Von „Mama Beer“ und anderen Berliner Berühmtheiten

Die Stiftung Stadtmuseum Berlin erzählt Berlingeschichte

_von Alice Uebe, Sammlungsleiterin
Hans-und-Luise-Richter-Stiftung
im Stadtmuseum Berlin_

Johann Carl Kretschmar, Porträt Amalie Beer, um 1802

Johann Carl Kretschmar, Porträt Amalie Beer, um 1802

Sagt Ihnen der Name Knautschke etwas? So hieß ein legendäres Flusspferd im Berliner Zoologischen Garten. Es hätte den 2. Weltkrieg wie viele andere Zootiere nicht überlebt, wenn die Berlinerinnen und Berliner ihm nicht täglich ihre Gemüseabfälle gebracht hätten. Als Knautschke 1988 starb, beeilten sich die Fachleute, seine sterbliche Hülle der Nachwelt zu erhalten. Die sterbliche Hülle ebenso wie das Gipsmodell gehören zu den 4,5 Millionen Objekten der Stiftung Stadtmuseum Berlin, die seit 1995 die Museen und Sammlungen zur Berliner Stadtgeschichte aus dem ehemaligen Ostteil wie dem ehemaligen Westteil der Stadt zusammenfasst: hier sind sie alle beisammen, die Berliner Berühmtheiten, ihr Wirken und Werk und ihre Hinterlassenschaften. Die Stiftung Stadtmuseum Berlin, mit ihrer ältesten Vorläufereinrichtung 1874 gegründet, bewahrt und pflegt ihr Erbe und stellt es in Dauer- und Sonderausstellungen aus. Die Bandbreite und Tiefe der Einzelsammlungenund die Ausstellungsflächen in unterschiedlichen Häusern machen sie zum größten Stadtmuseum Deutschlands, wenn nicht
sogar Europas.
Die in der Stiftung Stadtmuseum Berlin zusammengefassten Museen und Einrichtungen sind auch lebendiger Ausdruck des Interesses, das die Berlinerinnen und Berliner ihrer Geschichte entgegengebracht haben und bringen. Sie sind vor allem Bürgergründungen, und auch heute noch wird ihre Arbeit von engagiert arbeitenden Fördervereinen begleitet. Die Geschichte der im Stadtmuseum Berlin bewahrten Sammlungen ist außerdem geprägt von Stiftungen, die in entscheidendem Maße dazu beitragen, Berlingeschichte anschaulich werden zu lassen. Eine herausragende Stellung nimmt die Hans-und-Luise-Richter-Stiftung (HLRS) ein, die 2000 als eigene unselbständige Stiftung innerhalb des Stadtmuseums Berlin gegründet wurde. Ihre rund 2000 Objekte aus dem Nachlass einer Berliner Familie jüdischen Ursprungs, die – aus Wien vertrieben – 1671 vom Großen Kurfürsten in Berlin angesiedelt wurde, legen beredt Zeugnis ab vom Wirken der deutschjüdischen Berlingeschichte ebenso wie vom andauernden großzügigen Mäzenatentum. Mitglieder dieser Familie haben auf den verschiedensten Feldern Herausragendes geleistet. Das Stadtmuseum hat sie 2004 in einer großen Ausstellung und Publikation gewürdigt: „Juden Bürger Berliner. Das Gedächtnis der Familie Beer-Meyerbeer-Richter“. Im Märkischen Museum wird ein Teil dieser Ausstellung dauerhaft gezeigt, darunter die Familienporträts, der Thoravorhang und Meyerbeer-Memorabilia.

Giacomo Meyerbeer (1791-1864), Büste von Dantan, 1864

Giacomo Meyerbeer (1791-1864), Büste von Dantan, 1864

Das älteste Objekt der Stiftung ist das Testament Liepmann Meyer Wulffs von 1812, ein eindrückliches Zeugnis von Glaubenstreue und Familiensinn ebenso wie von erheblichem Wohlstand der Familie; zu den jüngsten Objekte zählt die Akte, die sein Ururenkel Hans Richter bei seinem Wiedergutmachungsverfahren wegen seiner Verfolgung durch die NS Rassengesetze als sog. Mischling 1. Grades kurz nach 1945 anlegte, und ein Zettel in russischer Sprache, der den Soldaten der Roten Armee die Plünderung im Wohnhaus Hans Richters untersagt. Nach ihm und seiner zweiten Frau Luise ist die Stiftung benannt, sie haben den Nachlass trotz eigener Gefährdung während der NS-Zeit bewahrt. Der Senat von Berlin hat ihr Grab deshalb zum Ehrengrab erklärt. Demnächst wird der Grabstein des berühmten Nietzsche-Forschers Raoul Richter, ein Bruder von Hans Richter, auf das Ehrengrab verlagert werden.

Thoravorhang aus dem Nachlass der Familie, osmanisch, 19. Jh.

Thoravorhang aus dem Nachlass der Familie, osmanisch, 19. Jh.

Der berühmteste Sohn der Familie ist aber Giacomo Meyerbeer, der im musikalischen Salon seiner Mutter Amalie Beer seine ersten Schritte als Wunderkind machte. Diese Amalie Beer war in Berlin sprichwörtlich als „Mama Beer“ bekannt, die keinen Bittsteller von der Tür wies. Ihr eindrucksvolles Porträt war im vergangenen Jahr die Ikone einer Ausstellung über jüdische Salons im Jewish Museum New York und im MacMullan Museum in Boston.
Für das nächste Projekt der Hans-und-Luise-Richter-Stiftung fehlen der Stiftung Stadtmuseum Berlin leider bisher die finanziellen Mittel. Es gilt einen nur teilweise erschlossenen Schatz endgültig zu heben und zu veröffentlichen: die rund 900 Briefe an Cornelie, die jüngste Tochter Meyerbeers, und ihren Mann, den zu seiner Zeit berühmten Porträtisten und Orientmaler Gustav Richter. Die Liste der Absender ist beeindruckend; sie umfasst das gesamte Spektrum der Berliner Gesellschaft der Zeit zwischen ca. 1880 und 1920 von der Kronprinzessin Victoria, der späteren Kaiserin Friedrich, und höch-sten Beamten am Hof über Wissenschaftler- und Künstlerkreise bis zur Korrespondenz mit den Angestellten.


Präsentation der Hans-und-Luise-Richter-Stiftung im Märkischen Museum | Stiftung Stadtmuseum
Berlin
Am Köllnischen Park 5
10179 Berlin
Tel.: 49 30 24002-162 (Infoline)
E-Mail: info@stadtmuseum.de
www.stadtmuseum.de