Die Museumsinsel verwirklicht die besten Traditionen der deutschen Bildungsgeschichte, nämlich die Künste und Kulturen der Welt zum Vergnügen und Nutzen möglichst vieler Besucher zu erhalten, zu erforschen und zugänglich zu machen. Im Hinblick auf die enge Verknüpfung der Berliner Museumsgeschichte mit der deutschen Geschichte hat die Museumsinsel mithin ein Doppeltes bewirkt: Sie stiftete den Deutschen nicht zuletzt dank der seit 1865 bereits geplanten Nationalgalerie ein anschauliches Bewusstsein ihrer nationalen Einheit im Bereich der Kultur, Jahre bevor diese Einheit 1871 im politischen Leben Wirklichkeit wurde. Und weiterhin durften sich die Deutschen auf der Museumsinsel als wirkliche Kosmopoliten im Reich der Kunst, als die Begründer, die Hüter und die Bewohner eines einzigartigen Kosmos der Künste und Kulturen der Welt empfinden.
Mit ihren insgesamt 17 Museen, ihren vier Forschungsinstituten und ihrem unverändert universalen Anspruch, die Kunst und Kultur der ganzen Welt zu sammeln, dürfen die Staatlichen Museen zu Berlin als die umfangreichste Sammlung in Deutschland gelten und als das umfassendste der fünf großen Universalmuseen weltweit. Es versteht sich von selbst, dass für dieses so universale Sammlungskonzept der Staatlichen Museen zu Berlin selbst die von 1830 bis 1930 erbauten Museumstempel der Museumsinsel zu klein wurden. Deshalb haben sich die Staatlichen Museen über die Museumsinsel als den Ort für die europäische Kunst und ihre Vorläufer bis 1900 merklich ausgedehnt.
Das Kulturforum am Potsdamer Platz entwickelt sich zu einer zweiten Museumsinsel, einer zukünftigen Insel der Moderne für die Künste des 20. und 21. Jahrhunderts in der modernen Mitte Berlins. Dazu gehören auch der Hamburger Bahnhof als Museum für Gegenwart sowie die Sammlungen der klassischen Moderne in den beiden Stüler-Pavillons vis-à-vis vom Schloss Charlottenburg, das Museum Berggruen und ihm gegenüber demnächst auch das Museum Scharf-Gerstenberg für die Kunst von der französischen Romantik bis zum Surrealismus.
Die außereuropäischen Sammlungen in Dahlem, wo im Jubiläumsjahr kurz nach Nofretetes Einzug ins Alte Museum die Kunst Afrikas ihre Neupräsentation eröffnet, werden nach einem Beschluss des deutschen Parlaments zukünftig ihren Platz gegenüber der Museumsinsel auf dem Schlossplatz finden. Dann werden die europäischen Sammlungen auf der Museumsinsel mit den außereuropäischen Sammlungen auf dem Schloss-Areal im Herzen Berlins wie nirgendwo sonst in einen einzigartig engen Dialog treten können.
Mit diesem Dialog kehren die Berliner Museen dann höchst folgenreich genau an jenen Ort zurück, aus dem sie einst hervorgegangen sind, als sie noch keine öffentlichen Museen waren: die königliche Kunstkammer im Schloss. Sie hat sich unter der Obhut von Leibniz, dem ersten Philosophen der Aufklärung in Deutschland, zu einem ersten weithin gepriesenen und gerühmten Universalmuseum entwickelt, in dem die Antikensammlung mit der ägyptischen Sammlung und den Ethnologica aus Afrika, Amerika und Asien bereits seit langem vereint waren. Diese so universal ausgerichtete Kunstkammer im Berliner Schloss galt bereits damals als der führende Ort anschaulich aufgeklärter Weltkenntnis und Weltkompetenz.
Nichts anderes ist mit dieser Doppelkomposition Museumsinsel – Schlossareal, mit dem Dialog Europa – Außereuropa, als Ziel das Humboldt-Forum: Wilhelm für Europa – Alexander für Außereuropa, nichts anderes ist mit dieser nur in Berlin und nur mit den riesigen Berliner Sammlungen anschaulich darstellbaren Doppelkomposition gemeint als eben die Erfüllung genau dessen, was in der Nachfolge der königlichen Kunstkammer mit gleichem Aufklärungspathos bereits seit 175 Jahren auf dem Architrav von Schinkels Museum am Lustgarten inschriftlich zum Programm der Berliner Museen gemacht wurde: „Studio antiquitatis omnigenae et artium liberalium.“
Mit dem vorläufigen Einzug der Nofretete und der ägyptischen Sammlung ins Obergeschoss von Schinkels Museum, von wo sie in vier Jahren dann endgültig an ihren angestammten Platz im wiederhergestellten Neuen Museum zurückkehren wird, mit diesem Einzug Ägyptens über der Antikensammlung ist die Inschrift für Schinkels Museum wahrer geworden als je zuvor. Nicht nur die europäische Antike, sondern ebenso ihre Voraussetzungen in Ägypten – ex oriente lux – sowie die Bezüge des alten Ägyptens zur Skulptur Afrikas bis hin zur Kunst der Moderne, zu Giacometti oder Francis Bacon, all das macht die weit mehr auf die Kunst als auf die Kulturgeschichte ausgerichtete Neupräsentation der Ägyptischen Sammlung anschaulich deutlich. Schinkels Museum am Lustgarten verwandelt sich unter der zusätzlichen neuen Inschrift des italienischen Lichtkünstlers Maurizio Nannucci „All art has been contemporary“ plötzlich in jenes Universalmuseum der Weltkunst, von dem Schinkel, Goethe
und die kosmopolitischen Brüder Humboldt bereits geträumt haben, in einen einzigartigen Ort der Aufklärung und der Selbstaufklärung durch die Wahrnehmung, den Genuss und die Erforschung von Kunst.
Mit dem Einzug der Nofretete und der ägyptischen Sammlung in Schinkels Museum ist somit bereits eine wesentliche Etappe auf dem Weg zum Ziel der Staatlichen Museen zu Berlin erreicht: die Kunst und Kultur der ganzen Welt in der Mitte Berlins zu vereinen. Die Mitte Berlins als Ort universaler Aufklärung, als Ort der Weltkunst und der Weltkompetenz durch die Staatlichen Museen zu Berlin als dem größten existierenden Universalmuseum – nicht mehr, aber auch nicht weniger wünschen wir uns für Berlin, für diese so großartige und einzigartige Stadt und zum 175. Jubiläum der Staatlichen Museen zu Berlin.
Dass wir mit dem Einzug der Nofretete in Schinkels Museum den entscheidenden Schritt zum großen Ziel bereits jetzt vollziehen konnten, verdanken wir ganz der finanziellen Unterstützung durch unser Kuratorium Museumsinsel. Dafür sei dem Kuratorium unter seinem Vorsitzenden Henning Schulte-Noelle nochmals sehr herzlich gedankt!