„Sicher, das erste Mal im Café in einem alten Gebäude war seltsam. Vor 75 Jahren hätte ich hier nicht gesessen“, gibt er zu. „Für mich klingt Deutsch wie Jiddisch, etwas altmodisch. Aber ich denke sonst nicht jeden Tag daran, dass ich Israeli bin. Ich bin nicht religiös, sehe es eher als Tradition. Das gehört eben zu mir.“
Schwieriger war anfangs: „Jemanden zu finden, der meine Entwürfe nähen kann.“ 1930 hätte er da kaum suchen müssen. Berlin war Zentrum der deutschen „Konfektion“, internationale Modestadt – und eine sehr jüdische dazu. 2000 Textilfirmen gab es. Die Hälfte gehörte deutschen Juden, auch drei der größten Kaufhäuser, Manheimer, Gerson, Nathan Israel, damals prächtig wie Harrod’s in London. Dann schalteten die Nazis die Branche gleich, zerstörten, was sie nicht an sich reißen konnten. Die Fäden von einst sind zerrissen. Wer heute kommt, muss neu beginnen. Seit 2004 verkaufen immerhin zwölf jüdische Modedesigner hier, sieben aus Israel.
Für Einat Zinger Feiler aus Haifa ist Berlin wie ein zweites Zuhause. In New York arbeitete sie als Fotografin, studierte in Berlin, kam über Textildrucke zur Mode. „Hazelnut“ heißt das Label der 34-Jährigen, das im Erzgebirge und in Bernau gefertigt wird. In der Oderberger Straße, im „Flagshipstore“, hängen ihre eleganten Kleider. „Kennt man Menschen auf der anderen Seite des Traumas“, findet sie, „kann man es besser verarbeiten.“
Andere wollen nicht so genau wissen, was war. „Reiner Selbstschutz. Ich will lieber glauben, dass heute alles ganz anders ist“, sagt Maya Bash, 34. Wie Schuhdesignerin Shani Bar entwirft sie in Tel Aviv. Beide haben eine Boutique in Berlin. Die Häuser hier erinnern Maya Bash an ihre Kindheit in Nowosibirsk: „Ich kam erst mit zwölf nach Israel.“ Nun verkauft sie in Moskau, Tokio und New York. Doch von einem Shop in Berlin hat sie immer geträumt.
Warum? Nostalgie, ein später Sieg über die Geschichte? Vielleicht auch das. Nur einmal hat sie geweint, am Sowjetischen Ehrenmal: „Mein Großvater war in der Roten Armee, hat gegen Hitler gekämpft und ist im Krieg gefallen.“ Als sie der Großmutter in Jerusalem Fotos zeigt, ist die nicht verbittert, sondern neugierig auf das junge Berlin: „›Wer hätte gedacht‹, hat sie gesagt, ›dass meine Enkelin hier mal ein Geschäft hat?‹“ Nach Berlin zieht es Bash nicht. Aber stolz ist sie: „Hier kann ich eine andere Seite Israels zeigen. Mode zeigt, wie man sich fühlt, sein möchte.“
Unfertig, verspielt, ironisch sind ihre Schnitte, edel, bequem die Stoffe: Seide und japanische Baumwolle. Jacken kosten 1000 Euro, Kleider 160 Euro. Und wer kauft in ihrer Boutique am Kollwitzplatz? „Frauen um die 45, auch Männer, meist aus der Architektur- und Kunstszene“, sagt sie.
Kommen Deutsche unbefangen? „Viele sind neugierig auf israelische Mode“, sagt sie. „Dass ich Jüdin bin, reicht aber nicht, sie zu verkaufen.“
Auch Anat Fritz hat das nie betont. „Das zaubert in Deutschland ja immer noch ein Oh auf die Lippen, wenn ich sage, dass ich Jüdin bin“, sagt die 39-Jährige. Sie war sechs, als ihre Eltern nach Deutschland zogen. Als sie 2005 keine Mütze für den Winter fand, erfand sie einen Wollturban im Stil der Zwanziger – mit Erfolg. Erst strickten ältere Berliner Damen, heute wird die Mütze in einer osteuropäischen Fabrik hergestellt. Selbst Glühbirnen hat sie umgarnt, Lampenschirme entworfen – mit Glasperlen und Vintage-Spitze. „Das sind wohl meine rumänischen Wurzeln. Dort hat Häkelarbeit Tradition“, sagt sie.
Ihr Duft „Tzora“, ein Flakon im Häkel-Kleid, wirkt wie aus dem Wäscheschrank der Großmutter aus dem Banat, riecht aber modern, nach Cassis, Pfeffer, Moos. Er heißt wie ihr Lieblingskibbuz. „So gern ich dort hinfahre, dort leben würde, da kann man keine Mode machen“, sagt Fritz, „Israelis haben keinen Sinn für kleine Label.“
„Dort gibt es auch keine Tradition, sich schick anzuziehen“, sagt Roey Vollman, 36. Früher war er Journalist bei Globes und Maariv. 2008 gab seine Frau Nait Rosenfelder ihr Label „Nait“ in Tel Aviv auf, zog mit ihm und dem sechs Monate alten Sohn nach Berlin-Kreuzberg. „Wir brauchten eine Pause von Israel, wollten als Marke und als Familie neu anfangen“, sagt er. „Eva & Bernard“ heißt ihr Label. Bewusst deutsch sollte es klingen – und gut. „Man soll unsere Produkte mögen, nicht nur, wer wir sind“, betont Vollman.