Die Wanderfalken vom Berliner Rathaus

_von Laura Horn_

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Wanderfalken

Wanderfalken sind auf fast allen Kontinenten anzutreffen. Nur in der Antarktis findet man sie nicht. Sie sind damit einer der am weitesten verbreiteten Vögel der Welt. Dass es sie in Deutschland freilich noch gibt, gleicht fast einem Wunder. Denn dieser stolze Vogel – übrigens der erste aller Arten, dem 1971 der Ehrentitel „Vogel des Jahres“ verliehen wurde – war damals vom Aussterben bedroht. Pestizide schädigten die Eier der Brut, die Küken starben noch vor dem Schlüpfen oder die Eierschalen zerbrachen während der Brut. Bis auf einen Restbestand von etwa 50 Paaren im Süden Deutschlands wurden keine Wanderfalken mehr gesichtet.

Heute sind es wieder mehr als 500 Paare. Und es nimmt nicht Wunder, dass dieser Kosmopolit unter den Tieren auch am Berliner Rathaus im Herzen der Stadt, Residenz bezogen hat. Sind diese Falken nach Berlin gewandert? Nein, denn der Name täuscht – zumindest in Deutschland. Wegen der guten Nahrungssituation bleiben die Berliner Wanderfalken das ganze Jahr über hier.

Laut dem Vogelexperten Gerd Hoppadietz ist Berlin „eines der artenreichsten Biotope in Deutschland“. Er sorgt sich mit seinen Kollegen um das Wohl der Wanderfalken, die seit den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts im Turm des Berliner Rathauses brüten, ohne dadurch zu Turmfalken zu werden.

Für Verwirrung sorgt bei Nicht-Vogelexperten eben oftmals die Tatsache, dass Wanderfalken im Turm des Roten Rathauses brüten, es aber keine Turmfalken sind. Wenn man sich allerdings bewusst ist, dass Wanderfalken u.a. auch an Felsen brüten und der Turm des Roten Rathauses als „künstlicher Brutfelsen“ bezeichnet werden kann, klärt sich diese Verwirrung schnell auf.

In Berlin gibt es lediglich ca. vier Wanderfalken-Paare, eines davon ist am Alexanderplatz ansässig. Die Wanderfalken fühlen sich am Turm des Rathauses sehr wohl und brüten in diesem Jahr auch hier. Das Berliner Rathaus und die Marienkirche gegenüber bieten durch ihre extra geschaffenen Nisthilfen einen optimalen Brutplatz für Wanderfalken. Die Nisthilfen sind gebaute Kästen, die oben an den Türmen des Rathauses und der Kirche befestigt und mit einem Substrat – einem feinen Kies – gefüllt sind.

Während der Restaurierung des Rathausturmes wählten die Architekten eine falsche Kiessorte aus – und prompt wurde an anderer Stelle gebrütet, bis die Falkenbetreuer Paul Sömmer und André Laubner den Fehler korrigieren konnten und den unter Naturschutz stehenden Tieren wieder einen angemessenen Horst verschafften.

Bei der Balz des Wanderfalken spielt dieses Substrat eine bedeutende Rolle. Denn das Männchen der Wanderfalken scharrt eine Mulde in das Substrat, um dem Weibchen zu zeigen, dass er für die späteren Jungen ein „Zuhause“ bauen kann.

Nicht nur ist das Scharren Teil der Balz; so versorgt auch schon das Männchen Wochen vor der Brutzeit das Weibchen mit Futter, um ihr zu zeigen, dass er ein geeigneter Vater für die Jungen ist. All diese Bemühungen werden durch einen Lockruf des Männchens unterstützt. Jedes Jahr aufs Neue muss sich das Männchen um die Gunst seines Weibchen bemühen, obwohl Wanderfalken sich ein Leben lang treu bleiben.

Das Männchen am Alex steht derzeit mit 15 Jahren in der Blüte seines Lebens. Nur im Ausnahmefall werden Wanderfalken 20 Jahre alt. Das Weibchen ist mit acht Jahren daher im mittleren Alter. Sie kam aus einer „Leipziger Familie“ nach Berlin, was durch die Beringung der Wanderfalken nachzuvollziehen ist.

Der Wanderfalke ist der schnellste Vogel der Erde; mit seinen fast 280 Kilometern pro Stunde, die er im Flug erreicht, kann er seine Beute in der Luft fangen. Nicht nur durch seine Schnelligkeit, sondern auch durch seine sehr guten Augen – der Wanderfalke sieht mehrfach schärfer als der Mensch – ist er ein ausgezeichneter Beutejäger. „Die Beute“, sagt Hoppadietz, „fangen die Wanderfalken mit ihren Füßen, daher Fänge genannt.“

Die Beute der Wanderfalken sind hauptsächlich andere Vögel, seien es Tauben oder zur Fütterung der Jungtiere vor allem Singvögel, da diese sowohl von der Größe als auch von der Menge her passende Mahlzeiten sind. Im Frühling gehören zu den Beutevögeln u. a. Finken, Drosseln, Rallen, Limikolen. „Der prozentual deutlich höchste Anteil das ganze Jahr über sind allerdings Tauben“, so Hoppadietz weiter.

Ab dem Alter von neun Monaten sind Wanderfalken geschlechtsreif. Jedes Jahr legt das Weibchen der Wanderfalken drei bis fünf Eier. Nach einer Brutzeit von 34 bis 38 Tagen schlüpfen die Falkenküken. In diesem Frühjahr haben im Turm des Berliner Rathauses Wanderfalken das Licht der Welt erblickt – leider erst kurz nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe.

Die jungen Falken werden nach 44 Tagen in der Obhut ihrer Eltern flügge und dann von diesen noch viele Wochen außerhalb des Brutplatzes weiter gefüttert. Zu erkennen sind die jungen Wanderfalken an ihrem anderen Aussehen.

Sie sind auf der Oberseite schwarzbraun und die Deckfedern sind hell braun gefärbt. Die Unterseite ist rötlich braun und hat dunkelbraune Längsstreifen. Nach ungefähr einem Jahr ändern die Wanderfalken ihr Federkleid – sie „mausern“ sich zum Erwachsenen. Bei diesen ist die ganze Oberseite dunkelblaugrau und die Unterseite ist cremeweiß mit dunklen Querstreifen.

Jedoch entfernen sich erwachsene Wanderfalken nie ganz weit weg von ihrem Geburtsort, sodass die Chancen für Berlin gut stehen, auch weiterhin Heimat für Wanderfalken zu sein. Leider verunglücken oder sterben ca. 50 Prozent der Jungtiere (wie bei anderen Arten auch) im ersten Lebensjahr.

Verunglückte Wildvögel werden in der Tierklinik der FU Düppel untersucht und im günstigsten Fall im Anschluss in einer Wildtierpflegestation ausgewildert. Und manchmal kann es dann eben passieren, dass Wanderfalken auch im Turm des Roten Rathauses ihren Nistplatz aufschlagen.


Frau Horn absolvierte von Februar bis April 2011 ein Praktikum im Presse- und Informationsamt des Landes Berlin.

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