Die geretteten Götter aus dem Palast vom Tell Halaf

_von Nadja Cholidis und Lutz Martin, Staatliche Museen zu Berlin_

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Max von Oppenheim neben seiner „thronenden Göttin“, einer 3.000 Jahre alten Grabfigur, im Tell Halaf-Museum (Juli 1930)

Im Nordflügel des Pergamonmuseums ist derzeit eine Ausstellung zu sehen, die es eigentlich gar nicht geben dürfte: Viele Jahre galt die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Berliner Tell Halaf-Sammlung Max von Oppenheims mit ihren monumentalen Steinbildern als unwiederbringlich verloren. In einer Zusammenstellung des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen über die Verluste der öffentlichen Kunstsammlungen in Mittel- und Ostdeutschland zwischen 1943 und 1946 hieß es dazu 1954: „Das Tell-Halaf-Museum ist als Ganzes zugrunde gegangen.“ In den vergangenen neun Jahren hat eine kleine Gruppe von Archäologen und Restauratoren das Unmögliche gewagt und die 3.000 Jahre alten Bildwerke aus den sichergestellten Trümmern wieder erstehen lassen. Dazu mussten in einem beispiellosen Restaurierungsprojekt des Vorderasiatischen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin etwa 27.000 Basaltbruchstücke begutachtet, identifiziert, zusammengesetzt, mit Epoxydharz verklebt und in Teilen ergänzt werden.

Die Vorgeschichte
Als Max von Oppenheim (1860 –1946) im November 1899 auf einem unscheinbaren Hügel im Quellgebiet des Habur, dem größten Nebenfluss des Euphrat, die Überreste eines Fürstenpalastes entdeckte, konnte er noch nicht ahnen, dass er zehn Jahre später seinen Diplomatenrock ausziehen und Ausgräber werden würde. Von 1911 bis 1913 und 1929 legte er am Tell Halaf spektakuläre Paläste, Gräber und Grüfte frei, die damals sogar die Grabungsergebnisse von Babylon und Assur in den Schatten stellten.

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Blick auf den nachgebildeten Eingang des Westpalastes im Tell Halaf-Museum in den 1930er-Jahren

Nach der Fundteilung 1927 verfügte Oppenheim über eine einzigartige Sammlung, die er gerne im neuen Pergamonmuseum ausgestellt hätte. Doch die Verhandlungen mit den Staatlichen Museen scheiterten letztlich an den Folgen der Weltwirtschaftskrise: Die von Oppenheim geforderte „Aufwandsentschädigung“ konnte die Staatskasse nicht aufbringen. So machte der Privatgelehrte aus der Not eine Tugend und richtete in einer ehemaligen Fabrikhalle in Berlin-Charlottenburg, Franklinstraße 6, ein eigenes Museum ein.

Dieses interessante Museumsexperiment endete in der Bombennacht am 23. November 1943 mit der Zerstörung des Tell Halaf-Museums.

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Die restaurierte Grabfigur. Max von Oppenheims „thronende Göttin”

In den Flammen verbrannten alle Ausstellungsstücke aus Kalkstein und die großartige Palastrekonstruktion aus Gips. Die Bildwerke aus Basalt sollten, durch das Feuer immer noch stark erhitzt, unter dem Löschwasser in tausende Fragmente zerbersten. Trotz der hoffnungslosen Lage nach dem Verlust seiner Sammlung schrieb Max von Oppenheim 1944: „Es wäre ja großartig, wenn tatsächlich die Stücke, in welche die einzelnen Steinbilder zerborsten sind, gesammelt nach den Staatlichen Museen gebracht und später einmal wieder zusammengefügt werden könnten.“ Die weitsichtige Entscheidung, noch während der Kriegshandlungen die Trümmer der Basaltbildwerke aus der Museumsruine zu bergen und in die Keller des Pergamonmuseums zu bringen, hat knapp 60 Jahre später zu einem der erfolgreichsten Restaurierungsprojekte der Staatlichen Museen geführt.

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Die kleine Sortierhalle in Berlin-Friedrichshagen im März 2003

Die Ausstellung
Unter dem Titel „Die geretteten Götter aus dem Palast vom Tell Halaf“ soll das Lebenswerk Max von Oppenheims, einer der faszinierendsten Forscherpersönlichkeiten in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts, gewürdigt und wieder bekannt gemacht werden. Zunächst treffen die Besucher auf Max von Oppenheim und sein Tell Halaf-Museum, in dem er so berühmte Gäste wie Agatha Christie oder König Faisal I. begrüßte. Gestalterisch werden konzeptionelle Elemente aus dem ehemaligen Tell Halaf-Museum mit Bilddokumentationen und einem Zeitzeugenbericht verbunden, um den besonderen Charme des „verborgenen Veilchens“, wie Oppenheim sein Museum auch nannte, zu verdeutlichen. Gleichwohl symbolisiert die Inszenierung den kulturellen Verlust, der mit der Zerstörung verbunden war. Der Bericht einer Zeitzeugin zu den Nachbergungen Anfang der 1950er-Jahre bildet den Übergang zum Restaurierungsprojekt. Die hier gezeigten Paletten mit Fragmenten sollen dem Besucher einen ursprünglichen Eindruck von der Menge und Vielfalt der Bruchstücke geben.

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Restaurierungsarbeiten am Kopf des Löwen vom Eingang des Westpalastes

Das Zentrum der Ausstellung bildet der sogenannte Schlütersaal. Auf goldenen Podesten erheben sich grandiose Tierbasen, Säulen in Göttergestalt, Fabelwesen sowie Reliefplatten mit Darstellungen aus der Mythologie und des realen Lebens. Mit seinen Denkmälern kündet dieser Raum nicht nur von dem Können der antiken Bildhauer, sondern auch von der Leistung der Wissenschaftler und Restauratoren. Zu den besonderen Attraktionen der Ausstellung gehört eine Leihgabe aus dem Nationalmuseum Aleppo, die zum ersten Mal das Land verlassen durfte. Nach der Rekonstruktion der damaligen Ausgräber stand das Bildnis auf einer Löwin im Eingang des Palastes, um mit Gemahl und Sohn den Türsturz zu tragen. Zum ersten Mal nach 83 Jahren ist die göttliche Familie wieder vereint! Vor der Aufstellung konnten der Göttin noch neun Fragmente angepasst werden, die bei der Fundteilung 1927 irrtümlich nach Berlin gelangt waren.

Die Ausstellung ist noch bis zum 14. August 2011 im Pergamonmuseum auf der Museumsinsel zu besuchen.

Bei diesem Text handelt es sich um einen Auszug aus dem Artikel „Die geretteten Götter aus dem Palast vom Tell Halaf – Ein temporäres Tell Halaf-Museum“, der im Museumsjournal 1/2011, S. 20–23 veröffentlicht wurde.


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