Tausende von Berlinerinnen und Berlinern sowie von Besuchern der Stadt haben im Frühjahr und Sommer 2007 bereits im Kunstsalon Thiede am Wannsee vor den Bildern der Malerin Julie Wolfthorn gestanden und nach ihr gefragt. Sie kamen zumeist von nebenan, aus dem Liebermann-Haus, wo sie eben Liebermanns herrliche Gartenbilder bewundert hatten, und sahen sich nun den Werken einer Malerin gegenüber, von der kaum einer von ihnen je etwas gehört oder gelesen hatte. Es war die erste kleine Personalausstellung von Arbeiten Julie Wolfthorns seit 70 Jahren! Traude Thiede und Dr. Jörg Thiede hatten im Rahmen ihrer Ausstellung zur „Berliner Secession“ zwei Räume dafür zur Verfügung gestellt.
Julie Wolfthorn gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Berliner Secession, mit der sich eine Gruppe von bildenden Künstlern unter Vorsitz Max Liebermanns vom konventionellen akademischen Kunstverständnis abspaltete. Liebermanns Name steht in den kunstgeschichtlichen Betrachtungen darüber an vorderster Stelle, der von Julie Wolfthorn taucht nicht auf. Seine Bilder gehören zum gesicherten Kunstgut der Stadt und der europäischen Kultur. Sein Werk und sein Andenken haben die finsteren Zeiten, in denen auch ein Liebermann den deutschen Faschisten verächtlich war, überstanden, er hat wieder seinen Ort am Pariser Platz, in seiner Sommervilla am Wannsee und auf dem Jüdischen Friedhof in der Schönhauser Allee. Für Julie Wolfthorn, Jüdin, 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 26. Dezember 1944, wenige Tage vor ihrem einundachtzigsten Geburtstag, starb, gibt es keinen Ort. Immerhin ist seit Ende 2005 eine Straße nach ihr benannt.
Zeit ist vergesslich, möchte man meinen, wüsste man nicht, dass gesellschaftliche Zeit nur bewahren kann, was ihr zur Bewahrung mitgegeben wurde. Julie Wolfthorn ist so aus der Zeit gefallen. Die Ausstellung ihrer Arbeiten in der Villa Thiede offenbarte Vielseitigkeit und großes künstlerisches Format: Grafiken, witzige Illustrationen für die Zeitschrift „Jugend“, die um die Jahrhundertwende in München erschien und für die Julie Wolfthorn viele Titelseiten und Blätter schuf, Porträts, Plakate und Landschaften. Sie erweckte ein staunendes Interesse für das Werk und das Schicksal dieser Künstlerin von Rang, aber ohne Ruf. Eben diese Aufmerksamkeit, die Freude an den Entdeckungen und solche Anteil nehmende Neugier wollten die Aussteller, der Freundeskreis Julie Wolfthorn, provozieren. An den Wochenenden waren sie in ihrer Ausstellung zugegen, um den Besuchern Leben
und Werk der Künstlerin nahe zu bringen. Motiv und Ziel der Bemühungen des Freundeskreises, der sich vor sechs Jahren gründete, war und ist es, Julie Wolfthorns Werk aus der Vergessenheit zu bergen. In diesen Jahren wurden durch weit reichende Recherchen und Kontakte zu Institutionen und Personen, durch sorgfältige Kleinarbeit, die immer größere Kreise erfasste, Leben und Werk Julie Wolfthorns in großen Umrissen wieder gewonnen.