Von Raimund Wolfert, Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft
Magnus Hirschfeld war einer der Pioniere der Sexualwissenschaft. Zum 150. Geburtstag erinnert die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft an das Vermächtnis des jüdischen Mediziners.
Bild: Archiv der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V., Berlin
Magnus Hirschfeld (1868–1935) war ein Kraftzentrum im Berlin der Weimarer Republik. Der Arzt und Sexualforscher, der in Kolberg (heute Kołobrzeg/Polen) geboren wurde, hatte mit dem Wissenschaftlich-humanitären Komitee 1897 die erste Selbsthilfeorganisation der Welt für Homo sexuelle gegründet. Ihr Hauptanliegen war die Abschaffung des § 175 im deutschen Strafgesetz buch, der mann-männliche Sexualkontakte unter Strafe stellte. 1919 eröffnete Hirschfeld in Berlin das Institut für Sexualwissenschaft, und wieder war er seiner Zeit um Jahre, wenn nicht gar Jahr zehnte voraus. Sein Institut, unweit des heutigen Bundeskanzleramts im damaligen Bezirk Tier garten gelegen, wurde als weltweit erste Einrichtung ihrer Art zu einem Aushängeschild für das weltoffene Berlin der 1920er Jahre. Es war eine Forschungsinstitution ersten Ranges, Motor einer zivilgesellschaftlichen Bürgerrechtsbewegung und Zufluchtsort für Menschen, die wegen ihrer sexuellen Identität auf Ablehnung stießen oder Zielscheibe von hasserfüllten Angriffen wurden.
Magnus Hirschfeld war als Jude, Sozialdemokrat und homosexueller Mann den Nationalsozialisten gleich mehrfach ein Dorn im Auge. Die Nazis schlugen nicht nur seine Reforminitiativen brutal nieder, sondern zerstörten 1933 auch sein Institut für Sexualwissenschaft und verbrannten seine Schriften öffentlich. Glücklicherweise hielt sich Hirschfeld selbst seit Ende 1930 nicht mehr in Berlin auf. In dem Jahr begab er sich auf eine mehrjährige Vortragsreise um die Welt, von der er nicht mehr nach Deutschland zurückkehrte. Er zog schließlich nach Frankreich, wo er in einer Wochenschau mitansehen musste, wie die Nazis sein Lebenswerk zerstörten. Seine Bemühungen, in Paris ein zweites Institut für Sexualwissenschaft aufzubauen, schlugen fehl. Am 14. Mai 1935, seinem 67. Geburtstag, starb Magnus Hirschfeld in Nizza.
Was wir heute als bewundernswerte Lebensleistung eines aufrechten deutsch-jüdischen Intellektuellen wie einen Fels in der Brandung wahrnehmen können, war – es mag erstaunen, das zu lesen – lange Zeit vergessen. 1982 wurde in Berlin die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft gegründet, um das materielle wie geistige Erbe Hirschfelds aufzuarbeiten und zu sichern. Erste Impulse hierzu waren aus den USA gekommen, und zunächst standen die deutschen Gründer der Organisation mit nahezu leeren Händen da – so „gründlich“ waren die Nazis vorgegangen. Die Erinnerung an Hirschfeld und seine Initiativen war verblasst, seine Werke ließen sich selbst in wissenschaftlichen Bibliotheken kaum noch finden. Überlebende, die über ihn erzählen konnten, waren nur mühsam zu ermitteln. Aber der Einsatz der Aktivisten um Ralf Dose, nach wie vor Geschäftsführer der Gesellschaft, war erfolgreich. Stück für Stück konnten der Lebensweg und das Werk Hirschfelds dem Vergessen entrissen werden.
Bild: Stephanie Kuhnen
Als Glücksfall sollte sich erweisen, dass der Berliner Regisseur Rosa von Praunheim 1999 einen Film über Magnus Hirschfeld drehte, der auf realen Begebenheiten basierte. Der Film unter dem Titel Der Einstein des Sex wurde wenige Jahre später auch im australischen Fernsehen ausgestrahlt, und die Vorankündigung in einer TV-Zeitung entdeckte zufällig Leon Cohen in Melbourne. Aufgeregt lief er zu seiner Frau Gaby, die eine Großnichte Hirschfelds war. Gaby Cohens Eltern war noch 1938 die Flucht aus Deutschland gelungen. Doch weil sie ihrer Tochter nur wenig über den Großonkel erzählt hatten, wusste sie kaum mehr, als dass er als Arzt in Berlin praktiziert hatte. Dass er Vordenker der weltersten Homosexuellenbewegung war, war ihr nicht bekannt. Über den Fernsehsender kam Gaby Cohen mit der deutschen Produktionsfirma von Der Einstein des Sex in Kontakt, und von hier wurde sie an Ralf Dose verwiesen. Seitdem verbindet die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft und die Cohens eine enge Freundschaft.
Bild: Privatbesitz Cohen
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Redaktion Zeitschrift aktuell
Susanne Zöchling