Berliner Schüler gewinnt 1. Preis beim Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten

_von Stefan Frindt, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Körber-Stiftung_

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Auf der Landespreisverleihung in Berlin nimmt Rafael Dolabella Portella im Juni 2009 die Urkunde von der Staatssekretärin für Bildung, Jugend und Familie, Claudia Zinke, entgegen

Der erst 14-jährige Schüler Rafael Dolabella Portella aus Berlin hat den renommierten Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten gewonnen. Am 6. November 2009 zeichnete Bundespräsident Horst Köhler Rafael Dolabella Portella in Schloss Bellevue aus. Mit seiner Forschungsarbeit über den Rechtsanwalt Hans Litten und das öffentliche Gedenken an ihn nach 1945 setzte er sich gegenüber 6.600 Jugendliche durch, die sich bundesweit an der 21. Ausschreibung des Wettbewerbs beteiligt hatten. Sie stand unter dem Motto „Helden: verehrt – verkannt – vergessen.“

Ausgangspunkt der Spurensuche: Hans-Litten-Straße, Berlin-Mitte
Zwischen den U-Bahn-Haltestellen „Alexanderplatz“ und „Jannowitzbrücke“ in Berlin-Mitte liegt nahe der Ruine der alten Franziskanerkirche die Hans-Litten-Straße. Hier nahm im September 2008 die historische Spurensuche von Rafael Dolabella Portella ihren Anfang, als er bei einem Stadtrundgang das Straßenschild und eine Gedenktafel am dort ansässigen Landgericht entdeckte.

Doch weder Rafael noch seine Familie hatten zuvor von Hans Litten gehört, der als marxistischer Anwalt in der Weimarer Republik vorwiegend kommunistische Arbeiter vor Gericht vertreten hatte. Schnell fand der 14-jährige heraus, dass Litten seinerzeit spektakuläre politische Prozesse ausgefochten hatte. So hatte er im berühmten Edenprozess von 1930 auch Adolf Hitler in den Zeugenstand gerufen – die bohrenden Fragen des Anwalts empfand Hitler als Bloßstellung und persönliche Niederlage. Der Wahlsieg der NSDAP kam für Litten daher einem Todesurteil gleich. Er weigerte sich, aus Deutschland zu flüchten, und wurde am 28. Februar 1933 verhaftet. Fünf Jahre später nahm sich Hans Litten im Konzentrationslager Dachau das Leben.

Mit der Rekonstruktion seiner Biografie aber gab sich Rafael Doleballa Portella nicht zufrieden. Er suchte nach Gründen für sein eigenes Unwissen und forschte zur Erinnerung an den Anwalt nach 1945. Sechs Monate lang recherchierte der Schüler in Archiven, studierte öffentliche und private Quellen, befragte Historiker und Juristen. Und er stieß auf eine Erinnerungs- und Verdrängungsgeschichte, die nahezu stereotypisch für das geteilte Deutschland scheint.

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Rafael Dolabella Portella in der in der Littenstraße 9. Das Hans-Litten-Haus ist seit 2001 Sitz der Bundesrechtsanwaltskammer.

DDR/BRD: Geteilte und verfälschte Erinnerung an Hans Litten
Zunächst die DDR. In Ost-Berlin wurde 1951 die Neue Friedrichsstraße nach Hans Litten umbenannt. Eine Gedenktafel erinnerte scheinbar ohne Parteinahme an den „unerschrockenen Kämpfer für Menschlichkeit und Frieden“. Doch Litten diente der DDR-Staatsführung auch als Vorbild für ihre späteren „Volksrichter“, und schon sehr bald verfälschte man das Bild des unbequemen Anwalts, wie Rafael Dolabella Portella herausfand, und verdrehte seine Vita, bis sich der parteikritische Marxist passgenau in das kommunistische Weltbild der DDR fügte.

In der alten Bundesrepublik wurde die Erinnerung an Litten fast vollständig verdrängt. Seine marxistischen Ideale widersprachen der hier herrschenden antikommunistischen Ideologie.

Über Littens jüdische Wurzeln schwieg man sich in beiden Teilen Deutschlands 60 Jahre lang aus. Zu unbequem war die Mahnung an den deutschen Völkermord, die in seiner Person lebendig blieb. Stattdessen gab es Versuche, Litten einen abstrakten christlichen Humanismus zu unterstellen, der sowohl dazu diente, Litten zu entpolitisieren als auch seine aktiv gelebte Verwurzelung in der deutsch-jüdischen Kultur zu verleugnen.

In diesem Geflecht des Erinnerns und Verdrängens fand Rafael Dolabella Portella die Antwort auf seine Fragen. Erst in den letzten Jahren kehre im öffentlichen Gedenken die Person zurück, die Hans Litten wohl am ehesten gewesen sei, so der 14-jährige: Ein unbequemer und unerschrockener Anwalt, der zutiefst demokratisch seinem eigenen Gewissen und seinen eigenen Idealen folgte, ohne sich dabei von einer Partei in Dienst nehmen zu lassen.

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Die DDR-Gedenktafel von 1951 informiert auch heute noch an der Außenmauer des Hans-Litten-Hauses an den Rechtsanwalt

Weitere Bundespreisträger aus Berlin
Neben Rafael Dolabella Portella trugen sich noch zwei weitere Jugendliche aus Berlin in die Liste der 50 Bundessieger beim Geschichtswettbewerb ein. Die 18-jährige Bettina Frevert errang mit ihrer Arbeit über die „Helden der Arbeit“ in der DDR einen 2. Preis. Ebenfalls mit einem 2. Preis wurde der 16-jährige Rahul Kulka ausgezeichnet, der zum kontroversen Gedenken an den kommunistischen Widerstandskämpfer Hans Beimler geforscht hatte.

Das populärste Thema für die Jugendlichen war auch bei der 21. Ausschreibung der Nationalsozialismus. Bundesweit forschten mehr als ein Drittel aller Jugendlichen über stille Helden, Widerstandskämpfer oder NS-Propagandahelden. Vielerorts starteten die Schüler Denkmalinitiativen. Straßen wurden auf Initiative der Schüler neu benannt oder Gedenksteine erneuert, so in Berlin eine Gedenktafel an das NS-Frauengefängnis an der Barnimstraße. Mit der von den Nazis inhaftierten Schriftstellerin Elfriede Brüning hatten Berliner Grundschüler beim Geschichtswettbewerb gesprochen.

Ausgerichtet wird der Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten seit 1973 von der Hamburger Körber-Stiftung. Er ist der größte historische Forschungswettbewerb in Deutschland mit mehr als 120.000 Teilnehmern und rund 25.000 lokalhistorischen Forschungsprojekten seit der Wettbewerbsbegründung vor 36 Jahren.


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