von Saskia Inken Rutner, Sängerin und Schauspielerin
Ein musikalischer Streifzug durch Berlin
Elf Kilometer südwestlich im Stadtteil Wilmersdorf heizen die „ Acoustic Hippies“ dem Publikum in der Musikkneipe Rickenbackers ein. In Berlin gibt es auch eine ausgeprägte Coverband-Szene auf hohem Niveau. Die „Acoustic Hippies“ geben ihren Eigen-Interpretationen eine ganze eigene Note und ziehen ihrerseits Fans in Scharen an. Mit virtuosem Solo- und Satzgesang untermalt von akustischen Gitarren und Percussion zelebrieren die vier stadtbekannten Musiker der ehemals florierenden West-Berliner Live-Club-Szene Hits der 1960er und 1970er Jahre. „Wir spielen die Musik der heutigen Entscheidungsträger“, resümiert schmunzelnd Ingolf Kurkowski, der Percussionist des Berliner Quartetts. Die Fans zwischen fünfzig Jahren und siebzig aufwärts jubeln, als Sänger Friedemann Benner mit seiner markanten Stimme „Hotel California“ der Eagles anstimmt.
Neun Kilometer weiter im beliebten Liveclub Kaffee Burger im Stadtteil Mitte feiern Zwanzig- bis Mitte Dreißigjährige die junge Indie Rock-Band „Combine“. Die aus dem Norden Israels stammenden Musiker sind im Juni 2014 nach Berlin gezogen und spielen seitdem unermüdlich Konzerte in der Hauptstadt und in ganz Europa. Mit ihrer markanten Mischung aus treibendem Rock und melodiös-düsterem Pop und dem leidenschaftlichen Gesang ihrer Sängerin Daniel Tourgeman haben sie sich mittlerweile auch eine beachtliche Fangemeinde in Berlin erspielt.
In der Berliner Philharmonie spielen heute Abend die Philharmoniker unter der Leitung von Chefdirigent Sir Simon Rattle Werke von Benjamin Britten und Dmitri Schostakowitsch. Der 60-jährige Rattle wird das Haus im Jahr 2018 auf eigenen Wunsch nach 15 Jahren verlassen. Im Mai 2015 ernteten die Mitglieder des weltberühmten Orchesters Hohn und Spott, da sie sich nach einem zwölfstündigen Wahlmarathon nicht auf einen Nachfolger für Rattle einigen konnten. Ende Juni wurde dann die Entscheidung gefällt, doch die Wahl fiel überraschenderweise auf keinen der Topfavoriten. Neuer Chefdirigent wird Kirill Petrenko, amtierender Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper. Der 43-jährige Russe gilt als einer der begabtesten zeitgenössischen Dirigenten und als Experte für Hochromantik. Im Gegensatz zum quirligen, kommunikativen Rattle wird er jedoch als öffentlichkeitsscheu beschrieben, die Tageszeitung „Die Welt“ nannte ihn sogar einmal „Phantom der Oper“. Doch mit dem bescheidenen Maestro, der sich ausschließlich als Diener am Werk sieht, erwartet die Philharmoniker eine spannende künstlerische Perspektive für die Zeit nach Rattles Abschied.
Im Corbo geht der Abend zu Ende. Yvonne Fendel erntet für ihr Programm Standing Ovations. Doch da der Mietvertrag für das Corbo nicht verlängert wurde, wird Mitte 2016 Schluss sein. „Wir halten uns noch alle Optionen offen“, so Lisa Zenner.
Es heißt, dass der Hamburger Vermieter ein Restaurant in den Räumen plant. Auch das ist typisch für die Berliner Musikszene. Gestern eine Pizzeria, heute eine renommierte Chanson-Bühne, morgen ein Lokal mit japanischer Küche. Bühnen kommen und gehen. Berlin – die Stadt, die immer im Wandel ist. Sie entwickelt sich.
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