Geschichte bleibt präsent. Das haben in jüngster Zeit verstärkt auch öffentliche Museen in Deutschland erfahren, wenn sie sich fragen mussten, ob ein Kunstwerk, das in der Zeit nach 1933 in Deutschland den Besitzer wechselte und aus jüdischem Eigentum stammt, sich zu Recht in ihrem Bestand befindet oder nicht. Die Staatlichen Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz haben aus diesem Grund im vergangenen Jahr die Arbeitsstelle für Provenienzrecherche und Provenienzforschung eingerichtet. Bevor es dazu kam, gab es eine von Kulturstaatsminister Bernd Neumann eingerichtete Arbeitsgruppe zu Restitutionsfragen. Neumann erklärte bei der abschließenden Sitzung der Arbeitsgruppe im November 2007: „Das wichtigste Ergebnis ist: Die Provenienzforschung in Deutschland wird erheblich verstärkt. … Ich erwarte hiervon einen wichtigen Schub in Deutschland bei der Klärung von Restitutionsfragen und damit zugleich bei der Aufarbeitung von NS-Unrecht.“
In den letzten Jahren hat es immer wieder Rückgaben wertvoller Kulturgüter, insbesondere aus Museen, an die ehemaligen Besitzer oder deren Familien gegeben. Besonderes Aufsehen erregte 2006 der Streit um die Rückgabe der „Straßenszene“ von Ernst Ludwig Kirchner aus dem Berliner Brücke Museum durch das Land Berlin.
Fachleute stellen eine zunehmende Bereitschaft von Seiten der Museen fest, sich ihrer eigenen historischen Verantwortung zu stellen und eigeninitiativ Provenienzrecherchen durchzuführen. Das Bewusstsein für Fragen der Herkunft von Kunstgegenständen ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Schon die „Washingtoner Erklärung“ von 1998 verlangt, dass „Mittel und Personal zur Verfügung gestellt werden, um die Identifizierungen aller Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und in der Folge nicht zurückerstattet wurden, zu erleichtern“.
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz betreibt eine klare Praxis: Sie prüft jeden einzelnen Fall genau – und restituiert Kunstgegenstände, wenn ein verfolgungsbedingter entschädigungsloser Verlust festzustellen ist, unabhängig davon, ob es zwingende Folge einer gesetzlichen Regelung ist.
Die Arbeitsstelle für Provenienzrecherche/-forschung in Berlin hat die Aufgabe, Museen, Bibliotheken und Archive dabei zu unterstützen, Kulturgüter zu identifizieren, die in der Zeit des Nationalsozialismus den rechtmäßigen Eigentümern entzogen wurden. Die Arbeitsstelle ist beim Institut für Museumsforschung angesiedelt. Ziel ist, die Restitutionspraxis in Deutschland besser zu koordinieren und nachvollziehbar zu organisieren. Alle Beteiligten sollen dadurch besser – und ohne Skandale – miteinander umgehen können.
Die Unterhaltung der Arbeitsstelle für Provenienzrecherche/-forschung wird durch die Kulturstiftung der Länder mit jährlich insgesamt 200.000 Euro unterstützt. Zusätzlich stehen aus dem Haushalt des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien zur Unterstützung der Provenienzrecherche und -forschung jährlich Fördermittel in Höhe von einer Million Euro zur Verfügung. Die Arbeitsstelle für Provenienzrecherche/-forschung führt das Verfahren zur Vergabe dieser Fördermittel durch. An der Entscheidung über die Mittelvergabe an die Antragsteller ist maßgeblich der Beirat der Arbeitsstelle beteiligt, dem Persönlichkeiten aus den Bereichen Politik und Kultur sowie Experten auf den Gebieten der Zeit- und Kunstgeschichte angehören.
Die Arbeitsstelle hat eine deutschlandweite Bestandserhebung aller aktuellen Projekte, Forschungs- und Recherchedefizite in Angriff genommen. Sie wird jene Museen, die auf Probleme stoßen, aber über keine eigenen Kapazitäten verfügen, finanziell, fachlich und beratend unterstützen. Zu ihren Aufgaben gehört auch die Herstellung von Kontakten zu nationalen und internationalen wissenschaftlichen Einrichtungen. Ansprechpartner für Rechtsfragen wird sie ebenfalls vermitteln und Zuschüsse zur juristischen Klärung von Einzelfällen auszahlen.
Bei der Suche nach den rechtmäßigen Eigentümern und der Veröffentlichung der Ergebnisse arbeitet die Arbeitsstelle für Provenienzrecherche/-forschung auf der Basis einer Kooperationsvereinbarung eng mit der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste in Magdeburg zusammen. Die Koordinierungsstelle stellt die Lost Art-Datenbank zur Verfügung. Lost Art registriert im Auftrag von Bund und Ländern jegliches Kulturgut, unabhängig von seinem materiellen Wert. Mobiliar wird hier ebenso aufgeführt wie Gemälde, Skulpturen, Bücher, Musikalien oder Kunsthandwerk.
Für Ihre Arbeit benötigt die Arbeitsstelle für Provenienzrecherche/-forschung aber auch die einschlägigen Museumsarchive und Forschungsbibliotheken. Auch deshalb wurde die Arbeitsstelle räumlich nah am Zentralarchiv der Staatlichen Museen auf der Museumsinsel angesiedelt, dessen Bestände größtenteils den Zweiten Weltkrieg überdauerten und zu dessen elementaren Aufgaben die Provenienzforschung schon lange zählt. Auf der Museumsinsel werden also nicht nur Kunstwerke bewundert, sondern auch Vergangenheit aufgearbeitet.