Berliner Universitäten planen Zentrum für Jüdische Studien

_von Christian Walther, Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung_

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Ahawah, Liebe, stand über der Tür des Hauses, als es ein jüdisches Kinderheim war

Damals hieß die Straße noch Artilleriestraße und vorne, dichter an der Spree, gab es die Hochschule für die Wissenschaft des Judentums, weiter hinten, zwei Blöcke hinter der Oranienburger, war das orthodoxe Rabbiner-Seminar. Zwei Orte jüdischer Gelehrsamkeit, außerhalb der Universität, denn innerhalb der Universität Unter den Linden war für Jüdische Studien kein Platz. Mochten auch einzelne Juden den Aufstieg in der Wissenschaft schaffen, so war das Klima insgesamt doch eher antisemitisch.

Die Zeiten haben sich geändert: Wo einst die Hochschule für die Wissenschaft des Judentums war, ist heute das Leo-Baeck-Haus, Sitz des Zentralrats der Juden, und die andere Immobilie in jener Straße, die seit 60 Jahren Tucholskystraße heißt, ist längst der orthodoxen Gemeinde Adass Jisroel rückübertragen.

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Noch kann man sich schwer vorstellen, dass hier das Zentrum für Jüdische Studien entstehen soll

Und um die Ecke, in der Auguststraße, wartet das frühere jüdische Kinderheim auf eine neue Nutzung. Und die wird es nun wohl auch geben: mit einem neuen, universitätsübergreifenden Zentrum für Jüdische Studien. Uni Potsdam, Freie Universität, Humboldt-Universität, Technische Universität sowie die Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum, das Abraham Geiger Kolleg und das Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien in Potsdam sind als Partner für das Projekt vorgesehen. Gespräche mit der Jüdischen Gemeinde über einen Nutzungsvertrag sind „auf einem guten Weg“, wie Christina von Braun vom Kollegium Jüdische Studien an der Humboldt-Universität berichtet. Ihre Uni stellt für den Übergang Räume in der Sophienstraße zur Verfügung. Schon im Herbst soll es losgehen. Denn die konzeptionellen Überlegungen für das Zentrum sind weit fortgeschritten. Die wissenschaftlichen Aktivitäten in Studium und Lehre sollen stärker koordiniert und verknüpft, der internationale wissenschaftliche Austausch mit Israel, den USA und Forschern aus Großbritannien, Frankreich und Osteuropa intensiviert werden.

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Hier soll später gelehrt und geforscht werden

Anknüpfen will man an den Traditionen jüdisch-akademischen Lebens im Berlin vor den Nazis, aufbauen auf dem aktuellen Angebot Jüdischer Studien an den heutigen Universitäten, wie sie in Theologie, Philosophie, Geschichte und zahlreichen anderen Fächern bis hin zu Jura und Medizingeschichte alltäglich sind. Schon jetzt sind zahlreiche Professuren und ganze Studiengänge auf Judaistik oder Jüdische Studien ausgerichtet. Die Wissenschaftsregion Berlin/Potsdam ist damit prädestiniert für den erwarteten Qualitätssprung: Wo, wenn nicht hier, sagen die beteiligten Wissenschaftler. Und nicht ohne Stolz zählen die beteiligten Einrichtungen auf, was es schon gibt: An der Universität Potsdam wurden schon vor Jahren BA- und MA-Studiengänge in Jüdischen Studien mit den Schwerpunkten Religion, Geschichte und Literatur eingerichtet. An der Humboldt-Universität bietet das „Kollegium Jüdische Studien“ eine breit gefächerte Vernetzung von Fächern mit interdisziplinärer Doktorandenausbildung und Forschungsprojekten, der „Leo Baeck Summer University for Jewish Studies“, dem „Walter-Benjamin-Lehrstuhl für deutschjüdische Geschichte und Kultur“ und der Gastprofessur für Jüdisches Recht. Zur Theologischen Fakultät der Humboldt Universität zählt das traditionsreiche Institut „Kirche und Judentum“. An der Freien Universität wird ein BA-Studiengang Judaistik angeboten. Der Masterstudiengang „Judaism in Historical Context“ mit den beiden Profilbereichen „Judentum im hellenistisch-römischen und islamisch-christlichen Kontext (Antike/Mittelalter/Frühe Neuzeit)“ und „Modern Judaism and Holocaust Studies (19. und 20. Jahrhundert)“ ist ein gemeinsames Masterprogramm der Freien Universität und des Touro College Berlin. Seit 2008 bietet das Seminar für Katholische Theologie den „Ernst- Ludwig-Ehrlich-Masterstudiengang Geschichte, Theorie und Praxis der Jüdisch-Christlichen Beziehungen“ an. Die Technische Universität verfügt über das bedeutende Zentrum für Antisemitismusforschung, wo die deutsch-jüdische Geschichte im 19. und 20. Jahrhundert sowie die Geschichte des Holocaust seit Jahrzehnten zu den Schwerpunkten in Forschung und Lehre gehören. Hinzu kommt ein neu einzurichtender Masterstudiengang „Antisemitismus- und Vorurteilsforschung“.

Soweit das Fundament. Bei der Einstein Stiftung Berlin sollen Gelder für erste Forschungsprojekte beantragt werden. Und dann braucht man noch Geld für den Ausbau der Räume in der Auguststraße. Aber ohne ein bisschen Zuversicht würde man ja so ein Projekt gar nicht erst anfangen.


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