Sehr geehrte Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin,
sehr geehrte Regierende Bürgermeisterin von Berlin,
sehr geehrter Herr Senator für Finanzen,
sehr geehrte Bürgermeisterin von Berlin,
sehr geehrter Bürgermeister von Berlin,
in der Absicht, den Haushalt des Landes Berlin und die Vorhaben der Regierungskoalition zu realisieren, steht unsere Stadt vor folgenreichen Entscheidungen.
Nachdem den Bezirken Berlins erst erhebliche Personalmittel in Höhe von über 26 Millionen Euro (Umsetzung Zukunftspakt Verwaltung) entzogen worden sind, sind uns als Leiterinnen der Abteilungen Finanzen Vorgaben gemacht worden, weitere 78 Millionen Euro einzusparen.
Unter diesen Umständen verfassungskonforme Bezirkshaushalte aufzustellen, wird immer unrealistischer. Sollte die langjährige strukturelle Unterfinanzierung der Bezirke erneut verschärft werden, würde dies in Zeiten zurückweisen, in denen Berlin weitaus schlechtere Rahmenbedingungen und niedrigere Steuereinnahmen zu verbuchen hatte.
Berlin ist in den letzten Jahren weiter gewachsen und die Bezirksverwaltungen sind darüber hinaus mit höheren Anforderungen konfrontiert. Viele dieser Probleme resultieren aus eben jenen Jahren: „Sparen, bis es quietscht.“ führte zum Verkauf von Immobilien, zu einem kolossalen Defizit an Schulplätzen, zum maroden Zustand vieler Gebäude, zu vernachlässigten Grünanlagen, zu einer verschlafenen Digitalisierung und einem Mangel an bezahlbarem Wohnraum.
Die Herausforderungen von Klimaanpassung und Verkehrswende ebenso wie die noch unabsehbaren Pandemiefolgen beispielsweise in der psychosozialen Versorgung drohen sich nun in diese Konsequenzen einer Haushaltspolitik einzureihen, die weder nachhaltig noch sinnvoll erscheint.
Die Lücke zwischen den jeden Tag zu bewältigenden Aufgaben und den zur Verfügung stehenden Ressourcen wird immer größer. Hinzu kommen immer weitergehende politische Wünsche und Projekte der Landesebene, die ohne ausreichende finanzielle Untersetzung von den Bezirken erbracht werden sollen.
Die Unterzeichner:innen dieser Erklärung weisen darauf hin, dass ein solches Vorgehen zwangsweise zu einer weiteren Einschränkung der bürgernahen Dienstleistungen, zu einer Verschlechterung der gesetzlich notwendig zu erbringenden Leistungen und zu einer massiven Kürzung soziokultureller Daseinsvorsorge führen wird. Denn über 100 Millionen Euro fehlen im unmittelbaren Dienst an den Bürger:innen, bei der Erfüllung von Rechtsansprüchen, bei der Servicequalität, in den Ordnungsämtern, den Grünflächenämtern, in der Bildung, bei Personalentwicklung und der Modernisierung des öffentlichen Dienstes als Arbeitgeber.
Mit dieser Haltung gegenüber der Ressourcenausstattung der Bezirke wird die Koalition ihre politischen Ziele – auch im Rahmen des 100-Tage-Programms – verfehlen. Qualitativ hohe Zielvereinbarungen zu Papier zu bringen und gleichzeitig den umsetzenden Bezirksverwaltungen die Finanzierung zu entziehen, ist ein unauflösbarer Widerspruch.
Der Verweis auf die in Summe der Bezirke vorhandenen Guthaben und Rücklagen verkennt, dass diese sehr unterschiedlich in den Bezirken überhaupt vorhanden sind. Solche Guthaben sind dann zur Minderung des Defizits in der Globalsummenzuweisung und für dringende Investitionen längst fest eingeplant. Rücklagen werden aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen gebildet und können nicht für Deckungslücken aufgelöst werden.
Wenn der Senat und das Abgeordnetenhaus den Weg der massiven Einsparungen weiterverfolgen, stehen die Bezirke erneut vor Entscheidungen, Investitionen in die Zukunftsfähigkeit zu streichen, Gebäude und Grundstücke zu veräußern und das Personal in den Bezirksverwaltungen dauerhaft zu überlasten.
Die Unterzeichner:innen dieses Appells sind – wie alle Bezirke – an einer guten Zusammenarbeit im Dienste für unsere Bürger:innen auf Augenhöhe interessiert. Das ist unser Verständnis von gutem Verwaltungshandeln. Dafür bitten wir Sie, umgehend über die Rücknahme der Einsparvorgabe und die Rückzahlung der bereits einbehaltenen Personalkosten, positiv im Sinne unserer Stadt zu entscheiden.
Am 22. Februar 2022 entscheidet der Senat. Die Unterzeichner:innen sehen sich daher in der Pflicht, auf die Lücke zwischen Aufgaben und Ausstattung zu diesem Zeitpunkt auch öffentlich aufmerksam zu machen.
Kirstin Bauch
Bezirksbürgermeisterin Charlottenburg-Wilmersdorf
Sören Benn
Bezirksbürgermeister Pankow
Uwe Brockhausen
Bezirksbürgermeister Reinickendorf
Dr. Carola Brückner
Bezirksbürgermeisterin Spandau
Michael Grunst
Bezirksbürgermeister Lichtenberg
Martin Hikel
Bezirksbürgermeister Neukölln
Oliver Igel
Bezirksbürgermeister Treptow-Köpenick
Gordon Lemm
Bezirksbürgermeister Marzahn-Hellersdorf