Seit Eröffnung der Gedenkstätte 1992 in hälftiger Trägerschaft von Land und Bund ist sie ein wichtiger Ort der historischen und politischen Information über die Verbrechen während der NS-Herrschaft in Deutschland und Europa, auch über die Folgen von Rassismus und Antisemitismus. Dabei stehen die Wannsee-Konferenz vom 20. Januar 1942 und die Organisation des Völkermordes an den europäischen Juden im Mittelpunkt. Die neue Ausstellung im Erdgeschoß des Hauses, in dem die Wannsee-Konferenz stattfand, thematisiert aber nicht nur die Organisation der Verbrechen und die Geschichte der Täter, sondern sie fragt auch nach dem Verhalten der Zuschauer und nach den Handlungsspielräumen. Juden werden nicht nur als Opfer, sondern – soweit sie eine Chance dazu hatten – als Handelnde gezeigt. Das Schicksal von vier jüdischen Familien, die in der großen Eingangshalle vorgestellt werden, wird über mehrere Themenräume verfolgt. Die einzige Überlebende einer polnischen
Familie, Frau Esther Reiss, schildert ihre Erlebnisse eindrucksvoll in zwei Videostationen. Es hat sich bewährt, besonders bei Führungen und Seminaren mit jüngeren Schülern von einem konkreten Einzelschicksal auszugehen. Wir wollen damit einen multiperspektivischen Zugang zu den Ereignissen ermöglichen. Audio-, Video- und Lesestationen in den verschiedenen Räumen bieten die Möglichkeit zur vertieften Information.
Die historische Ausstellung ist in fünfzehn Themenräume gegliedert (vgl. Kasten mit Grundriss). Beginnend mit den vier jüdischen Familien und einer Karte zur jüdischen Bevölkerung in Europa, mit Informationen über die christliche Judenfeindschaft, Emanzipation, Rassismus und Eugenik, wird die Erfolgsgeschichte der Integration der Juden in der Gesellschaft der Weimarer Republik vorgestellt – kontrastiert mit dem Aufstieg der NSDAP. Der Raum für die Vorkriegsphase im NS-Deutschland thematisiert die Konstituierung der „Volksgemeinschaft“ und verweist auf die davon Ausgeschlossenen, zeigt die jüdische Selbstbehauptung und Selbsthilfe und leitet mit dem Krankenmord („Euthanasie“) zur Vernichtungspolitik im Krieg über. Der Kriegsverlauf in Polen, der UdSSR und auf dem Balkan zeigt die Eskalationsstufen bis zum systematischen Massenmord an den sowjetischen Juden und das Zusammenspiel von Einsatzgruppen und Wehrmacht. Die vorgestellten kritischen deutschen Stimmen
und die deutschen Judenretter verdeutlichen die ungeachtet aller Propaganda durchaus vorhandene Möglichkeit der Wahrnehmung der Vorgänge als ein ungeheures Verbrechen.