Neues jüdisches Leben in Berlin

Gesa Ederberg als Rabbinerin eingeführt und größte Synagoge wiedereröffnet

_von Linda Dommes_

Blick in den Innenraum der Synagoge in der Rykestraße.

Zum ersten Mal seit mehr als 70 Jahren gibt es in der jüdischen Gemeinde Berlins wieder eine Rabbinerin: die 38-jährige Gesa Shira Ederberg. Bereits seit fünf Jahren hält sie Predigten in der Synagoge, jedoch wurde sie erst im Februar 2007 von der Repräsentantenversammlung offiziell zur Rabbinerin gewählt. Sie tritt aus historischer Sicht sogar die Nachfolge der weltweit ersten Rabbinerin an, nämlich die der jüdischen Berliner Religionslehrerin Regina Jonas. Jonas war durch ihre Abschlussarbeit bekannt geworden, weil sie in dieser die Frage stellte, ob eine Frau überhaupt das Amt eines Rabbiners bekleiden kann. Darin kam sie zu der begründeten Schlussfolgerung, dass „dem Bekleiden des rabbinischen Amtes seitens der Frau außer Vorurteil und Ungewohntsein in religionsgesetzlicher Hinsicht fast nichts“ entgegensteht. 1935 wurde sie schließlich als erste deutsche Rabbinerin eingeführt. Für Ederberg ist Regina Jonas eine Ermutigung. „Ich habe alles von ihr gelesen“, sagt sie. Sie selbst stellt aber noch in anderer Hinsicht etwas besonderes dar: In Deutschland amtieren nur 30 Rabbiner und davon wiederum sind nur zehn jünger als 40 Jahre. Hinzu kommt, dass Ederberg derzeit die einzige Rabbinerin Deutschlands ist. Die anderen beiden Rabbinerinnen sind inzwischen ins Ausland verzogen: Bea Wyler verlegte ihren Wohnsitz von Oldenburg in die Schweiz und die aus Berlin stammende Elisa Klapheck lebt in Amsterdam.

Gesa Shira Ederberg ist seit Februar die erste Rabbinerin seit 70 Jahren in Berlin.

Vor drei Jahren gründete Ederberg den Verein „Masorti“ mit dem Ziel, die jüdische Tradition zu stärken. Den dazugehörigen Kindergarten besuchen 45 Kinder, die sowohl Deutsch als auch Hebräisch miteinander sprechen. Des Weiteren führt der Verein weltweit Projekte und Kooperationen mit internationalen Partnern durch. Dazu gehören beispielsweise die Organisation und Durchführung von Seminaren, Begegnungen und Gottesdiensten für ausländische und deutsche Studenten in Berlin.

Gesa Shira Ederberg studierte zunächst Physik und evangelische Theologie, bevor sie sich dem Judentum zuwandte. Dann studierte sie Judaistik in Tübingen und Berlin und absolvierte im Anschluss ein Rabbinatsstudium am „Schechter Institute for Jewish Studies“ in Jerusalem. Ihre Ordination erhielt sie dort im Jahre 2002 und arbeitete zunächst in der jüdischen Gemeinde in Weiden (Oberpfalz). Neben ihrer Tätigkeit in Berlin fungiert sie auch als Executive Vice President and Treasurer of the European Region of the Rabbinical Assembly und ist Gründungsmitglied der Allgemeinen Rabbinerkonferenz Deutschlands.

Berlins größte Synagoge in der Rykestraße wurde feierlich wiedereröffnet.

Überhaupt entwickelt sich das neue jüdische Leben in Berlin sehr erfreulich: Am 31. August 2007 wurde die größte Synagoge Deutschlands in der Rykestraße feierlich wiedereröffnet. In dem 103 Jahre alten Gebäude wurden Holzdecke, Luster und Kuppel in knapp dreijähriger Bauzeit aufwendig renoviert und weitgehend originalgetreu wieder hergestellt. Für die verantwortlichen Architekten Ruth Golan und Kay Zareh war dies eine anspruchsvolle Aufgabe, denn von dem ursprünglichen Zustand der Synagoge existieren nur drei Schwarz-Weiß-Fotos. Auf den Scheiben der Fenster im Erdgeschoss wird die biblische Schöpfungsgeschichte – jeweils in Deutsch und Hebräisch – nacherzählt. Dem Sabbat wurde ein besonders gestaltetes Fenster am Aufgang zur Frauenempore gewidmet.

Nur zwei Tage später wurde das jüdische Bildungs- und Familienzentrum Deutschlands der orthodoxen Bewegung Chabad Lubawitsch eröffnet. Das neue „Szloma Albam Haus und Rohr Chabad Zentrum“ ist eine Art Kulturhaus mit den verschiedensten Aspekten: Im Komplex befinden sich nicht nur eine Bibliothek, ein koscheres Restaurant, ein Multimediazentrum, ein rituelles Bad und ein Saal für Seminare und Veranstaltungen, sondern den jüdischen und nicht jüdischen Gästen steht auch ein sogenanntes „Tourist Welcome Center“ und ein Judaica-Laden offen. Ein Blickfang ist zudem eine 30 Meter lange Nachbildung der Jerusalemer Klagemauer. Das jüdische Leben in Berlin blüht.


Die Autorin studiert deutsche und englische Philologie an der Freien Universität Berlin und absolvierte ein Praktikum in der Redaktion von _aktuell_ .