Meine Mutter wurde im Jahre 1919, im Auftrag ihres Stiefvaters Ludwig Grün, von Max Liebermann porträtiert. Sie war damals 23 Jahre alt. Das Bild hing in unserer Wohnung am Kurfürstendamm, die wir, durch die Umstände, Anfang 1935 verlassen mussten. Die gesamte Einrichtung der 7-Zimmer-Wohnung wurde versteigert, dieses Bild jedoch nicht. Wir zogen dann kurz in eine kleinere Wohnung, aber schon im Juli 1935 wanderte ich mit meiner Mutter nach Palästina aus. Meine Eltern ließen sich scheiden und mein Vater blieb in Berlin. Er behielt das Bild bis zu seiner Deportation nach Auschwitz.
Nach dem Krieg erhielt meine Mutter, völlig überraschend, eine Sendung aus Berlin, von einem ehemaligen Angestellten meines Vaters, der ein ihr von meinem Vater anvertrautes Päckchen den ganzen Krieg über bewahrt hatte. In diesem Päckchen befand sich unter anderem auch das Liebermann Portrait meiner Mutter.
Wegen unserer damals sehr schwierigen finanziellen Lage beschloss meine Mutter, das Bild zu verkaufen. Sie bot es mehreren israelischen Museen erfolglos an. Da ich noch sehr jung war, interessierte ich mich nicht weiter dafür und wusste auch nicht, an wen sie es letztendlich verkauft hatte.
Anfang 2005 erfuhr ich durch einen Zeitungsartikel in Israel, dass eine Ausstellung von Liebermann Bildern in Hamburg stattfand, die dann in das alte Museum nach Berlin gebracht wurde. Ich setzte mich in Verbindung und fügte ein Foto des Porträts, das ich noch von meiner Mutter hatte, bei. Ich erhielt eine sehr nette Antwort der Kuratorin des Museums, die schrieb, dass sie das Bild entdeckt hatte. Es figurierte in einem Katalog von Matthias Ederne über das Werk Max Liebermanns und befände sich momentan im Museum „Mishkan Leomanut“ im Kibbutz Ein-Charod.
Von dort hörte ich, dass das Bild zur Neueröffnung des Museums in Yad-Wa-Schem für ein Jahr entliehen war. Bei meinem nächsten Besuch in Israel fuhr ich nach Jerusalem und besuchte das Museum. Das Bild ist in einem Raum ausgestellt, der das Leben in Deutschland vor dem Holocaust zeigt. Nach einem Jahr wird es nach Ein-Charod zurückkehren.
Es wäre schön, wenn es auch einmal in Berlin, vielleicht in dem neuen Museum in Wannsee, oder auch im Jüdischen Museum, ausgestellt werden würde.