Ein neuer architektonischer Glanzpunkt in Berlin

Der Glashof von Daniel Libeskind im Jüdischen Museum

_von Heike Kröger_

Daniel Libeskind ist es erneut gelungen, eine architektonische Attraktion zu schaffen: Seine Hofüberdachung für den Museumsaltbau des Jüdischen Museums ist einmalig. Das Museum hat nicht nur einen zusätzlichen Saal für Veranstaltungen gewonnen, sondern auch eine neue Touristenattraktion.

Die Gäste schauten bei der festlichen Eröffnungsgala am 25. September 2007 meistens nach oben und reckten ihre Hälse. Glas und Stahl überspannt den 1735 von Philipp Gerlach errichteten Bau. Libeskind wollte deutlich sichtbar machen, dass es sich um eine spätere Ergänzung zum Kollegienhaus handelt. Gleichzeitig erkennt jeder Betrachter die Verwandtschaft zum Neubau des Jüdischen Museums.

Blauer Himmel strahlt über dem Hof.

Seit seiner Eröffnung im Jahr 2001 erfreut sich das Museum ungebrochener Beliebtheit. Im Durchschnitt werden täglich fast 2.000 Menschen begrüßt, die sich über deutschjüdische Geschichte und Kultur informieren möchten. Doch dieser Strom an Besuchern verursachte Museumsdirektor W. Michael Blumenthal auch Kopfzerbrechen. Zeitweilig waren die Besucherströme am Eingang nur schwer zu steuern. Auch bei seinen anspruchsvollen kulturellen und pädagogischen Aktivitäten übertraf das Museum alle Erwartungen und stieß immer wieder an Kapazitätsgrenzen. Museumsdirektor Blumenthal suchte nach einem Ausweg aus der Situation und entwickelte eine geniale Idee: Der Hof des Altbaus, der nur im Sommer genutzt werden konnte, könnte überdacht werden. Blumenthal schwebte dafür eine Sukkah, eine Laubhütte vor. Mit sehr konkreten Vorstellungen im Gepäck traf er sich mit dem Architekten des Museumsneubaus, Daniel Libeskind, in New York. Der Hof sollte das ganze Jahr über für die verschiedensten Anlässe zu nutzen sein und natürlich über eine hervorragende Akustik verfügen. Nicht ganz unwesentlich war auch die Vorgabe, dass das Vorhaben nur wenig kosten sollte. Mit diesen Vorgaben machte sich Libeskind an die Arbeit.

Faszinierende Abendstimmung.

Er schuf einen Entwurf, der sofort begeisterte. Das Glasdach, das den U-förmigen, 670 Quadratmeter großen Innenhof des Altbaus überdecken würde, soll von vier freistehenden Stützenbündeln aus Stahl getragen werden, die sich an einer Laubhütte orientieren. Wie Bäume würden sie in den Himmel ragen, das Dach auf ihren Kronen tragend. Eine Glasfront zum Museumsgarten hin gäbe den Blick nach draußen frei. „Selbsttragend, wie ein freistehender Tisch auf vier Beinen,“ beschreibt Projektarchitekt MatthiasReese das Prinzip des Glashofes. Dieser Entwurf lag 2005 vor und sollte so schnell wie möglich umgesetzt werden.

Die Eröffnung des Glashofes.

Nicht nur die Ausführung des Bauprojektes galt es zu stemmen. Michael Blumenthal ist es zu verdanken, dass er das große Thema der Finanzierung gelöst hat. In nur anderthalb Jahren hat er großzügige Spender und Sponsoren gefunden, die bereit waren, sich zu engagieren. Die Bundesregierung beteiligte sich mit 2,5 Millionen Euro an dem insgesamt 8,2 Millionen Euro teuren Bauprojekt.

Für die Statiker brachte die asymmetrische Geometrie des Libeskind-Entwurfs besondere Anforderungen mit sich. Und die Fertigung der verästelten und abgewinkelten Stützenbündel aus Stahl verlangte komplizierte Einzelanfertigungen. Die Stützen wurden zunächst individuell aus Stahlblechen geschweißt. Die Dachträger wurden erst auf der Baustelle in Dachebene zusammengesetzt und verschraubt. Das Gewicht der Stützen und der Dachträgersegmente machte dabei einen Kran mit 200 Tonnen Tragfähigkeit erforderlich.

Die Bauarbeiten gestalteten sich als schwierig. Der Museumsbetrieb lief unterdessen weiter

Der neue Glashof korrespondiert in der Architektur mit dem zinkverkleideten Libeskind-Bau. Während sich aber der Zickzackgrundriss des Museums auf die Spannungen und Brüche der deutsch-jüdischen Geschichte bezieht, ist der überdachte Hof in Anlehnung an eine Sukkah ein Ort geselliger Zusammenkunft. Libeskind erzählte während der glanzvollen Eröffnung, dass sein Sohn seine Hochzeit in dem neuen Raum feiern wolle. Die gute Akustik konnte bei der Einweihung schon einmal unter Beweis gestellt werden, das Jerusalem Chamber Music Festival Ensemble spielte für die Gäste Werke von Johannes Brahms und Hanns Eisler. Nach dem Musikgenuss wurden die Stühle für die 500 Gäste von – fast – unsichtbaren Händen entfernt und in einem festlichen Empfang fand der Abend seinen Ausklang. Unter den Gästen waren Staatsminister Bernd Neumann, Architekt Jan Kleihues und Schauspielerin Iris Berben. Am darauffolgenden Wochenende durften die Berlinerinnen und Berliner den neuen Innenhof bei freiem Eintritt besichtigen und sich von seiner Faszination anstecken lassen.


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