Fleißige Hände und nickende Disteln am Brixplatz

_von Linda Dommes_

Artikel10_1

„Herzlich Willkommen“: Schon beim Betreten des Parks bietet sich ein schöner Anblick.

Der Ortsteil Westend im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf war anfangs nur eine sandige Hochfläche, bebaut mit einigen Mühlen. Doch nach und nach entwickelte sich Westend zu einer bevorzugten, grünen Wohngegend. Zahlreiche Prominente fanden dort ihre Heimat, so beispielsweise der Schriftsteller Hans Bötticher, besser bekannt als Joachim Ringelnatz. Größte Beachtung fand sein lyrisches Werk „die Nachtigall am Sachsenplatz“. Dieser „Sachsenplatz“ besteht noch heute. Im Laufe der Zeit wurde er in „Brixplatz“ umbenannt und kämpft derzeit um seinen Fortbestand.

Für ein nördlich von Neu-Westend geplantes Wohnviertel wurde 1909 zwischen Reichsstraße und Westendallee eine 2,1 Hektar große Grünfläche ausgewiesen. Einige Jahre später, 1913, plante der Stadtgartendirektor Erwin Barth für den dortigen Standort auf kleinstem Raume einen artenreichen, märkischen Landschaftspark. Barth war als Gartendirektor für Charlottenburg, Stadtgartendirektor von Groß-Berlin und Begründer der Hochschulbildung für Gartenarchitekten in Deutschland schon längst über die Stadtgrenzen Berlins hinaus berühmt. Zu den von ihm entwickelten Anlagen gehören beispielsweise der Wilmersdorfer Waldfriedhof in Stahnsdorf, der Volkspark Jungfernheide und der Lietzenseepark in Charlottenburg.

Artikel10_2

Blick von einer Anhöhe über den Teich zum Mittelpunkt des Brixplatzes.

Im Zuge seiner Planungen beschrieb er den Entwurf des Parks im Westend folgendermaßen:

„Sie, die Bevölkerung, will im Häusermeer Grünflächen haben, in welchen sie die reiche Blumen- und Pflanzenwelt in Muße betrachten kann, in welchen die Erwachsenen sich erholen, die Kinder spielen können. Dementsprechend werden für die Kinder Spielplätze, für die Erwachsenen zahlreiche Ruheplätze geschaffen, die mit schön blühenden Sträuchern, mit schattenspendenden Bäumen und vor allem mit wirkungsvollem, abwechslungsreichem Blumenschmuck versehen sind. Man versucht, die vorgenannten Einrichtungen zu einem künstlerisch-schönen Ganzen mit guter Raum- und Flächenwirkung zusammenzufassen.“ Bis zur konkreten Umsetzung der Pläne dauerte es allerdings noch bis nach Ende des Ersten Weltkrieges. Damals wurde der Park im Charlottenburger Ortsteil Westend noch „Sachsenplatz“ genannt und fügte sich mit diesem Namen in das Namensprogramm des Stadtteils ein. Demnach wurden die Straßen nach den Ländern des damaligen Deutschen Reichs benannt. 1947 bekam er seinen heutigen Namen „Brixplatz“. Dieser geht auf Josef Brix (1859-1943), Professor für Städtebau an der Technischen Hochschule Charlottenburg, zurück.

Artikel10_3

Die Nickende Distel wurde zur „Blume des Jahres 2008“ gewählt. Auf dem Brixplatz ist sie zu bestaunen.

Von 1919 bis 1922 legte Barth in einer 14 Meter tiefen Kiesgrube drei Teiche, einen Kalkfelsen und einen öffentlichen Botanischen Lehrgarten an. Der Schulgarten ist nach dem botanischen Verwandtschaftssystem geordnet, wie es in der systematischen Abteilung eines Botanischen Gartens zu finden ist.

Direkt an der Reichsstraße entstand so eine vielschichtige Oase. Das Platzinnere sollte nach Barths ursprünglichen Vorstellungen nicht betreten werden, damit die mühsam von überall her zusammengetragenen Pflanzen und Tiere ungestört blieben. Ihre Betrachtung war von um die Grube herumführenden Wegen und Aussichtskanzeln möglich. Nur zu Lehrzwecken durften schmale Pfade im Inneren betreten werden. Mehrmals wurde der Park auch gänzlich geschlossen, weil die Besucher Schäden verursachten.

Seit 1960, nachdem die Pflegewege für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden, ist die Sicherheit der Biotope noch mehr gefährdet, besonders, weil sich manche Besucher nicht an die Parkregeln halten. Sie laufen mitten über die Wiesen und zerstören dabei die Krautflora oder gehen zu nahe an die Teichufer heran. Einige seltene Tiere haben den Park inzwischen aufgrund der Störung ihres Lebensraumes verlassen. Zahlreiche Hundebesitzer unternehmen Spaziergänge in die kleine Oase. Die meisten haben ihren vierbeinigen Freund zwar wie vorgeschrieben an der Leine, die Hinterlassenschaften entfernt jedoch so gut wie niemand. „Besonders zugenommen hat in letzter Zeit auch der Vandalismus. Fast täglich muss eine Bank neu gestrichen werden“, erklärt Sylvia Neumann von der Parkinitiative Brixplatz (PIB). Die PIB besteht seit Juni 2003. Zu diesem Zeitpunkt war der Pflegenotstand auf dem Brixplatz nicht mehr zu übersehen, denn der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf konnte den finanziellen und personellen Aufwand kaum noch leisten. Dem Botanischen Lehrgarten drohte sogar die völlige Zuschüttung. Sylvia Neumann wollte dem nicht tatenlos zusehen und innerhalb von wenigen Tagen fanden sich mehrere engagierte Mitstreiter zusammen. Im Rahmen eines nachhaltigen Projektes pflegen diese nun ehrenamtlich die Parkanlage. Jeden Montag treffen sie sich zum Arbeitseinsatz. Die Initiative betreut mittlerweile rund 340 Pflanzenarten. Es gelang ihr, märkische Wild-, Heil- und Nutzpflanzen, die teilweise nur noch selten vorkommen und schwer zu bekommen sind, wieder anzuzüchten. Deshalb verlangt der Botanische Lehrgarten besonders viel Aufmerksamkeit. Häufig sind Schulklassen zu Gast, die sich im „grünen Lernort“ im wahrsten Sinne des Wortes hautnah über die heimische Pflanzenwelt informieren. Aber auch Bäume, Hecken, Wege und Teiche müssen stets intensiv gärtnerisch gestaltet, Bänke, Mauern und Bauten instand gehalten werden.

Artikel10_4

In zwei Lehrgärten können sich Schulklassen unter fachkundiger Anleitung der Mitglieder der Initiative Brixplatz informieren.

Einen besonderen Lohn für ihr Engagement erhielt die Parkinitiative Brixplatz im Jahre 2004: Sie bekam einen Preis für „vorbildliche gemeinwesenorientierte Leistungen“, der jährlich vom Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf vergeben wird. Nur ein Jahr später wurde das Projekt mit dem „Erwin-Barth-Preis“ für ehrenamtliches Engagement in der Grünpflege ausgezeichnet.

Auch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz fördert den Brixplatz seit dem Jahre 2006. Im Mittelpunkt steht hierbei die Restaurierung des künstlichen Steinbruchs. Die an der Ostseite des Platzes angelegte Felsformation, die die Rüdersdorfer Kalkfelsen nachbilden, muss dringend saniert werden. Die Finanzierung teilt sich die Deutsche Stiftung Denkmalschutz mit dem Landesdenkmalschutz und dem Bezirk. Problematisch ist jedoch, dass während der Sanierungsarbeiten festgestellt wurde, dass der Schaden wesentlich größer ist als zunächst angenommen. Mit der Deutschen Stiftung Denkmalschutz wurde zudem vereinbart, dass die Arbeiten dort der Bezirk ausführt und diese bis Ende des Jahres 2007 abgeschlossen sein sollten. Doch seit einiger Zeit tut sich dort kaum noch etwas. Sylvia Neumann ist enttäuscht: „Wir hatten auf weitere Förderung des Brixplatzes durch die Stiftung gehofft, doch das ist nun in weite Ferne gerückt.“ So hat sich im Laufe der Zeit das Verhältnis zum Bezirksamt negativ verändert. Die Initiative fühlt sich im Stich gelassen: Eine vom Bezirk gestellte Gärtnerin zur fachlichen Unterstützung wurde vor einigen Monaten aus Kostengründen entlassen. Doch es geht der Initiative nicht nur um finanzielle Diskrepanzen: „Wir wissen, dass die öffentlichen Gelder knapp sind. Aber auch unsere Vorschläge zur weiteren Gestaltung des Platzes und zur Beschaffung neuer Vegetation wurden vom Bezirk mehrfach überhaupt nicht beachtet“, bedauert Neumann, „im Gegenteil, der Bezirk handelte häufig im Alleingang und stellte uns vor vollendete Tatsachen.“

Ohne das ehrenamtliche Engagement der Mitglieder der Parkinitiative Brixplatz würde die Nachtigall dort wohl schon längst nicht mehr singen.


Parkinitiative Brixplatz
Silvia Neumann
Westendalle 73
14052 Berlin
E-Mail: kontakt@parkinitiative-brixplatz.de
Internet: www.parkinitiative-brixplatz.de
Die Autorin studiert deutsche und englische Philologie an der Freien Universität Berlin und absolvierte ein Praktikum in der Redaktion von _aktuell_ .