„Ich sehe Schirme“, sagt Hermann Simon, der Gründungsdirektor des Centrum Judaicum, bei seinem Grußwort an diesem historischen Tag. In dieser Mittagsstunde des 14. Juni 2016 an der Ecke Spandauer/ Karl-Liebknecht-Straße vor dem Roten Rathaus hat zur Übergabe des Denkmals „Haus Mendelssohn“ mindestens dreimal das Wetter gewechselt: vom trüben Wolkenvorhang zur strahlenden Sonne zum Guss mit Blitz und Donner und wieder zum Licht.
Die Redner, darunter die Bauherrn des Kunstwerks, Senatsbaudirektorin Regula Lüscher und Kulturstaatssekretär Tim Renner, stehen auf dem Podium unter einem Zeltpavillon halbwegs trocken; das Publikum auf den Bierbänken am Rande der Bodenskulptur schützt sich mit Knirpsen und Plastikhäuten. Ins Pflaster eingelassene Granitplatten markieren die ins Erdreich umgeklappte Fassade eines Hauses aus der Barockzeit, das bis 1886 an diesem Ort gestanden hat. Zwölf dunkle Steine stellen Fenster, drei Stockwerke dar. Ein rosa getönter Granit ist die Tür, ein weißer darüber mit Bleibuchstaben erinnert an eine Zweimeter-Gedenktafel, die über der Tür des Hauses angebracht war. Nach dem Niederschlag ändert sich die Tönung, die Helligkeit der Steine. Das Wasser verwandelt den dunklen Granit der zwölf Fenster in graue Spiegel, die den Fernsehturm und die Marienkirche reflektieren.
Micha Ullman, der Bildhauer, bemerkt dazu, dass diese spiegelnden Fenster den höchsten zum tiefsten Punkt Berlins machen. Seine Ansprache erinnert an das Haus des Philosophen Moses Mendelssohn und seiner Familie. Genau auf dieser Parzelle trafen sich die intellektuellen Freunde der Berliner Aufklärung; hier lernten Menschen verschiedenster Religionen, Kulturen und Milieus, was es heißt, einen Dialog zu führen. Das Haus am Boden sieht Ullman als ein Gebäude, dessen Fassade sich, „mit etwas Fantasie“, um die eigene Achse dreht.