Knut - Ein Eisbär begeistert die Welt

_von Heike Kröger_

Hier ist „Baby Knut“ gerade 27 Tage alt und trinkt Milch aus seinem Fläschchen.

Eigentlich ist es doch nur ein ganz normaler Eisbär, der am 5. Dezember 2006 im Berliner Zoo zur Welt kommt. Aber er wird zum Star und zum Liebling unzähliger Fans. Man meint, mit der Geburt von Knut hat Berlin ein neues Wappentier bekommen. Alle lieben ihn: In Sondersendungen im Fernsehen konnte man Knut beim Aufwachen zusehen, der Zoo musste Sicherheitspersonal einstellen, um die Besuchermassen zu ordnen und im Supermarkt gibt es kleine weiße Knuts zum Naschen aus Gelatine zu kaufen. Die Schaufenster von Spielwarenläden zieren Stoffeisbären, in einem Hamburger Geschäft hing eine Zeit lang ein Schild mit der Aufschrift „Original Knut in Kürze wieder vorrätig“.

„Stretching“ zur Stärkung der Muskulatur im Alter von 50 Tagen.

Nach genau 33 Jahren freute man sich im Berliner Zoo wieder über Nachwuchs bei den Eisbären. Die 20-jährige Eisbärendame mit Namen Tosca, die früher im Zirkus auftrat, brachte am 5. Dezember 2006 Zwillinge zur Welt, kümmerte sich aber nicht um sie. Sie legte die beiden auf dem kühlen Boden des Geheges ab und nahm keine Notiz mehr von ihnen. Mit einer Stange wurden die beiden Eisbärenjungen vorsichtig aus dem Gehege geholt und vom Tierarzt untersucht. Beide kamen in einen 35 Grad warmen Brutkasten. Leider starb ein Junges vier Tage später. Sein Bruder, Knut, sollte es zu erheblichem Ruhm bringen.

Bei seiner Geburt wog Knut 810 Gramm. Nachdem er 44 Tage lang im Brutkasten gelegen hatte, kümmerte sich monatelang, rund um die Uhr und ununterbrochen der Tierpfleger Thomas Dörflein um ihn. Er wurde zu Knuts Ziehvater. Dörflein gab Knut in der ersten Zeit sechs Mal am Tag die Flasche, so dass das Jungtier Mitte Februar schon 5.400 Gramm wog. Aber nicht nur für das leibliche Wohl sorgte der Tierpfleger. Unermüdlich spielte er mit dem kleinen Eisbärenkind und musste die bei Kindern üblichen Tobsuchtsausbrüche ertragen. Dörflein brachte Knut das Trinken bei, später zeigte er ihm, dass man im Wasser schwimmen kann.

Nach 75 Tagen lernte Knut das Fressen aus dem Napf.

Knut ist auf diesem Foto drei Monate alt.

Nach dreieinhalb Monaten war es endlich soweit: Knut wurde am 23. März 2007 zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorgestellt! Die Braunbären mussten ihre Anlage verlassen, damit Knut und sein Ziehvater ihren mit großer Spannung erwarteten ersten Ausflug machen konnten. Der inzwischen schon zehn Kilo schwere weiße Bär wurde von so vielen Pressevertretern empfangen, die sonst kaum ein prominenter Staatsgast anlockt. 500 Journalisten und 100 Kamerateams erwarteten ihn. Aber auch die Berliner waren so zahlreich vertreten, dass schon bald Gitter aufgestellt wurden, um die Besucherströme zu ordnen. In den ersten Tagen waren Knut und sein Pfleger Dörflein täglich von 11.00 bis 13.00 Uhr zu sehen. Um es möglichst vielen Besuchern zu ermöglichen, Knut zu erleben, wurden dann zwei Besuchszeiten eingeführt, von 11.00 bis 12.00 Uhr und noch einmal von 14.00 bis 15.00 Uhr. Die Zuschauer waren begeistert und kamen teilweise von weit her. Sicher, jeder musste längere Zeit warten, bevor er für ungefähr zehn Minuten Knut sehen durfte. Dann wurden die nächsten Besucher am Braunbärengehege vorbeigeführt. Aber unter den Wartenden herrschte eine fröhliche Stimmung, alle freuten sich auf Knut. Für die Kinder gibt es bis heute eine extra Absperrung weiter vorne und manch ein Erwachsener war neidisch, denn nur die Kinder konnten sehen, wie der kleine Knut vergnügt badete. So eine allgemeine Begeisterung gab es in Berlin das letzte Mal bei der Verhüllung des Reichstages durch Christo und Jeanne-Claude.

Mittlerweile ist Knut fast so groß wie sein Ziehvater Thomas Dörflein …

… und das Spielen der beiden miteinander nicht mehr ganz so ungefährlich, denn der „kleine“ Eisbär hat inzwischen Bärenkräfte entwickelt.

Auch in der Bundesregierung wurde man auf Knut aufmerksam und so fand sich in Bundesumweltminister Sigmar Gabriel ein prominenter Pate für Knut. Gabriel beschloss sogleich, das Berliner Eisbärenkind zum Maskottchen der UN-Naturschutzkonferenz im Mai 2008 zu machen. „Ich freue mich über diese Patenschaft ganz besonders, denn kaum ein Tier symbolisiert die Folgen des Klimawandels so deutlich wie der Eisbär. Ohne Eis kein Eisbär“, erklärte der Umweltminister. Sollte ein kleiner Berliner Eisbär es schaffen, die weltweite Klimaerwärmung in die Köpfe der Menschen zu bringen? Die heute in der Arktis lebenden Eisbären sind vom Aussterben bedroht, es liegen Berechnungen vor, dass die Arktis im Jahre 2080 eisfrei sein wird. Mit dem Geld, das der Berliner Zoo aus Verkäufen von Knut-Souvenirs einnimmt, wird auch ein Schutzprojekt für kanadische Eisbären unterstützt. Der Zoo hat es sich zum Ziel gemacht, unermüdlich auf die Vernichtung von Lebensräumen aufmerksam zu machen.

Thomas Dörflein spielt vor den Zoobesuchern mit Knut, viele sprachen von der „Knut-Show“.

Die Firma Steiff hatte bereits im April 2007 als erster Kooperationspartner des Zoos eine Knut-Sonderkollektion mit Plüscheisbären entworfen. Teile des Verkaufserlöses gehen in das vom Zoo ebenfalls unterstützte „Arktis-Schutzprojekt“. Im Radio hört man derweil manchmal den Song „Knut, der kleine Eisbär“, gesungen von der neunjährigen Kitty aus Köpenick. Und auf der größten deutschen „Knut-Community-Seite“ im Internet findet man unter http://youknut.com von Gedichten über Fotos alles über Knut. Sogar in der virtuellen Welt von Second Life ist Knut zu finden. Da muss kaum erwähnt werden, dass es inzwischen auch Bücher und CDs über den pelzigen Star gibt. Für die Porzellanliebhaber stellt die Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin kleine Eisbären aus feinstem Porzellan her.

Im Juni 2007 wurde wahr, was irgend wann kommen musste: das Ende der täglichen „Knut-Show“ im Zoo. Die zweistündigen Auftritte des Eisbären mit Pfleger Dörflein wurden eingestellt. Knut wurde zu schwer und zu gefährlich, das tägliche Spielen mit Thomas Dörflein vor dem Zoopublikum hatte ein Ende. Abseits vom Publikum hat Knut jedoch weiterhin Kontakt zu seinem Ziehvater. Aber jetzt erfolgt über einen längeren Zeitraum die notwendige Entwöhnung. Eisbärenmütter säugen ihre Kinder rund zwei Jahre lang und es wird sich zeigen, wie Knut damit zurecht kommt, dass der innige Kontakt zu seinem Pfleger nicht mehr möglich ist. Thomas Dörflein, der selbst einen 16-jährigen Sohn und eine 20 Jahre alte Tochter hat, sagt, dass er die Zeit mit Knut intensiver erlebt hat als mit seinen Kindern in diesem Alter. Die schönsten Fotos von Knut sammelt er und auch die Milchzähne – wie ein richtiger Papa. Dörflein hat eine für ihn ungewohnte Prominenz erfahren. Er erhält Liebesbriefe, Lieder, Gedichte und Autogrammwünsche aus der ganzen Welt.

Auch wenn Knut nicht mehr der kleine Eisbär ist: Er hat die Herzen der Menschen erobert und die Berliner fühlen immer mit, wenn sie durch die Medien erfahren, dass Knut Zahnschmerzen hat oder sich in der Nacht einen Fuß verletzt hat. Im Juli wurde der einmillionste Besucher gefeiert, der seit dem 23. März 2007 den Zoo besucht hat. Der Direktor von Zoo und Tierpark, Dr. Bernhard Blaszkiewitz, sagt: „Dass Knut ein solches Medien- und Besucherecho auslöst, das hätte ich nach 33 jähriger Tiergärtnerei nicht erwartet.“


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