“Wir stehen ganz am Anfang und wissen noch nicht genau, was auf uns zukommt”, sagt Barbara Scheider-Kempf, die Generaldirektorin der Staatsbibliothek. Sie ist sichtlich erleichtert, dass die systematische Suche nach Raubgut begonnen hat und erste Ergebnisse vorliegen. Auf einem Treffen von Provenienzforschern Anfang Mai wurde erstmals die Zahl von 10.000 bis 20.000 Büchern genannt, die mit großer Wahrscheinlichkeit unrechtmäßiger Besitz der Staatsbibliothek sind. Unklar ist noch, was in Sondersammlungen wie der Orientabteilung schlummert – in der Nazizeit schien das der beste Ort, um wertvolle Stücke aus geplünderten Synagogen oder Gemeindebibliotheken zu verwahren.
Beim Raubgut in Bibliotheken handelt es sich nicht um so wertvolle Einzelobjekte wie in den Museen. Deswegen sind die Begehrlichkeiten und Verlustängste nicht ganz so groß, das öffentliche Interesse bisher gering. Berücksichtigt man allerdings die große Zahl betroffener Bücher, Drucksachen und Handschriften, dann geht es um vergleichbare Werte wie bei der Restitution prominenter Gemälde. Vorbei sind die Zeiten, in denen Bibliothekare die dunkle Herkunft vieler Bücher im Dunklen lassen konnten. Spätestens seit dem Washingtoner Kulturabkommen von 1998, das auch sie zur Suche nach Raubgut und in Zweifelsfällen zur Restitution verpflichtet.
Seit kurzem hat die Staatsbibliothek einen Geschäftsgang für das Aufspüren und die Rückgabe von Raubgut eingerichtet. Rechercheergebnisse zur Herkunft einzelner Bücher sind künftig im elektronischen Bestandskatalog nachlesbar. Diese Informationen werden auch dann nicht gelöscht, wenn ein Werk restituiert oder eine Einigung mit den Erben über den Verbleib in der Bibliothek erzielt wird.
Via Internet ist der Katalog unter www.staatsbibliothek-berlin.de für jedermann ohne Passwort zugänglich. Sucht man in ihm nach Provenienzen und gibt das Stichwort „Raubgut“ ein, so werden derzeit nur zwei Titel angezeigt, ein nachweisliches Geschenk der Gestapo und ein Buch mit einem jüdischen Exlibris. Befriedigend ist das nicht. Aber immerhin ein Anfang.