Welche Quellen haben Sie für Ihr Buch genutzt?
GABRIELLE: Ungefähr die Hälfte der Rezepte in unserem Buch kannte ich aus meiner Jugend. Die andere Hälfte kam von Menschen, die wir interviewt haben, oder aus deutsch-jüdischen Kochbüchern, die überwiegend um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert geschrieben wurden. Am meisten haben wir das Buch von Marie Elsasser benutzt…
SONYA: … und das von Rebekka Wolf.
GABRIELLE: Aber die handschriftlichen Aufzeichnungen meiner Großmutter waren auch recht hilfreich. Als junges Mädchen hatte sie die Hauswirtschaftsschule in München besucht. Daher besaß sie ein handgeschriebenes Kochbuch, wie es auch viele der von uns interviewten Frauen hatten.
SONYA: Alte Rezepte sind anders als moderne. Oft fehlen die Maß- oder Temperaturangaben (in einem Holzherd gibt es ja kein Thermometer). Auch werden viele Techniken nicht extra erklärt, weil damals jeder kochen konnte. Deswegen konnten wir die alten Rezepte nicht einfach eins zu eins aus den alten Kochbüchern übernehmen. Wir mussten sie quasi neu entwickeln.
GABRIELLE: Bei einigen war das richtig schwierig, zum Beispiel beim Apfel-Schalet mit Birnen. Dieses Rezept mussten wir vielleicht sechs, sieben Mal ausprobieren, bevor es uns gelang.
Woher wussten Sie, dass Sie den Originalgeschmack gefunden hatten?
GABRIELLE: Dank Geschmacksgedächtnis …. Als Moris, ein Freund von uns, der als Sohn von Überlebenden im US-Bundestaat Minnesota aufwuchs, bei uns zum Seder am Vorabend des Pessach-Festes eingeladen war und eine Vorspeise mit Karpfen (wenn auch kein „Gefillte Fisch“) auf den Tisch kam, erstrahlte er. Er erkannte den Geschmack sofort von seiner Mutter, und sein Geschmacksgedächtnis war uns sehr von Nutzen.
SONYA: Ein anderes gutes Beispiel ist Krautsalat. Wir fanden das handschriftliche Rezept meiner Urgroßmutter in ihrem Notizbuch. Aber als meine Mutter es dementsprechend zubereitete, schmeckte es nicht so, wie sie es aus ihrer Kindheit kannte. Offenbar mochte meine Urgroßmutter keine Zwiebeln. Und obwohl Zwiebeln Bestandteil des Rezepts waren, verzichtete sie darauf. Meine Mutter musste sich auf ihr Geschmacksgedächtnis verlassen, um das Rezept zu rekonstruieren. Alle lieben es; es ist so einfach und trotzdem unglaublich lecker!