Gegen das Vergessen – Lesung zum Gedenken an die Bücherverbrennung

_von Sandra Wiegner_

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Bronzetafel auf dem Bebelplatz, damals Opernplatz

Das Jüdische Theater BIMAH gedenkt regelmäßig mit Lesungen der Bücherverbrennung von 1933 und erinnert an die Werke der verfolgten Autoren. Berühmte Künstler und Politiker lesen zu diesem Anlass bekannte und weniger bekannte Texte und Gedichte vor.

Im Saal des Jüdischen Theaters in Neukölln herrscht gespannte Stille. Die Beleuchtung ist bewusst spärlich gehalten, so wird die Aufmerksamkeit automatisch auf die flackernden Kerzen der Menora im Hintergrund der Bühne gelenkt. Der Mann, der soeben die Bühne betritt, entflammt ein Streichholz und zündet eine weitere Kerze an, bevor er an einem der kleinen Leserpulte Platz nimmt. Dann beginnt er mit sicherer Stimme einen Text von Erich Kästner vorzulesen. Der Lesende heißt Gregor Gysi und ist Bundestagsabgeordneter der Linken.

Wie viele weitere Künstler und Politiker ist der prominente Bundestagsabgeordnete Gregor Gysi an diesem Tag im Jüdischen Theater BIMAH, um aus Werken von Autoren vorzulesen, deren Publikationen während des Nationalsozialismus verboten und verbrannt wurden. Die vorgetragenen Werke sind so facettenreich wie ihre einstigen Verfasser: es wird sowohl Lustiges als auch Trauriges vorgelesen, Gedichte und Kurzgeschichten, Briefe und Lieder. Nachdenklich stimmen sie alle.

Unweigerlich kommt einem die berühmte Zeile von Heinrich Heine in den Sinn: „Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen“, die er schon Anfang des 19. Jahrhunderts verfasste. Denn das Verbrennen von Büchern ist keine Erfindung des Nationalsozialismus. Die demonstrative Zerstörung von Büchern und Schriften durch Feuer erfolgte in der Geschichte meist wegen politischer, moralischer oder religiöser Einwände und war entweder staatlich inszeniert, geduldete Maßnahme oder Mittel öffentlichen Protests. Missliebige Bücher wurden als häretisch, unmoralisch, hochverräterisch sowohl symbolisch als auch tatsächlich verbrannt.

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Die „Empty Library“ von Micha Ullman. In einem unterirdischen Raum, der nicht zugänglich ist, sondern nur von oben durch eine Glasplatte einsehbar ist, sieht der Betrachter leere Bücherregale, die Platz für 20.000 Bände bieten

Kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde von verschiedenen NS-Parteigliederungen eine organisierte und systematisch vorbereitete Verfolgung jüdischer, marxistischer und pazifistischer Schriftsteller gestartet. Im Zuge dessen kam es zu 93 Bücherverbrennungen, die von März bis Oktober 1933 in 70 Städten stattfanden. Trauriger Höhepunkt waren die am 10. Mai 1933 auf dem Berliner Opernplatz und in anderen deutschen Städten mit großem Pomp und Pathos inszenierten Bücherverbrennungen, bei denen zehntausende Werke verfemter Autoren von Studenten, Professoren und NS-Organen „den Flammen übergeben“ wurden. In Berlin erinnert ein Denkmal des israelischen Künstlers Micha Ullman an diesen Tag.

Die Verfolgung der Autoren, deren Äußerungen den Anschauungen des Nationalsozialismus widersprachen, begann keineswegs mit den „Bücherverbrennungen“ – sie fand darin einen Höhepunkt. Viele Schriftsteller, Künstler und Wissenschaftler erhielten Arbeits- und Publikationsverbot, sie verschwanden aus dem Schulunterricht und wurden verfolgt und zum Teil auch umgebracht.

Unter der Schirmherrschaft von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit trägt das Jüdische Theater BIMAH mit seinen Lesungen zum Gedenken an die Bücherverbrennung zum aktiven Erinnern an diese Autoren bei. Dan Lahav, Intendant und künstlerischer Leiter des Theaters, sagt über die Veranstaltung: „Dieses ‚Spektakel‘ soll in würdiger Weise an die Autoren erinnern, deren Werke während des Nationalsozialismus verbrannt wurden. Die Nationalsozialisten schafften es, fast die ganze jüdisch-literarische Kultur zu vernichten. Viele Autoren sind in Vergessenheit geraten. An diesem Tag wollen wir sie durch die Lesung prominenter Persönlichkeiten dem Vergessen entreißen“.

So geben sich an diesem Tag neben Gregor Gysi weitere Größen aus der Politik die Ehre. Die SPD Politikerin und Berliner Justizsenatorin Gisela von der Aue ist darunter und auch die Vorsitzende des Kulturausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus, Alice Ströver (Bündnis 90/Die Grünen), zusammen mit vielen Künstlern, wie Jochen Busse, Katharina Thalbach und Barbara Schöne. Sie lesen Texte von Erich Kästner, Kurt Tucholsky, Klaus Mann, Else Lasker- Schüler und Joachim Ringelnatz.

Das jüdische Theater BIMAH ist ein Theater für alle, die sich für jüdische Kultur interessieren und sich mit ihr auseinandersetzen wollen. Gleichermaßen der Tradition und Moderne verpflichtet, zeigt das Theater einen Spiegel der jüdischen und israelischen Gesellschaft in Form von zeitgenössischen Stücken. Damit soll ein Beitrag geleistet werden, die traditionelle jüdische Kultur wieder zu beleben und zu erneuern. Auf ungezwungene Weise wird jüdische Kultur dem nicht-jüdischen Publikum zugänglich gemacht und wirbt so zugleich für Toleranz und Achtung.


BIMAH
Jüdisches Theater Berlin
Jonasstraße 22
12053 Berlin
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Fax 49 30 39 50 77 23
E-Mail: juedisches.theaterberlin@web.de
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Die Autorin studiert Englische Philologie und Kommunikationswissenschaften an der Freien Universität Berlin und hat ein Praktikum in der Redaktion von _aktuell_ absolviert.