100 Jahre Strandbad Wannsee

_von Prof. Dr. Helmut Engel,
Geschäftsführer der Stiftung Denkmalschutz Berlin_

Winter 2006/2007: Die Bauarbeiten sind in vollem Gang.

Am 08. Mai 2007 jährte sich zum einhundertsten Male die „Legalisierung des Badebetriebes“ am Großen Wannsee durch den Regierungspräsidenten in Potsdam. Vor über 50 Jahren sang Conni Froboess „Pack‘ die Badehose ein, nimm Dein kleines Schwesterlein und dann nischt wie ‘raus nach Wannsee“. Weit über die Grenzen Berlins hinaus wurde dieses Lied berühmt. In den 100 Jahren seines Bestehens hat das Strandbad Wannsee nichts von seiner ursprünglichen Attraktivität verloren – trotz aller Wechselfälle der Geschichte.

Die Stiftung Denkmalschutz Berlin hat seit 2005 einen Teilbestand des denkmalgeschützten Strandbades restauriert. Das Engagement der Stiftung leitet sich aus der überragenden Bedeutung des Strandbades als Bau- und Kulturdenkmal ab.

Entstanden war die sich am Fuß des Grunewaldhanges hinziehende Anlage mit ihren doppelgeschossigen Umkleidehäusern und dem vorgelagerten Promenadendeck 1929 nach den Vorstellungen des sozialdemokratischen Stadtbaurates Martin Wagner, der mutmaßlich auch die Gestaltung der Bauten unmittelbar beeinflusst hat. Von den hochfliegenden Plänen Wagners, an dieser Stelle des Großen Wannsees ein „Weltstadtbad“ anzulegen, konnte indessen nur ein erster Bauabschnitt verwirklicht werden. Zuerst verhinderte die Weltwirtschaftskrise von 1929/1930 die Verwirklichung der gesamten umfangreichen Planung und die Machtergreifung der Nationalsozialisten hinterließ auch im Strandbad Wannsee ihre Spuren. Sofort nach der Machtübernahme wurde Wagner entlassen. Sein moderner Baustil passte nicht mehr, stattdessen wurde auf dem Gelände ein Restaurant im Stil eines norddeutschen Bauernhauses erbaut. Wagner konnte in die Türkei emigrieren. Der ebenfalls gekündigte Direktor des Strandbades, Hermann Clajus, wählte den Freitod.

Ab 1935 hing am Eingang des Strandbades das Schild „Juden ist das Baden und der Zutritt verboten“, auf den Sonnenterrassen und an den Strandkörben wehten fortan Hakenkreuzfahnen. SA-Leute hatten die Aufgabe, jüdische Besucher zu vertreiben. Ein Propagandafilm der Nationalsozialisten aus dem Jahr 1943 sollte die „heile Welt“ vorspielen. Der Film zeigt Soldaten, die während eines Fronturlaubs mit ihren Frauen das Strandbad Wannsee besuchen – in der Innenstadt waren die Bombenschäden schon nicht mehr zu übersehen.

Das Strandbad überstand den Zweiten Weltkrieg so gut wie unbeschadet. Aber die Jahre, die folgten, machten es nach mehreren Jahrzehnten grundsätzlich sanierungsbedürftig. Aus verschiedenen Gründen wurde die in den 90er Jahren bereits eingeleitete Instandsetzung abgebrochen, weshalb über Jahre das nackte Stahlgerippe des Promenadendecks das Erscheinungsbild des Strandbades beherrschte. Nach der Restaurierung durch die Stiftung Denkmalschutz Berlin erscheinen die Umkleidehäuser und das Promenadendeck nun wieder in ihrem ursprünglichen Schauwert.

Wie an der Ostsee. Baden im Stadtbad Wannsee.

Damit ist aber noch nicht die gesamte Anlage instand gesetzt und restauriert, denn nach wie vor ist das Schicksal des ehemaligen Strandrestaurants „Lido“ ungewiss. Immer deutlicher wird erkennbar, dass man auch die wenig älteren Gebäude von 1924 und 1927 instand setzen muss, und vor allen Dingen ist es unabweislich, für das gesamte Strandbad mit allen seinen Gebäuden und Freiflächen ein überzeugendes Nutzungskonzept zu finden und umzusetzen, denn für den Badebetrieb wird nur noch ein kleinerer Teil der in den baulichen Anlagen vorgegebenen Nutzflächen benötigt; der Rest steht entweder leer oder wird unangemessen genutzt. Und zu dem heutigen Badeverhalten der Gäste gehört auch, dass man sich bestenfalls am Strand aufhält, aber nicht in den bewaldeten Freiflächen oberhalb des Strandes unmittelbar hinter dem Haupteingang. Mit anderen Worten: Instandsetzung, Restaurierung und Revitalisierung des Strandbades stehen als Aufgabe eigentlich noch bevor. Wir würden uns alle etwas vormachen, wenn wir glauben würden, dass das Strandbad Wannsee bereits „in trockenen Tüchern“ ist.


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