Typisch Berlin: 25 Jahre Neuer Friedrichstadtpalast

_von Dr. Berndt Schmidt, Intendant des Friedrichstadtpalastes_

Friedrichstadtpalast

Abends erstrahlt der Friedrichstadtpalast

Der Friedrichstadtpalast in Berlin blickt auf eine mehr als hundertjährige Geschichte zurück. Der alte Bau in der Nähe der Weidendammer Brücke (Adresse ‚Am Zirkus 1’) begann als Markthalle, dann beherbergte er lange Zeit einen Zirkus. Schließlich schufen drei Berliner jüdischen Glaubens die Grundlage für den Mythos, den dieses unverwechselbare Haus als Unterhaltungsbühne bis heute behalten hat.

Der geniale Theaterschöpfer Max Reinhardt hauchte dem alten Zirkus 1910 erstmals als große Bühne Leben ein. 1919 wird er auch Eigentümer des ‚Großen Schauspielhauses’. Die für die damalige Zeit höchst innovative Innenarchitektur entwirft der bedeutende Berliner Architekt Hans Poelzig. In den wilden Zwanziger Jahren erfindet der Regisseur Erik Charell auf phänomenale Weise die Kunstform der Revue neu. Die Revue war Mitte des 19. Jahrhunderts in Frankreich entstanden, aber Charell machte überwältigende Bilderschauen daraus, die alle technischen Möglichkeiten ihrer Zeit nutzen. So etwas hatte die Welt noch nicht gesehen und er prägte damit auch in den folgenden Jahrzehnten ästhetisch Moden, Filme und Bühnenproduktionen. Seine erste Revue hieß 1924 ‚An Alle’. Sein Stück ‚Im Weißen Rößl’ wurde ein Welterfolg. Während der nationalsozialistischen Diktatur wurde das 3.500-Plätze-Haus umbenannt in ‚Theater des Volkes’ und diente als ‚KdF’ (‚Kraft durch Freude’) Einrichtung während der Olympiade 1936 im kulturellen Rahmenprogramm als propagandistische Aufführungsstätte. Teile der Innenarchitektur von Poelzig wurden von den Nazis als ‚entartet’ zerstört oder überbaut. Im Krieg durch Bombentreffer beschädigt und 1946 durch die sowjetische Militärregierung wiedereröffnet, erhielt das Haus 1947 seinen endgültigen Namen ‚Friedrichstadtpalast’. 1980 musste das Riesengebäude aufgrund statischer Probleme leider für immer geschlossen und später abgerissen werden.

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Wunderschöne Kostüme sind Bestandteil jeder Revue im Friedrichstadtpalast

Das hätte das Ende dieser stolzen Berliner Institution sein können, doch das DDR-Regime, auf dessen Ostseite von Berlin das Haus stand, wollte – zum Glück kann man heute nur sagen – in einem letzten großen Kraftakt noch einmal zeigen, dass im Sozialismus auch die Kunst anderen Systemen überlegen ist. Entsprechend wurde inmitten der großen Mangelwirtschaft nicht gekleckert, sondern mächtig geklotzt. Unter größten finanziellen und technischen Anstrengungen errichtete die DDR mit dem Friedrichstadtpalast ihren letzten großen Prachtbau, bevor sie 1989/1990 ermattet in der Geschichte versank. Fünf Jahre zuvor, am 27. April 1984, wurde der Neue Friedrichstadtpalast aber noch hundert Meter weiter von seinem alten Standort an der Friedrichstraße 107 mit großem Pomp und unter Anwesenheit der damaligen Spitze der SED, dem Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker und Planwirtschaftsminister Günter Mittag, eröffnet.

Nach dem Fall der Mauer vor nun 20 Jahren suchte der Friedrichstadtpalast seine Rolle in einem wiedervereinigten Deutschland. Nach Anlauf- und Orientierungsschwierigkeiten gelang ihm das mit großem Erfolg.

Die Kunstform der Revue erlebt heute als große Showunterhaltung in moderner Form auch im 21. Jahrhundert eine Renaissance. Mittlerweile im vollständigen Besitz des Landes Berlin ist der Friedrichstadtpalast die bekannteste Unterhaltungsbühne in ganz Deutschland. Und mit weit über 100 mitwirkenden Künstlern jeden Abend bleibt er mit Abstand der größte und modernste Show-Palast Europas. Die Bilderwelten unserer Shows sind farbenprächtig, überwältigend und riesengroß. Kein Wunder, denn mit fast 3.000 m2 bespielbarer Fläche hat der Friedrichstadtpalast die größte Theaterbühne – der Welt!

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Eine Augenweide: die Girlreihe

Sein Markenzeichen und herrlicher Höhepunkt einer jeden Show ist die sogenannte „Girlreihe“. 32 bildschöne Balletttänzerinnen mit 64 endlos langen Beinen tanzen dabei synchron und reißen jeden Abend die Gäste zu Ovationen hin. Die Damen, aber auch die Herren unseres Balletts kommen aus 18 verschiedenen Nationen. Auch damit ist der Friedrichstadtpalast typisch für Berlin und für die Berliner Geschichte bis heute: eine zerrissene und aufwühlende Abfolge von großen Erfolgen und großen künstlerischen Innovationen, aber auch von großem Unrecht und großem Leid. Heute ist der Friedrichstadtpalast auf und hinter der Bühne tolerant, herzlich, humorvoll, modern und facettenreich. Ganz wie seine Vateroder Mutterstadt Berlin.


Friedrichstadtpalast
Friedrichstraße 107
10117 Berlin
Tel.: 49 30 23262326
www.friedrichstadtpalast.de