Israelis & Deutsche

von Dr. Alexandra Nocke, Kuratorin und Projektleiterin

Nach der Shoah, zum Zeitpunkt der Gründung Israels und der Bundesrepublik Deutschland Ende der 1940er Jahre, herrschte zwischen Deutschland und Israel Sprachlosigkeit. Und doch gab es schon in den 1950er Jahren auf beiden Seiten Brückenbauer, die durch persönliche und wirtschaftliche Kontakte abseits der Diplomatie eine Grundlage für neue Beziehungen schafften. Am 12. Mai 1965, nur zwanzig Jahre nach dem Ende der systematischen Ermordung von sechs Millionen europäischen Juden durch die Nationalsozialisten, wurden offizielle diplomatische Beziehungen zwischen den beiden Ländern aufgenommen.

Seitdem ist viel passiert. Heute sind die deutsch-israelischen Beziehungen geprägt von Lebendigkeit, vielfältigem Kulturaustausch und Dialog – aber auch von Konflikten. Die Beziehungen haben in den vergangenen fünfzig Jahren Metamorphosen durchlebt und wurden im öffentlichen Diskurs Deutschlands und Israels unterschiedlich und oftmals widersprüchlich bewertet. Aus Anlass des fünfzigjährigen Jubiläums bereitet die Deutsch-Israelische Gesellschaft e.V. (DIG) auf Initiative ihres Präsidenten Reinhold Robbe eine Wanderausstellung vor, die am 15.10.2015 im Paul-Löbe-Haus in Berlin eröffnet wird. Im Jahr 2016 wird die Ausstellung bundesweit in ca. 15 verschiedenen Städten zu sehen sein. Eine hebräischsprachige Kopie der Ausstellung wird in Israel an vier Standorten präsentiert.

Die Ausstellung dokumentiert die langsame Annäherung zwischen den beiden Ländern, die geprägt war von politischen Spannungen und emotionalen Herausforderungen, Unsicherheiten und Misstrauen auf beiden Seiten. Die faszinierende und facettenreiche Entwicklung der deutschisraelischen Beziehungen wird mit ihren Höhen und Tiefen nachgezeichnet, um so das lebendige Bild der gegenwärtigen Kontakte aufzuzeigen. Dabei soll ein besonderes Augenmerk immer den Menschen hinter den Schlagzeilen gelten, die durch ihren Einsatz dazu beigetragen haben, enge Verbindungen in den Bereichen Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Literatur, Theater und Musik zu schaffen, und mit vielfältigen Austauschprogrammen den Alltag beider Länder prägen. Zwischenmenschliche Kontakte, Städtepartnerschaften, Jugendaustausch und Wissenschaftskooperationen bilden das Fundament, auf dem die Beziehungen wachsen.

bq. „Eine neue Generation von Juden und Deutschen muss heranwachsen, eine neue Generation, die dies alles als Geschichte betrachten kann. Wir können zusammen ins Bett gehen, wir können miteinander sprechen, aber die große Kluft ist immer noch zwischen uns. Es wird lange dauern, bis alle Wunden verheilt sind.“
Yoram Kaniuk, israelischer Schriftsteller (1930-2013) aus: der Letzte Berliner, 2002

Deutschland und Israel verbindet eine unentwirrbare Geschichte, und ihr Verhältnis zueinander ist bis in die Gegenwart hinein von Ambivalenzen und Widersprüchen geprägt. Die israelische Wahrnehmung Deutschlands sowie das Bild Israels aus deutscher Sicht sind über die Jahre in verschiedenen Studien untersucht worden. Die Ergebnisse sind vielschichtig und zeichnen ein Bild der komplexen Beziehungen: Vorbehalte und antisemitische Vorurteile sind nach wie vor präsent, und die Tragweite der Geschichte beeinflusst die gegenseitige Wahrnehmung bis in die Gegenwart. Zeitgleich gibt es heute mehr Austausch und Kooperation zwischen den beiden Ländern als je zuvor, und die Zahlen der Reisenden in beide Richtungen erleben seit Jahren einen steten Aufwärtstrend. Die Uneinigkeit der Studienergebnisse weist auf ein wichtiges Phänomen hin, das sich auch in der Ausstellung spiegelt: die Gleichzeitigkeit der Ereignisse, das Nebeneinander und die Widersprüchlichkeit unterschiedlicher Wahrnehmungen.

Vor diesem Hintergrund führt die Ausstellung durch fünfzig Jahre deutsch-israelische Beziehungen, die durch bewegende persönliche Geschichten, unbekannte historische Fotografien namhafter Chronisten sowie persönliche Zitate und literarische Quellen nachgezeichnet werden.

Dabei steht nicht ausschließlich die Chronologie der offiziellen diplomatischen Verbindungen im Vordergrund, sondern es wird auch der zwischenmenschliche und oft freundschaftliche Kontakt aufgezeigt. Die individuellen Stimmen und persönlichen Initiativen, die eine Annäherung nach der Shoah erst ermöglicht haben, stehen im Mittelpunkt. Musiker, Literaten, Sportler, Touristen, Zivildienstleistende, Kibbuzvolontäre, Schüler oder Pilger wurden zu wohlwollenden Beobachtern und Brückenbauern. Sie prägen die Verbindung zwischen den beiden Gesellschaften und formen sie weiter bis in die Gegenwart hinein.

Die Wanderausstellung wird am 15.10.2015 im Paul-Löbe-Haus in Berlin eröffnet. Weitere Informationen und den Tourneeplan finden Sie unter: www.deutsch-israelische-gesellschaft.de

  • Konrad Adenauer in Israel

    Adenauer, der als Schüler Hebräisch gelernt und sich bereits 1927 als Kölner Oberbürgermeister mit den Zielen des Zionismus solidarisch erklärt hat, reist im Mai 1966 als Bundeskanzler a.D. zum ersten Mal nach Israel. Steht man auch Deutschland und den Deutschen in Israel noch abwartendskeptisch gegenüber, so berichtet die israelische Presse über Adenauers Besuch fast durchweg positiv. Ein Höhepunkt der Reise ist der Besuch des 90-Jährigen bei seinem Freund Ben-Gurion (dem ersten Premierminister Israels) im Wüsten-Kibbuz Sde Boker. „Bist du müde?“, fragt Ben-Gurion seinen Gast bei der Begrüßung. „Nein“. „Was möchtest du, sollen wir machen?“ „Wozu auch immer Du Lust hast“, antwortet Adenauer. „Komm“, sagt Ben- Gurion, „ich zeig dir mal meine Bibliothek!“ Gesagt, getan. Später nehmen Ben-Gurion und sein Gast im Kibbuz-Speisesaal das Mittagessen ein und Adenauer überzeugt sich davon, dass auch im sozialistischen Kollektiv angebautes Gemüse schmecken kann. Entspannter geht´s wohl kaum.

David Ben-Gurion und Konrad Adenauer beim Fototermin vor Ben-Gurions Landhaus im Kibbuz Sde Boker, 09.05.1966

David Ben-Gurion und Konrad Adenauer im Speisesaal des Kibbuz Sde Boker, 09.05.1966

Deutsch-Israelische Gesellschaft e.V.
Dr. Alexandra Nocke
Projekt: Wanderausstellung
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