Ich heiße Peter Katz, meine Eltern waren Julius Katz und Kaethe Katz (geb. Lehmann). Wir wohnten damals in der Zillertalstraße in Pankow und später in der Martin-Luther-Straße. Nach Schikanen der Nazis verließen wir Berlin am 3. Mai 1939, ich als siebenjähriger Staatenloser. Wir emigrierten nach Belgien, zuerst nach Antwerpen und ab 1941 nach Brüssel, wo wir den Krieg überlebten und wo ich den größten Teil meiner Jugend und meiner Schulausbildung genoss. Im April 1951 emigrierten wir nach Melbourne, Australien, wo wir uns eine neue Existenz aufbauten.
Meine Erinnerungen an Berlin waren gering. An einige schöne Momente erinnere ich mich, wie den Besuch bei Tante und Onkel, eine Bootsfahrt auf dem Wannsee, die Sicht der Zeppeline Hindenburg und Graf Zeppelin, die über uns vorbeiflogen, oder eine Autofahrt durch das Brandenburger Tor. Auch an einen Besuch im Berliner Zoo, wo die Militärkapelle sonntags spielte, sowie an enorm große Boas und Anakondas im Aquarium erinnere ich mich.
Die schrecklichen Erinnerungen begannen eines Tages, als ich mit meiner Tante nach einem Besuch im KaDeWe den Kurfürstendamm überqueren wollte: Wir sahen einen Haufen SA und die Hitlerjugend, die einer Frau die Augen ausgestochen hatten; ein Schupo stand da und guckte zu. Später in der Kristallnacht hat eine ähnliche Meute in unserer Straße ein Ehepaar aus einem Fenster im zweiten Stock geschmissen, niemand hat einen Arzt gerufen. Irgendwo brannte ein Gebäude, aber die Feuerwehr kam nicht, erst viel später kam die Luftwaffenfeuerwehr.
Durch meine Erfahrungen, den Schulbesuch und meine Freunde bin ich eigentlich mehr Belgier als staatenloser Deutscher geworden. Nach 76-jähriger Freundschaft bin ich immer noch mit meinen zwei besten Freunden in Brüssel stetig in Kontakt.
Wir verfolgten das Schicksal Berlins von Weitem: die Verfolgung, das Morden, der Jubel. Dann kam der Bombenhagel, die Zerstörung – „Unsere Mauern brechen, aber nicht unsere Herzen“, dann kamen die Russen! „Das haben wir alles unserem Führer zu verdanken.“ Wie war das alles nur möglich?! Unser schönes Berlin, die Kulturstadt Europas!
Mein Vater erhielt aktuell in den Siebzigerjahren, und seit seinem Tod 1987 erhalte ich aktuell bis jetzt. Ich habe mich immer gefreut, die Nachrichten und kulturellen Ereignisse aus Berlin zu erfahren und die Bilder zu sehen von Orten und Gebäuden, die ich nicht kannte. Meine Eltern haben viel von Berlin erzählt, und ich habe auch Bücher wie Berlin 75-75-76 oder Ich habe Sehnsucht nach dem Kurfürstendamm gelesen. Daraus konnte ich mir ein Bild machen von Berlin, wie es war. 1965 und später 1991 habe ich Berlin besucht und die Stadt meiner Geburt ein bisschen kennengelernt. Wenn ich so an alles denke, kommen mir die Tränen in die Augen. Trotz allem kann ich stolz sagen „Ich bin ein Berliner!“.