Denkmäler zum Sprechen gebracht

Talking Statues

von Dr. Torsten Wöhlert, stellvertretender Geschäftsführer der Kulturprojekte Berlin GmbH

Genau genommen gibt es keine unpolitischen Denkmäler im öffentlichen Raum. Allein die Frage, wessen wie gedacht wird und wer das jeweilige Kunstwerk schaffen darf, ist gleich mehrfach politisch von Belang. So gesehen sind auch die „Talking Statues“ politische Denkmäler. Bei Karl Marx und Friedrich Engels, Käthe Kollwitz, Heinrich Zille oder Lise Meitner ist der politische Bezug schnell hergestellt. Beim Löwen von August Gaul im Kolonnadenhof der Alten Nationalgalerie hingegen erschließt er sich auf den ersten Blick nicht unbedingt.

  • Käthe Kollwitz

    Käthe Kollwitz

  • Dietmar Wunder, Synchronstimme von James Bond, spricht den Text zu August Gaul, neben dessen Löwen er hier steht

    Dietmar Wunder, Synchronstimme von James Bond, spricht den Text zu August Gaul, neben dessen Löwen er hier steht

Genau hier setzt die Idee von „Talking Statues“ an, die so einfach wie originell ist. Am oder neben dem jeweiligen Denkmal ist auf einem Hinweisschild ein QR-Code angebracht. Wird dieser mit dem Smartphone eingelesen, klingelt das Telefon und das Denkmal erzählt via Telefon (s)eine Geschichte. „Talking Statues“ sind nicht nur ein netter Gag beim Stadtrundgang, sondern eine moderne und unterhaltsame Form der Vermittlung von Kunst im öffentlichen Raum, die von der doppelten künstlerischen Brechung des Denkmals lebt – durch den erzählenden Text und die prominente Stimme, die ihn interpretiert. Wer sich von einem Denkmal anrufen lässt, erfährt – wahlweise auf Deutsch oder Englisch – Aufschlussreiches zur dargestellten Person, zum Kunstschaffenden und zur Denkmalsgeschichte.

So erzählt der Löwe mit der Synchronstimme von James Bond, Dietmar Wunder, wie der konfliktscheue und schüchterne August Gaul sich mit seiner naturverbundenen Kunstauffassung gegen den monumentalen Zeitgeist gestellt und dabei sogar dem Kaiser getrotzt hat. Oder wenn beim Marx-Engels-Denkmal Friedrich Engels mit der Stimme von Gregor Gysi deshalb allein anruft, weil Karl Marx seine Telefonrechnung mal wieder nicht bezahlen kann, ist das Beziehungsgefüge der beiden Vordenker des Kommunismus mit wenigen Sätzen umrissen. Zugleich erfahren die Angerufenen etwas über die ambivalenten Produktionsbedingungen von Auftragskunst in der DDR.

Und immer verweisen die „Talking Statues“ auf verwandte Museen oder Kunstwerke im Stadtraum; Engels zum Beispiel auf das nahe gelegene DDR-Museum und auf das Denkmal Ernst Thälmanns im gleichnamigen Park, das wohl noch gewaltiger ausgefallen wäre, wenn nicht ein Teil der (knappen) Bronze für Marx und Engels hätte abgezweigt werden müssen. Fünf „Talking Statues“ gibt es derzeit in Berlin, zehn sollen es am Ende der Pilotphase 2017 sein. Und danach? Wird man wissen, wie gut diese Form der Vermittlung von Kunst im öffentlichen Raum ankommt und ob weitere Denkmäler zum Sprechen gebracht werden können.

Mehr Informationen über die „Talking Statues“ unter www.talking-statues-berlin.de

Kulturprojekte Berlin GmbH
Klosterstraße 68
10179 Berlin
Tel.: +49 3024749700
E-Mail
www.kulturprojekte-berlin.de