Marzahner Dorfkirche

Marzahner Dorfkirche

Der 4. September 1871 war ein besonderer Tag für Marzahn. Feierlich wurde eine neue Kirche durch den General-Superintendenten Dr. Hoffmann geweiht.
Es muss ein ungewöhnlicher Anblick für die Dorfbewohner und ihre auswärtigen Gäste gewesen sein, standen sich doch auf dem Anger in nur wenigen Metern Abstand zwei Kirchen gegenüber: die alte, mittelalterliche Feldsteinkirche und die neue, ein neogotischer Backsteinbau.
Dem Neubau war eine lange Auseinandersetzung um die Marzahner Kirche vorangegangen. Schon aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wird berichtet, dass der Kirchturm reparaturbedürftig sei. 1756 war der Turm schon so baufällig, dass nicht mehr geläutet werden durfte. 1782 berichtete der Prediger Damerow “daß die Kirche in Marzahn nächstens einstürzen wird und daß bereits während der Predikt am ersten h. Ostertage ein vom Gewölbe heruntergefallener Stein den Colonist Röderjahn hätte tödten können, wenn es die Vorsehung diesmal nicht noch so gnädig abgewandt hätte”. Fortan fand der Gottesdienst in der kleinen Schulstube statt, ehe 1785/86 ein neuer hölzerner Turm und ein Glockenstuhl errichtet wurden. Weitere Reparaturen folgten.

1831 griff die Regierung einen schon 1777 gefassten Plan für einen Kirchenbau unter Einbeziehung des alten Chores wieder auf. Doch auch diesmal wurde es nichts mit dem neuen Gotteshaus. Die Marzahner wollten keine Kirche, die anders aussah, als sie es gewohnt waren. Wieder war einige Jahrzehnte Ruhe um die Marzahner Kirche.
Hatte die Regierung noch 1867 einen Erweiterungsbau vorgesehen, wurde wenig später überraschend die neue Backsteinkirche unter Leitung des königlichen Bauinspektors Bürkner errichtet. Dem Bau lag wahrscheinlich ein Entwurf von Friedrich August Stüler aus dem Jahre 1857 zu Grunde. Stüler war nicht irgendein Architekt. Seit 1845 war er alleiniger Berater des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. in Bauangelegenheiten. Viele bedeutende Bauten stammen von ihm, so die Alte Nationalgalerie und das Neue Museum auf der Berliner Museumsinsel.

Die Diskussionen um die Marzahner Kirche hatten sich jahrzehntelang hingezogen, der Bau selbst ging dann schnell. In nur zweijähriger Bauzeit wurde das Gebäude errichtet. Mit Pferd und Wagen fuhren die Einwohner nach Rummelsburg und brachten von dort die gelben Herzfelder Hartbrandsteine ebenso wie den in Erkner gebrannten Kalk ins Dorf. Die Maurerarbeiten führte ein Meister aus Alt-Landsberg aus, die Zimmerer- und Tischlerarbeiten erledigten vor allem Berliner Handwerker. Spätestens Anfang August 1871 war die neue Marzahner Kirche fertiggestellt: ein einschiffiger Bau mit Kreuzrippengewölbe, Westturm mit fensterverzierten, treppenartigen Staffelgiebeln und im Innern hölzernen Emporen an drei Seiten.
Nun gab es also zwei Kirchen in einem Ort, der damals nur gut 500 Einwohner zählte. Die Legende berichtet, dass die Marzahner Bauern keineswegs begeistert in ihr neues Gotteshaus strömten. Ungefähr drei Jahre lang dauerte es, bis sie sich umgewöhnt hatten, dann allerdings äußerte die Kirchengemeinde selbst den “dringenden Wunsch” nach einem Abriss der jahrhundertealten Feldsteinkirche.

Eines hatte sich mit dem Kirchenneubau nicht geändert: man saß wie früher und überall üblich streng nach sozialer Hierarchie in den Kirchenbänken. Weiterhin war es auch der Pfarrer aus Friedrichsfelde, der die Predigt hielt. Schon seit dem 16. Jahrhundert gab es keinen im Dorf wohnenden Pfarrer, seit etwa 1600 wurden die Einwohner durch Friedrichsfelde geistlich betreut. Das blieb auch bis zum Zweiten Weltkrieg so, erst seit Oktober 1945 hat das Dorf wieder einen eigenen Pfarrer.
Weithin sichtbar überragt der knapp 25 m hohe Kirchturm die niedrigen Häuser im Dorfkern. Etliches von der Inneneinrichtung aus der Bauzeit ist nicht mehr vorhanden, Umbauten und Reparaturen fanden statt, Schäden durch Bomben im Zweiten Weltkrieg sind zu beklagen. Modernisierungen wie der Einbau einer Heizung oder die Ausstattung mit elektrischem Licht wurden vorgenommen.
Doch wenn wir heute auf die Marzahner Kirche blicken, bietet sie sich uns fast ebenso dar wie den Dorfbewohnern und ihren Gästen bei der Weihe vor 130 Jahren. Ihre äußere Gestalt ist weitgehend erhalten. Seit 1985 steht sie unter Denkmalschutz.

Förderverein für das Bezirksmuseum Marzahn-Hellersdorf e.V.