Ehrenamtliche helfen Geflüchteten
von Johanna Block, Senatskanzlei
Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, stattet dem Berliner Tierpark an einem sonnigen, aber noch immer kalten Sonntagnachmittag Ende Januar einen Besuch ab und füttert das frisch geborene Elefantenbaby. Eine liebevolle Geste, um einen neuen Berliner willkommen zu heißen. Doch dies war nicht der alleinige Anlass für den Besuch des Regierenden. „Berlin sagt Danke“ – unter diesem Motto öffneten am 31. Januar 2016 auf Initiative des Berliner Abgeordnetenhauses und des Berliner Senats nicht nur der Tierpark, sondern auch Berliner Museen, Theater, Ausstellungen und andere Einrichtungen ihre Tore zum kostenlosen Besuch. Denn das außerordentliche ehrenamtliche Engagement vieler Berlinerinnen und Berliner für Geflüchtete findet international Anerkennung. Zahlreiche Initiativen und Vereine haben sich in den letzten Monaten spontan gegründet, um die Neuangekommenen aufzunehmen und sie bei ihren ersten Schritten in Berlin zu unterstützen. So waren an diesem Tag zehntausende Menschen in der ganzen Stadt unterwegs, allein im Berliner Rathaus haben sich tausend Besucherinnen und Besucher über das Thema Flucht informiert.
Nicht nur in Berlin ist die Flüchtlingsthematik seit Monaten in aller Munde und bestimmt die Schlagzeilen in allen Medien. Der anhaltende Krieg in Syrien, Vertreibung und Elend im Irak, Afghanistan, Palästina, Pakistan, Somalia, Eritrea und vielen anderen Staaten bringen Menschen dazu, gefährliche Wege auf sich zu nehmen und Zuflucht in Europa zu suchen.
Im Jahr 2015 sind nach Auskunft der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales 79.034 Flüchtlinge in Berlin angekommen. 54.325 blieben hier. Berlin besitzt für Geflüchtete starke Anziehungskraft, da sie hier auf eine gut ausgebaute Infrastruktur sowie eine internationale Community treffen, die sie schneller als an anderen Orten Anschluss an das soziale und ökonomische Leben finden lässt.
Denn trotz aller Schwierigkeiten, denen sich die Geflüchteten ausgesetzt sehen, wenn sie hier ankommen: Berlin ist bunt und Berlin ist kreativ. Das zeigt sich nicht nur in der hiesigen Kunst- und Wirtschaftsszene mit ihren unzähligen jungen Start-ups und Kreativräumen. Auch lokale Initiativen zur Integration von Geflüchteten nutzen die hier bestehenden kreativen Netzwerke und Infrastrukturen. Auf diese Weise sind im Laufe der vergangenen zwei Jahre einige spannende Ideen entstanden, die die Integration von Geflüchteten unterstützen, ohne dabei defizitäre Denkmuster zu reproduzieren. Im Gegenteil: Potenziale fördern und voneinander lernen auf Augenhöhe stehen hier im Mittelpunkt.
Dieser Grundüberzeugung folgte auch Anne Riechert, als sie die Idee hatte, eine Programmierschule für Geflüchtete aufzubauen. Berlin ist voller junger, innovativer Digitalunternehmen, die händeringend nach qualifiziertem Personal aus aller Welt suchen. Auf einen Programmierer kommen in Deutschland 41.000 freie Stellen. „Refugees on Rails“ knüpft genau an dieses wirtschaftliche Bedürfnis an und bildet Geflüchtete im Programmieren aus. Die Online-Plattform „Alle helfen jetzt!“ des Landes Berlin brachte Refugees on Rails mit dem Unternehmen Cisco zusammen. Diese Kooperation ermöglichte der Initiative, schnell Zugang zu Ressourcen und Netzwerken zu finden und eine Lernplattform in verschiedenen Sprachen aufzubauen.
Gerade in der Anfangsphase solcher Integrationsprojekte ist es besonders wichtig, über einen Raum zu verfügen, in dem sich das Team treffen, in den Austausch mit anderen Projekten treten und seine Dienstleistung oder Idee vorab im kleinen und geschützten Rahmen testen kann. In Berlin gibt es dafür den speziell auf digitale Projekte für und mit Geflüchteten ausgerichteten Kreativraum mit dem Namen „Migration Hub“. Ziel ist es, sowohl Geflüchtete zu unterstützen, die ein eigenes Unternehmen gründen wollen, als auch Berliner Vereine, Initiativen und Start-ups zu fördern, die sich für Geflüchtete einsetzen. All dies geschieht zum großen Teil rein ehrenamtlich. Die Anzahl von Veranstaltungen ist enorm. Nahezu täglich finden Events statt, bei denen sich das überwiegend junge Publikum mit anderen Initiativen vernetzen und über Fördermöglichkeiten informieren kann.
Bild: Über den Tellerrand kochen
Berufliche Integration ist ein wichtiger Aspekt gesellschaftlicher Teilhabe, aber bei weitem nicht der einzige. Eine Initiative junger Studierender aus Berlin fand einen ganz besonderen Weg, um den Austausch zwischen neuen und alten Berlinerinnen und Berlinern auf kreative und unkomplizierte Weise in Gang zu bringen: „Über den Tellerrand kochen“.
In einem gemütlich eingerichteten Kochstudio in Schöneberg bieten geflüchtete Menschen Kochkurse an. Ein Teil der Anmeldegebühren geht direkt an die Köchinnen und Köche. Neben dem gemeinsamen Kochen landestypischer Gerichte bekommen die Teilnehmenden interessante Einblicke in das Herkunftsland des Kochs/der Köchin und haben die Gelegenheit, in ungezwungener Atmosphäre sowohl kulinarisches als auch kulturelles Know How zu erwerben. Das Medium Kochen bringt Menschen ins Gespräch, die ansonsten nicht unbedingt aufeinandertreffen würden. Es setzt einen gegenseitigen, gleichberechtigten Lernprozess und einen ganz natürlichen Kulturaustausch in Gang, von dem alle Seiten profitieren.
Bild: Sharehaus Refugio
Noch privater ist das Engagement der Menschen im „Sharehaus Refugio“ in der Lenaustraße in Neukölln. Hier leben insgesamt 40 Menschen auf vier Etagen zusammen, darunter Menschen aus dem Irak, Afghanistan, Syrien, Bosnien und Palästina. Die Hälfte von ihnen hat einen Fluchthintergrund. Das „Sharehaus“ wurde so zum Zufluchtsort für Menschen, die vor Krieg, Gewalt, Hunger und Not aus ihrer Heimat flohen, bietet aber zugleich auch sozialen Anschluss und eine Perspektive für das neue Leben in Berlin.
Diese Projekte stehen beispielhaft für das außerordentliche Engagement der unzähligen Ehrenamtlichen, die sich seit vielen Monaten tags und nachts für Geflüchtete einsetzen und ihnen den Start im neuen Zuhause ein wenig erleichtern. Unzählige Kleiderkammern, Essensausgaben, Sprachkurse und Hausaufgabenbetreuungen werden überall in Berlin von Ehrenamtlichen ausgerichtet. Der Zuspruch seitens der Geflüchteten ist riesig und der Bedarf bleibt nach wie vor hoch. So wird Berlin auch in Zukunft auf das ehrenamtliche Engagement seiner Einwohnerinnen und Einwohner angewiesen sein. Die letzten Monate haben jedoch gezeigt, dass die Integration von Neuangekommenen gemeinsam gemeistert wird und der Lernprozess dabei in beide Richtungen vonstattengeht.
Der Regierende Bürgermeister von Berlin
- Senatskanzlei -
Redaktion Zeitschrift aktuell
Susanne Zöchling