Anfang April 2005 fand ein sehr gelungenes Klassentreffen in Jerusalem statt. Die circa 25 Schülerinnen und Schüler waren in der Theodor-Herzl-Schule in Berlin gewesen – der Organisator, Adin Talbar, gehörte natürlich auch dazu. Man war aus dem ganzen Land gerne gekommen, denn außer dem „sich Wiedersehen“ gab es einen besonderen Grund: Der Autor Martin-Heinz Ehlert aus Berlin stellte sich persönlich mit seinem Buch über Paula Fürst, der Direktorin der Schule von 1933–1938, vor: „Paula Fürst. Aus dem Leben einer jüdischen Pädagogin“.
Den Anstoß für diese zum Teil detektivische Arbeit hatte Talbar vor Jahren Ehlert gegeben, nachdem er feststellen konnte, wie sehr sich ehemals dieser Mann (beide sind Sportler) mit der mehrfachen Weltrekordlerin Lilly Enoch beschäftigt hatte, die völlig unbekannt in Deutschland später war, da sie als Jüdin nie erwähnt wurde. Nach gründlichen Recherchen kam Ehlert dann mit seiner Arbeit zum Wingate Institute, das noch nie von dieser außergewöhnlichen Sportlerin gehört hatte. Inzwischen gelang es dem Autor auch, dass ein neuer Sportplatz in Berlin ihren Namen trägt!
Zurück zur Schule. Sie wurde 1928 in den Räumen, die an die Synagoge in der Fasanenstraße anschlossen, für etwa 200 Kinder aus zionistischem Kreis eröffnet (und die Schreiberin dieser Zeilen ging dort gerne vier Jahre lang hin). Damals war Paula Nathan die bekannte und beliebte Direktorin. Sie verließ 1933 Deutschland und kam nach Palästina.
Paula Fürst, die mit Leo Baeck in der Reichsvereinigung war, bekam die schwierige Aufgabe, in den folgenden Jahren sich überhaupt um das jüdische Schulwesen zu kümmern. 1933 gab es noch 40 000 Schüler in Deutschland; 1939 nur noch 9000!
Paula Fürst wandte sich Anfang der 20er Jahre den Erziehungszielen und -methoden von Maria Montessori zu, nach denen sie bis 1933 unterrichtete, als alle Reformschulen in Deutschland geschlossen wurden, die bislang auch von vielen jüdischen Schülern besucht wurden. Bis 1932 waren an der jüdischen Volksschule, die 1934 in Theodor-Herzl-Schule umbenannt wurde, knapp 200 Schüler. Die Räume in der Klopstockstraße reichten nach dem Machtwechsel und dem Zustrom aus anderen Reformschulen nicht mehr aus. 780 Kinder wurden nach dem Umzug an den Kaiserdamm in umgebauten Fabrikräumen untergebracht. Paula Fürst, die neue Direktorin der Schule, musste sich sehr bemühen, passende zusätzliche Lehrer für die gewachsene Schülerzahl zu bekommen. Nachdem die Theodor-Herzl-Schule 1938 ihre Schüler entlassen musste, übernahm Paula Fürst im August 1939 einen Kindertransport nach England. Trotz eindringlicher Vorhaltungen ihrer Freunde in England kehrte sie nach Deutschland zurück und wurde Leiterin der Schulabteilung in der Reichsvereinigung. Bis Juni 1942 lebte Paula Fürst in Berlin und kümmerte sich um die verbliebenen jüdischen Kinder und Schüler. Am 26. Juni 1942 wurde sie mit dem 16. Transport mit 202 anderen Menschen nach Osten – Ziel unbekannt – verschickt.
Martin-Heinz Ehlert hofft mit diesem kleinen Band (es gibt nur wenige große wissenschaftliche Werke, die für das breite Publikum interessant sind) ein Fenster in eine Zeit zu öffnen, für die ein Einzelschicksal eindrucksvoll den Lesern die Probleme der Zeit bringt.
Die Anwesenden des Klassentreffens, die ja mit dem Autor Kontakt hatten und ihm durch Briefe halfen und ihm Dokumente zukommen ließen, waren hoch erfreut, diese intensive Forschungsarbeit überreicht zu bekommen.