Eine Open-Air-Ausstellung versucht nun, ein Bild vom breiten Spektrum der Unterhaltungs- und Bildungskultur jener Zeit um 1930 in Berlin zu zeichnen, indem sie mehr als 200 Porträts und Kurzbiografien von Menschen zeigt, die damals – wie man so sagt – jeder kannte, und die dann sehr schnell, oft im wahren Wortsinn, von der Bühne verschwanden. Darunter waren Berühmtheiten wie Bertolt Brecht, Albert Einstein, Else Lasker-Schüler oder Anna Seghers. Die meisten aber – Musiker, Fotografen, Kabarettisten, Sänger, Tänzer, Filmschauspieler, Maler, Kunsthandwerker, Wissenschaftler, Dichter, Theaterleute und Zirkusartisten – sind heute weitgehend unbekannt. Sie alle waren Teil eines für heutige Verhältnisse unvorstellbar großen Kulturbetriebs. So ist das Berlin der 1920er-Jahre beispielsweise eine der führenden Musikmetropolen. Wer Rang und Namen hatte, musste hier aufgetreten sein.
Es gab in diesen Jahren 21 Konzertsäle in der Stadt, davon acht mit mehr als 1.000 Plätzen. Zwei Opernhäuser – die Städtische Oper in Charlottenburg und die Kroll-Oper – hatten sogar über 2.000 Plätze. Rund 50 Sinfonieorchester, darunter mehrere von Weltklasse, gaben regelmäßig Konzerte. Und was für den „E-Musik“-Bereich (ernste Musik) galt, traf auf die Unterhaltungsmusik in gleichem Maße zu: Gepflegte Salonorchester in allen größeren Hotels, die neuesten Tonfilm- Schlager auf den Bühnen der Revuetheater und – seit mit den „Chocolate Kiddies“ und Josephine Baker der Jazz aus den USA nach Berlin gekommen war – spektakuläre Gastspiele in der Scala, der Plaza und im Wintergarten, allesamt Häuser mit Platz für 3.000 Besucher.
Berlin ist aber auch Film- und Theaterstadt, Galerien-, Mode- und Zeitungsstadt, Stadt der Wissenschaft und Stadt der Avantgarde. Die Akteure dieses in den 1920er-Jahren so grandios entwickelten kulturellen Lebens kamen aus allen möglichen Gegenden der Welt, aus den unterschiedlichsten Communities. Aber ihre verschiedenartige soziale, religiöse oder kulturelle Herkunft, die eben noch die Stadt so attraktiv machte, dass hier der weltweit erste Werbeslogan für eine Städtereise entstand: „Jeder einmal in Berlin“, wurde vielen von ihnen bei der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten gewissermaßen über Nacht zum Verhängnis.