommen, der König wünscht seinen Kammerherrn endlich am Hofe und Alexander sucht die Nähe seines Bruders Wilhelm. Er hat auch ein wissenschaftsorganisatorisches Programm: „Berlin soll mit der Zeit die erste Sternwarte, die erste chemische Anstalt, den ersten botanischen Garten, die erste Schule für transzendente Mathematik besitzen.“ Die dazu nötige Öffentlichkeit schafft er sich mit 62 Kosmos-Vorlesungen an der Universität und 16 Vorträgen in der Sing-Akademie. Mit List und Überzeugungskraft befördert er den Bau einer hochmodernen Sternwarte. Der zeitraubende Hofdienst hindert ihn nicht daran, gesellschaftliche Kontakte zu pflegen, die gelegentlich auch mit
wissenschaftlichen Unternehmungen verbunden sind. Im Garten von Abraham Mendelssohn Bartholdy in der Leipziger Straße (heute Sitz des Bundesrates) errichtet er ein erdmagnetisches Observatorium. Felix, den musikalischen Sohn, beauftragt er mit der Komposition einer Kantate zur Eröffnung der Naturforscherversammlung 1828 in Berlin, deren Mitgastgeber Humboldt ist.
Mit Berlin verbindet Humboldt so etwas wie eine Hassliebe. Der Weltbürger ist rastlos, Berlin ist ihm oft zu engstirnig. Lieber hält er sich in Paris, in London oder, am allerliebsten, auf Forschungsreisen auf. In Berlin halten ihn vor allem die Freunde; der Hofdienst ist ihm lästig, gestattet ihm aber auch, Gutes für die Wissenschaften zu bewirken.
Als Humboldt 1859 stirbt, ist der weltberühmte Forscher verarmt. Er, der so versessen auf akribische Messungen und genaue Zahlen war, nahm es mit seinen Finanzen nicht so genau.
Die amerikanische Forschungsreise und das aufwendige Reisewerk hatten das ererbte Vermögen aufgezehrt, die Unterstützung bedürftiger Wissenschaftler und Künstler oft seine Einkünfte überstiegen.
Was bleibt, ist eine weltweite, faszinierende Korrespondenz und ein monumentales Werk, das sich mit dem damals bekannten naturkundlichen Wissen auseinandersetzte und eine Weltsicht vermittelt, die uns auch heute noch viel zu sagen hat.
Überblick über alle Veranstaltungen zu Humboldt in Berlin-Brandenburg unter: www.avhumboldt250.de
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