- Herr Müller, was war das größte Glück in ihrem politischen leben?
- Für mich als Berliner gibt es darauf nur eine Antwort: die friedliche Revolution und der Fall der Mauer am 9. November 1989. Das war das prägende Erlebnis meiner Generation – diese Begeisterung, der Aufbruch, das überwältigende Gefühl der Freiheit. 28 Jahre lang teilten Mauer und Stacheldraht unsere Stadt. Kaum jemand glaubte damals daran, selbst einmal die Einheit zu erleben. Mit einem Mal wurde das Unmögliche möglich. Diese Erinnerung bleibt. Und sie beflügelt uns bis heute.
- Ist es nicht pure Nostalgie, auch heute – knapp drei Jahrzehnte nach diesem historischen Umbruch – immer noch die Einheit zu feiern?
- Wenn es nur eine rückwärtsgewandte Feier wäre, würde ich Ihnen recht geben. Aber das ist es nicht.
- Was setzen sie denn dagegen?
- Wir erinnern daran, dass es die deutsche Einheit nur gab, weil viele Menschen in Mittel- und Osteuropa den Mut hatten, sich gemeinsam gegen ihre Regime aufzulehnen und sich für die Freiheit zu engagieren. So gelang es, eine Diktatur nach der anderen zu überwinden, von Ungarn über Polen und die Tschechoslowakei bis hin zur DDR. Und: Wir verdanken die Einheit maßgeblich auch der Unterstützung unserer internationalen Partner. In beiden Aspekten steckt eine sehr aktuelle und wichtige Botschaft …
- … und die lautet?
- Freiheit und Demokratie werden einem nicht geschenkt. Man muss sich engagieren, gemeinsam dafür kämpfen. Und wenn ich da an Europa denke – Fortschritte erreicht man nicht im nationalen Alleingang. Zusammenarbeit zahlt sich aus. Diese Botschaft ist mir gerade in diesen Zeiten sehr wichtig, in denen nationalistische Bewegungen versuchen, Europa zu spalten.
bq. Ich glaube fest daran, dass wir eine gute Zukunft erreichen, wenn wir sie gemeinsam gestalten.