Der 1920 geborene Dimitri Stein schloss 1942 an der Fakultät für Maschinenwesen der damaligen Technischen Hochschule Berlin sein Studium der Elektrotechnik ab. Auf der Grundlage seiner Diplomarbeit schrieb er seine Dissertation und reichte diese beim Diplomprüfungsamt ein. Im Dezember 1943 teilte ihm der „Gaudozentenführer“ jedoch mit, dass er gegen die Zulassung zur Promotion Einspruch erhoben habe, da Stein, wie es im NS-Jargon hieß, „Mischling 1. Grades“ sei. Im Frühjahr 1944 musste Stein vor der Gestapo untertauchen und überlebte nicht zuletzt durch die Hilfe des Betreuers seiner wissenschaftlichen Arbeit, der ihn bis zum Kriegsende versteckte. 1947 wanderte Stein in die USA aus und begann dort eine Karriere als Universitätsprofessor. Seine Nachfrage in den 1950er Jahren an der TU Berlin nach der Wiederaufnahme seines Promotionsverfahrens wurde abgelehnt. Einen weiteren Versuch unternahm er nicht.
Anfang 2008 erfuhr die Fakultät IV Elektrotechnik und Informatik der TU Berlin durch Freunde von Dimitri Stein von dieser Geschichte, und im November 2008 wurde ihm das ermöglicht, was ihm 65 Jahre verwehrt blieb: der Abschluss seines Promotionsverfahrens.
Dieses Ereignis nimmt die TU Berlin nun zum Anlass, sich der eigenen Geschichte genauer zu widmen. Im Rahmen eines Forschungsprojektes am Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin sollen nun die Jahre zwischen 1933 und 1945 an der Technischen Hochschule Berlin aufgearbeitet werden. Ziel ist es, nach weiteren Wissenschaftlern zu suchen, die aus „rassischen“ oder politischen Gründen von der Technischen Hochschule Berlin vertrieben wurden, denen der Doktorgrad verweigert oder entzogen wurde. Auch nach möglichen Helfern wie im Falle Stein soll geforscht werden, und auch der Umgang der TU Berlin nach 1945 mit diesem Thema ist Gegenstand des Interesses. Vielleicht bleibt Dimitri Stein nicht der einzige, dessen Verfahren nach so langer Zeit wieder aufgenommen wird. Andere wiederum könnten posthum geehrt werden, um ihnen die Würde und Anerkennung zuteil werden zu lassen, die ihnen während des Nationalsozialismus verwehrt blieb.
Noch besteht eine geringe Chance, den einen oder anderen, dem dieses Unrecht widerfahren ist, ausfindig zu machen. Nicht zuletzt wird damit auch deutlich, dass sich die TU Berlin der Geschichte stellt und von diesem Akt politischer Willkür während des Nationalsozialismus distanziert.