Sightseeing im Fünf-Minuten-Takt

Eine Stadtrundfahrt mit dem 100er Bus

_von Robert Rädel_

Berlin ist beliebt. Im letzten Jahr konnten fast 6 Millionen Besucher in der Hauptstadt begrüßt werden, und die Hotels an der Spree freuten sich über 13 Millionen Übernachtungen. Das ist ein neuer Rekord, denn fast 16 % mehr Touristen als im vergangenen Jahr haben den Weg ans Brandenburger Tor gefunden. Vielleicht hat es etwas mit den zahlreichen Museen, Theatern, Opern, Messen und Konzerten und den vielen täglichen Events zu tun, die die Stadt bietet. Oder mit der preiswerten Verkehrsanbindung durch die zahlreichen „Billigflieger“, die fast im Minutentakt auf den Flughäfen Tegel und Schönefeld landen und die Gäste in kürzester Zeit nach Berlin bringen. Vielleicht sind aber auch einfach nur Berlins Ruf als moderne und kreative Metropole, die wechselhafte Geschichte und die ständige Erneuerung der Stadt der Grund dafür, dass der Tourismus boomt und die deutsche Hauptstadt inzwischen eines der beliebtesten Ziele für Städtereisen in Europa ist.

Die Stadtrundfahrt beginnt am Zoologischen Garten.

Die Stadtrundfahrt beginnt am Zoologischen Garten.

Wer als Besucher nach Berlin kommt, möchte natürlich in kürzester Zeit so viel sehen wie möglich. Da drängt sich eine Stadtrundfahrt mit dem Bus geradezu auf. Und in der Tat wird man nicht lange suchen müssen, wie in jeder anderen Großstadt kann man zwischen vielen Alternativen wählen. Aber es gibt noch eine besondere Möglichkeit, eine Bustour entlang zahlreicher Berliner Sehenswürdigkeiten zu machen: Der Doppeldeckerbus der Linie 100 der Berliner Verkehrsbetriebe fährt vom Zoologischen Garten bis zum Alexanderplatz, und mit einem Fahrschein für 2,10 Euro kann man zwei Stunden lang ein und aussteigen und einige der schönsten Orte der Berliner Innenstadt erkunden.

Los geht’s am Zoo, dem ältesten Deutschlands, in der Nähe von Ku’damm und Gedächtniskirche. Der Andrang ist groß, eine riesige Menschentraube drängelt sich vor der Einstiegstür des Busses. Aber mit etwas Glück schafft man es, den besten Platz im Bus zu bekommen: im Oberdeck, ganz vorne. Die Glasfront ermöglicht eine wunderbare Aussicht nach allen Seiten, so verpasst man garantiert nichts. Auch von den hinteren Plätzen sieht man genug – aber Oberdeck ist Pflicht.

Der Bus fährt nun vorbei am Europa-Center in Richtung Lützowplatz und Nordische Botschaften. Von hier aus kann man schon den Großen Stern mit der Siegessäule erkennen. Wer möchte, kann aussteigen und die Plattform der „Goldelse“ besteigen, ansonsten fährt der Bus weiter zum Bundespräsidialamt und zum Schloss Bellevue, dem Amtssitz des Bundespräsidenten. Das Schloss wurde 1785/86 als erstes Berliner Schloss im Stil des Klassizismus erbaut, nun empfängt hier der Bundespräsident Staatsgäste.

Vorbei an der Siegessäule fährt der Bus weiter zum Bundespräsidialamt und zum Schoss Bellevue

Vorbei an der Siegessäule fährt der Bus weiter zum Bundespräsidialamt und zum Schoss Bellevue

Es geht weiter durch die „grüne Lunge Berlins“, den Tiergarten, in Richtung Regierungsviertel. Am Spreeufer erstreckt sich ein langer Ziegelbau, der als „Abgeordnetenschlange“ bekannt ist. Diese Wohnungen wurden für die von Bonn nach Berlin gezogenen Politiker gebaut. Unverkennbar ist auch das Haus der Kulturen der Welt, von den Berlinern gern „Schwangere Auster“ genannt. Direkt dahinter steht das imposante neue Bundeskanzleramt. Auch für dieses Gebäude haben die Hauptstädter einen leicht respektlosen Spitznamen: „Waschmaschine“ – eine Anspielung auf die ovalen Öffnungen des Hauses.

Ein architektonischer Höhepunkt der Sightseeingtour mit dem Linienbus ist das Reichstagsgebäude. Dieses geschichtsbeladene Gebäude wurde 1999 nach einem Umbau durch den Architekten Sir Norman Foster wieder eröffnet und beherbergt heute das Parlament, den Deutschen Bundestag. Gleichzeitig ist es aber auch ein beliebter Touristenmagnet. Die imposante Glaskuppel bietet einen Panoramablick über die Umgebung und ist nachts eindrucksvoll beleuchtet. Besucher müssen sich allerdings auf lange Warteschlangen vor der großen Treppe einrichten.

Der Bus hält auch vor dem Berliner Dom.

Der Bus hält auch vor dem Berliner Dom.

Nun bietet es sich an, den Bus zu verlassen und ein paar Meter zu Fuß weiter zu gehen. Das Wahrzeichen der Stadt, das Brandenburger Tor, lädt dazu ein, hindurchzuspazieren und den runderneuerten Pariser Platz mit der Französischen Botschaft, der Akademie der Künste und dem Hotel Adlon zu bewundern. Sodann schließt sich die Prachtallee Unter den Linden an. Nirgends in der Stadt liegen so viele berühmte Gebäude so nah beieinander. Hier lohnt es sich auch wieder, in den 100er Bus einzusteigen, die Füße zu schonen und entspannt weiterzufahren. Wir passieren die Russische Botschaft, die Komische Oper, die Staatsbibliothek, die Humboldt-Universität, die Neue Wache, den Bebelplatz, die Staatsoper, das Kronprinzenpalais, das Deutsche Historische Museum im Zeughaus und die wieder aufgebaute Kommandantur.

Wenn die Kräfte es noch hergeben, ist der Lustgarten der ideale letzte Ausstieg. Von hier aus schlendert man dann vorbei am Berliner Dom und über die Spree in Richtung Alexanderplatz. Dort ragt der Fernsehturm, mit 368 Metern das höchste Bauwerk der Metropole, in den Himmel über Berlin. In der Kugel befindet sich eine Aussichtsebene mit einem Café, das sich dreht – so kann man bei Tee und Kuchen Berlin von oben bewundern.

Fazit: Wer gut und günstig auf eigene Faust viele Sehenswürdigkeiten sehen möchte, der ist mit dem 100er Bus bestens bedient. Einen kleinen Haken hat die Sache leider: Fachkundige Erklärungen gibt es im Bus nicht. Dem Gerücht zufolge soll es jedoch einige Busfahrer geben, die während der Fahrt Durchsagen machen. Auf jeden Fall: gute Fahrt und einen grandiosen Ausblick vom Oberdeck des 100er Busses.


Der Autor studiert Politikwissenschaft und hat ein Praktikum in der Redaktion von _aktuell_ absolviert.