Die Ullstein Buchverlage zurück in Berlin

_von Christian Seeger,
Programmleiter Propyläen Verlag_

Der Verlag bezog 2004 Quartier in einem alten Gymnasium.

Der Verlag bezog 2004 Quartier in einem alten Gymnasium.

„Ullstein und Berlin, das war im Buchgeschäft über viele Jahrzehnte ein Synonym. Die Familie Ullstein und ihre Verlage haben der Buchkultur der Stadt und des Landes maßgebliche Impulse gegeben. Solch tiefreichende Wurzeln soll man auch und gerade im Zeitalter der vielzitierten Globalisierung nicht ohne Not kappen, erst recht nicht in Zeiten, in denen Berlin einen fruchtbaren kulturellen Boden bietet wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Nun ist der Verlag nach einem kurzen Intermezzo in München wieder zurückgekehrt an den Ort seiner Gründung.

Der Name Ullstein und die lange Tradition der Ullstein Buchverlage verpflichten. Wie in der ersten großen Blütezeit des Hauses vor 1933 wollen wir mit unseren Buchprogrammen auch heute Spiegel des kulturellen und politischen Lebens der Stadt und unseres Landes sein sowie Forum für neue Ideen, literarische Trends, öffentliche Debatten und interessante Autoren aus aller Welt. Liberalität, Toleranz, Weltoffenheit – dieser Dreiklang prägte den Geist des alten Ullstein-Hauses; er ist auch Leitmotiv für die neu entstandene Verlagsgruppe, die nun an der nördlichen Friedrichstraße inmitten des alten Berlins Quartier genommen hat. Dass es ein ehemaliges Gymnasium ist, in dem jetzt der Ullstein-Geist weht, sehen wir als treffliche Fügung: Wo einst der Umgang mit Sprachen, mit den Musen, den Wissenschaften, aber nicht minder mit den Zahlen gelehrt und gelernt wurde, bewahrt das Mauerwerk einen Genius loci, von dem wir uns gern inspirieren lassen.“ Viktor Niemann, Verleger der Ullstein Buchverlage

Die Geschichte

Nach großen Erfolgen im Zeitungsgeschäft gründet die Familie Ullstein am 1. September 1903 den Ullstein Buchverlag in Berlin. Man will „Großes, Bleibendes“ schaffen und bedient von Anfang an das gesamte Programmspektrum von der leichten Unterhaltung bis zum seriösen Sachbuch. Zum Programmverantwortlichen wird Emil Herz bestellt, der nach über dreißig Jahren erfolgreicher Tätigkeit 1934 von den Nazis entlassen wird. Erste Erfolge sind die von 1908 bis 1910 herausgebrachte 6-bändige Ullstein Weltgeschichte, aber auch schon Biographien und Unterhaltungsromane. 1910 sorgt die erste Billigpreis-Buchreihe „Rote Ullstein-Bücher“ für je eine Mark für Aufsehen.

Nach Gründung des Propyläen Verlags 1919 und des Theaterverlags Arkadia 1924 steigt Ullstein zum führenden deutschen Buchverlag auf. Autoren wie Bertolt Brecht, Carl Zuckmayer, Lion Feuchtwanger, Ödön von Horvath, Gerhart Hauptmann und Heinrich Mann werden gewonnen. 1928/29 kann der Verlag zwei Welterfolge landen: Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“, von dem allein im ersten Jahr über eine Million Exemplare abgesetzt werden, und Vicki Baums Roman „Menschen im Hotel“, ebenfalls ein internationaler Millionenerfolg.

1934 werden die Ullsteins vom NS-Staat gezwungen, ihr Unternehmen zu verkaufen. Die Familie emigriert. Der Verlag wird 1937 dem nationalsozialistischen Eher-Verlag einverleibt und in „Deutscher Verlag“ umbenannt. Die Bemühungen der Familie Ullstein, nach dem Krieg ihre Buchverlage zurückzubekommen und an alte Erfolge anzuknüpfen, gestalten sich schwierig. Dependancen entstehen in Wien, Berlin und Frankfurt am Main. 1952 werden sie zusammengeführt, ein Jahr später nimmt in Frankfurt der Ullstein Taschenbuchverlag die Produktion auf. Große Erfolge dieser Jahre sind Thor Heyerdahls „Kontiki“, Heinrich Harrers „Sieben Jahre in Tibet“ und Françoise Sagans Roman „Bonjour Tristesse“. 1959 erwirbt der Zeitungsverleger Axel Springer mit den Ullstein-Zeitungen auch den Ullstein Buchverlag und Propyläen. Vier Jahre lang, von 1959 bis 1963, leitet Albrecht Knaus, der später einen eigenen Verlag gründet, den Ullstein Verlag, der mittlerweile – wegen der zugespitzten politischen Lage in Berlin – großenteils in Darmstadt residiert. Knaus begründet die Erfolgsgeschichte von Christine Brückner bei Ullstein und erwirbt lukrative Lizenzen, etwa des amerikanischen Bestsellerautors Arthur Hailey.

Das neue Verlagshaus in der nördlichen Friedrichstraße.

Das neue Verlagshaus in der nördlichen Friedrichstraße.

1963 tritt Wolf Jobst Siedler die Nachfolge von Knaus als verlegerischer Geschäftsführer von Propyläen, zwei Jahre später auch von Ullstein an. Er leitet die Verlage bis 1979 und führt sie zu einer zweiten Blütezeit. Mitte der 60er Jahre holt Springer Ullstein an seinen Berliner Stammsitz zurück und gibt die Standorte in Darmstadt und Frankfurt auf. Der Verlag feiert mit deutscher und amerikanischer Unterhaltungsliteratur Erfolge, das Ullstein Taschenbuch expandiert und wird zeitweise zu einer der erfolgreichsten Taschenbuchmarken in Deutschland. Nach Siedlers Weggang erleben die Ullstein Buchverlage zwei wechselvolle Jahrzehnte mit großen Erfolgen, aber auch viel Schatten. Unter der Verbindung mit dem Münchener Verleger Herbert Fleissner und seiner Langen-Müller-Verlagsgruppe (1985–1995) leidet vor allem das Taschenbuch, in das kaum noch investiert wird. Heftig umstrittene zeitgeschichtliche Publikationen schaden dem Ruf des Hauses. Schließlich beendet der Axel-Springer-Verlag diese Liaison, um sich nach einem kurzen Münchener Intermezzo unter Leitung von Christian Strasser im Jahre 2003 endgültig von den Buchverlagen zu trennen. Der Verkauf an den schwedischen Bonnier-Konzern bringt dessen Deutschland-Repräsentanten Viktor Niemann wieder in die Verantwortung für die Ullstein Buchverlage, die er bereits in den 80er Jahren innegehabt hatte. Viktor Niemann holt Ullstein nach Berlin zurück und gründet dort 2004 die Ullstein Buchverlage GmbH. Bewusst will er an die große Tradition des Ullstein Verlags anknüpfen und ihn samt seinen Schwesterverlagen in die erste Reihe der großen deutschen Publikumsverlage zurückführen.

Zu den Ullstein Buchverlagen gehören heute neben dem Ullstein Verlag auch die Verlage Allegria, Claassen, Econ, List, Marion von Schröder und Propyläen.


Ullstein Buchverlage
Friedrichstraße 126
10117 Berlin
Tel. 49 30 23456300
Fax 49 30 23456303
www.ullstein.de