In Berlin gibt es sogar jüdische Pferde

_von Myriam Halberstam, Ariella Verlag_

Die Jüdische Gemeinde zu Berlin kann seit einigen Jahren das stärkste Wachstum weltweit für sich beanspruchen. Durch den stetigen Zuzug der Juden aus der ehemaligen Sowjetunion hat hier in der Tat nicht nur ein Zuwachs an Mitgliedern, sondern auch an kultureller und religiöser Vielfalt stattgefunden, der in Europa beispiellos ist. Es scheint so, dass selbst viele amerikanische Städte mit größeren Jüdischen Gemeinden die Berliner Vielfalt nicht erreichen können!

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Leah Goldberg schrieb den israelischen Kinderbuchklassiker „Dira Lehaskir

Mittlerweile gibt es vier separate Gemeinden in der Stadt: Die große alte Berliner Einheitsgemeinde, die kleine Israelitische Synagogen-Gemeinde (Adass Jisroel), die Chabad Gemeinde (vor einigen Jahren durch den amerikanischen Lubawitsch Rabbiner Yehuda Teichtal gegründet) und die stetig wachsende Gemeinde der Ronald Lauder Stiftung (unter der Leitung des Rabbiners Joschua Spinner mit eigener Jeschiwa im Prenzlauer Berg). Für jede Glaubensrichtung gibt es eigene Synagogen, insgesamt dreizehn an der Zahl.

Dann gibt es noch koschere Bäckereien, Restaurants und Einkaufsläden, sieben jüdische Kindergärten, drei jüdische Grundschulen, ein jüdisches Gymnasium, ein jüdisches Kulturfestival,ein jüdisches Filmfestival und jüdische Ferienlager für Kinder. Und vor einem Jahr habe ich einen jüdischen Kinderbuchverlag gegründet. Der erste seit der Schoah.

Meinen Kinderbuchverlag habe ich Ariella Verlag genannt. Ich konnte 2010 im Jüdischen Museum Berlin die erste Buchpremiere feiern. Eigentlich bin ich Filmemacherin und so gab es im Jüdischen Museum Berlin bei der Premiere auch ein echtes Pferd, auf dem die Kinder eine Runde reiten konnten. Das passte, weil das Buch Ein Pferd zu Channukka heißt. Es handelt von dem Mädchen Hannah, das sich zu Channukka ein Pferd wünscht und etwas erschrocken am ersten Channukkaabend ihren Wunsch erfüllt sieht. Das hebräisch sprechende Pferd Golda sorgt für einige Verwirrung während des Channukkafestes,aber am Ende wird alles gut.Die Bücher haben großen Zuspruch gefunden, sowohl beim jüdischen als auch beim nicht jüdischen Publikum.„Der Bedarf ist da, denn es gibt fast keine Kinderbücher zu jüdischen Themen“, bestätigt Beatrice Loeb, die einen Eventservice für Bar Mitzwas und jüdische Hochzeiten hat und Mutter zweier kleiner Kinder ist.

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„Zimmer frei im Haus der Tiere“ wurde übersetzt von Mirjam Pressler

Im Oktober 2011 erschien das zweite Buch im Ariella Verlag. Es ist der israelische Kinderbuchklassiker Dira Lehaskir (Wohnung zu vermieten), auf Deutsch: Zimmer frei im Haus der Tiere. Geschrieben wurde es von der israelischen Dichterin und Schriftstellerin Leah Goldberg (1911 – 1970), die dieses Jahr ihren 100. Geburtstag gefeiert hätte. In Königsberg (heute Kaliningrad, Russland) geboren, begann Leah Goldberg schon als Schulmädchen, Verse auf Hebräisch zu verfassen. 1933 promovierte sie mit einer Arbeit über semitische Sprachen an der Universität Bonn zum Dr. phil. und emigrierte 1935 in das vorstaatliche Israel. Goldberg galt als eine der führenden Intellektuellen Israels ihrer Zeit. Sie sprach sieben Sprachen und übersetzte, neben ihrer eigenen literarischen Tätigkeit, zahlreiche Werke europäischer Autoren ins Hebräische. Sie war eine profilierte Dichterin, aber auch Theaterkritikerin, Übersetzerin, Redakteurin und erfolgreiche Kinderbuchautorin. 1952 gründete sie die Abteilung für vergleichende Literaturwissenschaften an der Universität Jerusalem und blieb deren Leiterin bis zu ihrem Tod. Goldberg schrieb neun Gedichtbände, zwei Romane, drei Theaterstücke, sechs Sachbücher und 20 Kinderbücher. Sie wurde mit vielen Preisen geehrt, darunter auch mit dem Israelpreis des Jahres 1970.

Zum ersten Mal wird ein Werk dieser Ikone der israelischen Kinderliteratur in deutscher Sprache erhältlich sein. Der Ariella Verlag freut sich, dass das Buch in der lebhaften Übersetzung von Mirjam Pressler, der bekannten und preisgekrönten Kinderbuchautorin und Übersetzerin, erscheint. Ähnlich profiliert wie Goldberg, hat Mirjam Pressler schon fast dreißig eigene Kinder- und Jugendbücher verfasst. Für ihre „Verdienste an der deutschen Sprache“ wurde sie 2001 mit der Carl-Zuckmayer-Medaille ausgezeichnet, für ihr Gesamtwerk als Übersetzerin mit dem Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises und für ihr Gesamtwerk als Autorin und Übersetzerin 2004 mit dem Deutschen Buchpreis.

Zimmer frei im Haus der Tiere erscheint mit neuen, zeitgemäßen Illustrationen, die die Geschichte farbenfroh und fröhlich komplementieren. Mit der Anfertigung wurde die amerikanische Künstlerin Nancy Cote beauftragt.

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Zimmer frei im Haus der Tiere von Leah Goldberg aus dem Hebräischen übersetzt von Mirjam Pressler, iIllustriert von Nancy Cote Ariella Verlag 32 Seiten 14,90 EUR, ISBN 978-3-981-3825-3-2

Das Buch handelt von Toleranz und Respekt im Umgang mit Menschen unterschiedlicher Herkunft. Das Buch soll unter anderem auch zur Stärkung der Demokratie und des friedvollen Zusammenlebens in Deutschland dienen. Und so hat der Anne-Frank-Fonds das Projekt mit unterstützt. Begleitet von einem Malbuch ist auch der Unterricht an den Schulen anvisiert.

Zimmer frei im Haus der Tiere ist eine zauberhafte Tierparabel mit Blick auf das friedliche und respektvolle Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen in einer Gesellschaft. Leah Goldbergs Figuren sind Tiere, die mit verschiedenen Charaktereigenschaften besetzt sind. Eine Henne, ein Kuckuck, eine Katze, ein Eichhörnchen und eine Maus bewohnen ein Mietshaus. Nach dem Auszug der Maus ist eine Wohnung zu mieten. Auf der Suche nach einer Bleibe schauen sich das Schwein, die Ameise, das Kaninchen, die Nachtigall und die Taube nacheinander die Wohnung an. Den meisten gefällt die Unterkunft sehr, aber sie haben an den Nachbarn etwas auszusetzen. Die Taube aber, die von der Wohnung zuerst nicht so begeistert ist, sieht das Potenzial, denn ihr gefallen die Nachbarn. Mit diesen Nachbarn lasse es sich in Frieden und Freundschaft zusammenleben.

Dass die neuen Zeichnungen auch in Israel veröffentlicht werden, ist mein großer Wunsch als Verlegerin. Aber ob dies möglich sein wird, muss sich erst zeigen, sind doch die Originalillustrationen gemeinsam mit dem Originaltext zu Ikonen der israelischen Kinderbuchkultur geworden. Und für die meisten Israelis erscheint es fast wie Frevel, diese neuen Illustrationen zu Leah Goldbergs Text zu veröffentlichen.


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