Was bedeutete es für deutsch-jüdische Flüchtlinge, als Sieger, Befreier und Besatzer nach Deutschland zurückzukehren? Wir können es bestenfalls erahnen. Heimatgefühle waren längst abgestorben, viele hatten sich eine neue Identität geschaffen. Drei der Porträtierten mussten erkennen, dass sie die einzigen Überlebenden ihrer Familien waren – Walter Reed (*1924), Manfred Steinfeld (*1924) und Guy Stern (*1922). In besonders radikaler Form manifestierte sich der Rollentausch vom Opfer der Verfolgung zum Akteur der Anti-Hitler-Koalition, wenn deutsch-jüdische Flüchtlinge wie Manfred Steinfeld mit daran beteiligt waren, Konzentrationslager zu befreien.
Walter Reed hatte die Aufgabe, den Lehrkörper an der Universität Marburg zu entnazifizieren. Henry Kissinger spürte höhere Ränge des NS-Regimes auf, um sie zur Rechenschaft zu ziehen. Doch die Politik der Alliierten änderte sich. Manche zeigten sich enttäuscht, dass im Zeichen des Kalten Krieges auf alliierter Seite die Bereitschaft zur Kooperation mit den Deutschen rasch wuchs. Nach Kriegsende kehrten die meisten Deutschland den Rücken. Und dennoch: einige entschieden sich bewusst, zu bleiben. Zu diesen zählte beispielsweise Ernst Cramer (1913–2010), der später die Geschicke des Axel-Springer-Verlages, des mit Abstand größten deutschen Zeitungsverlages, mit lenkte.
In der Ausstellung klingt an, wie sich die Lebensläufe unserer Protagonisten in der Nachkriegszeit entwickelten. Die meisten gründeten in den Aufnahmeländern eine Familie. Ehemalige deutsch-jüdische Flüchtlinge waren als Hochschullehrer und Verleger, in der Politik, als Textil- und Lebensmittelhändler erfolgreich tätig. Für eine große, internationale Ausstellung wäre es höchste Zeit.