Ein exemplarischer Ort

Das Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit und die Geschichte der NS-Zwangsarbeit als allgegenwärtiges Massenphänomen

von Dr. Christine Glauning, Leiterin des Dokumentationszentrums NS-Zwangsarbeit Berlin-Schöneweide

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Die Baracken des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers in Schöneweide

Das Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit befindet sich am historischen Ort eines ehemaligen Zwangsarbeiterlagers: Hier waren zivile Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen, italienische Militärinternierte und weibliche KZ-Häftlinge untergebracht und mussten bei den umliegenden Rüstungsbetrieben arbeiten. Allein in Berlin befanden sich ca. 3.000 Sammelunterkünfte für rund 500.000 Männer, Frauen und Kinder, die aus den von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten in Europa zur Arbeit deportiert wurden.

Die Lager – eigens errichtete Barackenlager oder umfunktionierte Theater, Schulen und Wirtshäuser – verteilten sich über das ganze Stadtgebiet. Die Bevölkerung begegnete beinahe täglich den Zwangsarbeitern – nicht nur auf dem Weg zur Arbeit, sondern auch an den Arbeitseinsatzorten selbst: in Privathaushalten, kommunalen Betrieben, im kirchlichen Bereich, in der Landwirtschaft, dem Bergbau sowie in den zahlreichen kleineren und größeren Firmen, die für die Rüstung produzierten.

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Die wiederhergestellte „Baracke 13“ mit umliegenden Wohnhäusern

In Schöneweide besonders beeindruckend ist die Nähe der Unterkunftsbaracken zu den umliegenden Wohnhäusern, wodurch hier die Anwohner während des Zweiten Weltkrieges direkten Einblick in das Lager erhielten. Dies ist auch heute noch zu sehen, da das Lager beinahe vollständig erhalten ist – das einzige in Berlin.

Seit 2006 informiert das Dokumentationszentrum – eine Abteilung der Stiftung Topographie des Terrors – mit zahlreichen Wechselausstellungen, Veranstaltungen und einem breit gefächerten pädagogischen Angebot über die europaweite Dimension der Zwangsarbeit. Seit 2010 gehört eine noch weitgehend erhaltene Unterkunftsbaracke (Baracke 13) zum Dokumentationszentrum. Nach einer behutsamen Sanierung ist die Baracke nun wieder zu besichtigen: Hier kommen ehemalige Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen zu Wort, die in Interviews oder Erinnerungsberichten über den Alltag in verschiedenen Berliner Zwangsarbeiterlagern erzählen. Außerdem sind im Keller der Baracke an den Wänden Inschriften von italienischen Zwangsarbeitern zu sehen, die hier untergebracht waren.

Derzeit bereitet das Dokumentationszentrum eine Dauerausstellung zur Geschichte der NS-Zwangsarbeit vor, die am 7. Mai 2013 im Rahmen des Themenjahres „Zerstörte Vielfalt“ eröffnet wird. Diese Ausstellung dokumentiert anhand zahlreicher Biografien die Erfahrungen der Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen. Dazu gehören Männer und Frauen, die bereits vor Kriegsbeginn zur Arbeit gezwungen wurden – wie die deutschen Juden im Rahmen des „geschlossenen Arbeitseinsatzes“, Sinti und Roma und als „asozial“ diffamierte Menschen. Der Schwerpunkt liegt auf den Schicksalen der größten Gruppe der zivilen Zwangsarbeiter, die während des Krieges zur Arbeit ins Reich verschleppt wurden. Exemplarisch werden auch Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge, die ebenfalls Zwangsarbeit leisten mussten, vorgestellt. Neben den Zwangsarbeiterbiografien nimmt die Ausstellung auch das Verhalten der Deutschen – Täter, Profiteure, Zuschauer, Helfer – in den Blick, stellt einzelne Lebensläufe vor und zeigt Handlungsspielräume auf.

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Blick in den Flur von „Baracke 13“

Im Zentrum der historischen Präsentation steht der Alltag der Zwangsarbeiter bei der Arbeit und im Lager sowie die zahlreichen Bedrohungen, denen die Zwangsarbeiter täglich ausgesetzt waren: durch Luftangriffe, durch Willkür von Lagerpersonal und Vorgesetzten bis hin zu staatlichen Terrormaßnahmen, infolge derer viele Zwangsarbeiter in Gefängnissen, Arbeitserziehungslagern und Konzentrationslagern inhaftiert oder auch hingerichtet wurden.

Das Ausstellungsteam hat in den letzten Jahren bereits zahlreiche Fotografien, Dokumente und Objekte gesammelt. Wir sind immer noch auf der Suche nach weiteren Exponaten und lebensgeschichtlichen Erinnerungen an die NS-Zwangsarbeit und freuen uns über Meldungen.


Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit Berlin-Schöneweide
Britzer Straße 5
12439 Berlin
Tel.: 49 30 63902880
E-Mail: schoeneweide@topographie.de
www.dz-ns-zwangsarbeit.de