Mehr als eine schöne Hülle: Das Schloss Biesdorf

_Es zieht noch nicht viele Touristen in die Turmvilla im Osten von Berlin, aber für die Menschen im Bezirk Marzahn-Hellersdorf ist das Schloss eine wichtige Begegnungsstätte

von Maike Duis_

Sicht auf Schloss Biesdorf von der Südseite aus.

Das Schloss Biesdorf ist von der viel befahrenen Bundesstraße 1 kaum zu sehen, weil es von den Bäumen im Park verdeckt ist. Auch sonst hält sich die rosa Turmvilla im italienischen Stil für Außenstehende im Verborgenen. Touristenscharen wie bei den anderen Berliner Schlössern zieht sie nicht an. Es ist ein Geheimtipp für Besucher, die nach Ruhe und Entspannung suchen. Grund: Der alte Herrensitz ist erst in den vergangenen Jahren „aus seinem Dornröschenschlaf erwacht“, wie Dagmar Pohle, Bürgermeisterin des Bezirks Marzahn-Hellersdorf, sagt.

Die Menschen im Bezirk wissen seit längerem, was sie an ihrem Schloss haben – obwohl es anders, obwohl es kein pompöses Märchenschloss ist. Dafür steckt hinter den Mauern Leben und kein Museum. Denn die spätklassizistische Turmvilla ist ein wichtiger Treffpunkt für die Menschen im Bezirk. Hier ist das Stadtteilzentrum (STZ) Biesdorf untergebracht. Der Bezirk übergab 1994 den größten Teil des Schlosses dem Verein BALL, kurz für Betreuung arbeitloser Leute und Lebenshilfe. Dieser ist Arbeitgeber für Menschen aus der Arbeitsförderung. Der Verein baute mit viel Enthusiasmus ein sozial-kulturelles Zentrum auf. Leiter des STZ ist Peter Bielig. Er sagt: „Wir füllen das Schloss mit Leben, wenn es nicht genutzt wird, wäre es nur eine leere Hülle“.

Die 75-jährige Hella Rymarowicz bietet im Saal des Schlosses zweimal pro Woche Gymnastik für Senioren an. Es sei Berlins schönster Turnsaal, sagt Peter Bielig, Leiter des Stadtteilzentrums Biesdorf.

Über das Jahr verteilt finden zahlreiche Veranstaltungen in Schloss und Park statt. Es gibt Ausstellungen, Sitzungen aller Art, Literatur im Schloss, Konzerte, Tanztee, Vernissage, Bürgerberatungen, Mal-, Musik- und Keramikkurse, Familien- und Kinderveranstaltungen. Vereine, Bürger und Organisationen können das Schloss für ihre Veranstaltungen buchen.

Dass die Menschen in Biesdorf und Umgebung das Schloss nutzen können, ist zum großen Teil den Bürgern selbst zu verdanken. Weil das Geld für den Wiederaufbau in den früheren Zustand fehlte und das Schloss vom Verfall bedroht war, setzten die Bürger sich für ihr Schloss ein, indem sie den Verein „Stiftung Ost-West-Begegnungsstätte Schloss Biesdorf“ gründeten. Der Verein ist angetreten, das Gebäude denkmalgerecht zu restaurieren.

„Die Sinnende“ von Künstlerin Ingeborg Hunzinger steht nahe der Lindenallee im Schlosspark. Dieser steht wie der alte Herrensitz seit 1979 unter Denkmalschutz.

„Dank des großen Engagements des Vorsitzenden Dr. Günther Peters hat sich das Schloss enorm entwickelt“, sagt Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle und erklärt weiter: „Mit viel Hartnäckigkeit und einem guten Netzwerk, zu dem auch das Bezirksamt gehört, gelang das, was sich erst kaum einer vorstellen konnte – das Schloss präsentiert sich zunehmend in alter Schönheit.“ 2002 begann die Restaurierung der Außenhülle, in diesem Jahr wurde sie zum größten Teil abgeschlossen. Ziel der Stiftung ist die komplette Wiederherstellung des Gebäudes in den alten Zustand. So wie die rosa Turmvilla vor knapp 140 Jahren aussah, als sie im Auftrag des Gutsbesitzers Hans Hermann Freiherr von Rüxleben erbaut wurde.

1887 erwarb Erfinder Werner von Siemens, Gründer der heutigen Siemens AG, das Schloss samt Park. Sein Sohn Wilhelm übernahm zwei Jahre später den väterlichen Besitz. Er soll auf dem Schlossturm mit drahtloser Telegraphie experimentiert haben. 1927 erwarb die Stadt Berlin den Besitz. Im April 1945 brannte das Schloss aus. Ob durch Brandstiftung oder Bomben ist nicht eindeutig belegt. Nur das Erdgeschoss wurde anschließend überdacht. In den nächsten Jahren ist geplant, das Schloss wieder mit einem neuen Obergeschoss aufzustocken. Auch um es damit attraktiver für Touristen zu machen.


Schloss Biesdorf
Alt-Biesdorf 55
12683 Berlin
Tel.: 49 30 5143736
E-Mail: schloss.biesdorf@ball-ev-berlin.de
www.stiftung-schloss-biesdorf.de

Die Autorin studiert Öffentliche Verwaltungswirtschaft an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege Berlin und absolvierte ein Praktikum in der Redaktion von _aktuell_ .