Text aus: Parks in Berlin. Die 50 schönsten Grünanlagen zwischen Pankow und Britz
Autor: Bahr, Christian
Jaron Verlag
Broschur, 240 Seiten, 58 farbige Fotos
ISBN 978-3-89773-420-3
12,95 Euro
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Der Humboldthain ist ein vielseitiger Volkspark mit Rasenflächen, Rosengarten, Spielplätzen und Freibad. Die Flaktürme erzählen von der Rolle des Geländes im Zweiten Weltkrieg.
Die ausgedehnten Wiesen unter hohen Bäumen im Volkspark Humboldthain bieten Platz für Kind und Kegel. Ein multikulturelles Völkchen nutzt das traditionelle Grün zur Entspannung im Freundeskreis und für die Ausübung von allerlei Bräuchen. Wer es eher ruhig mag, dem ist der einmalig schöne Rosengarten ein Zufluchtsort.
Der Humboldthain im Stadtteil Wedding ist nach dem Friedrichshain der zweite Park, der eigens für die Bürger Berlins errichtet wurde. Er gehörte zu den vier großen Grünprojekten, die im 19. Jahrhundert realisiert wurden. Nach der völligen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg ist der Humboldthain in seiner heutigen Form jedoch eine Neuschöpfung der Nachkriegszeit.
Nichts erinnert mehr an die ursprüngliche Anlage, für die 1866 Gartenarchitekt Gustav Meyer (1816–77) einen ersten Entwurf vorgelegt hatte. Was aber zunächst wie ein Verlust klingt, ist letztendlich ein Gewinn. Nach Ende des Krieges bot der einst so prächtige wie lebhafte Volkspark der Kaiserzeit einen deprimierenden Anblick.
Neben kahlen Flächen und Bombentrichtern standen felsenfest die nackten Bunkerkolosse, die 1941 zum Schutz der Bevölkerung erbaut worden waren und rund 15000 Menschen Zuflucht geboten hatten. Wegen der auf den Bunkern stationierten Flugabwehrgeschütze war der Humboldthain allerdings auch eines der Hauptangriffsziele der alliierten Bomberverbände.
Die hässlichen Hinterlassenschaften des Krieges zu beseitigen war eine kaum zu bewältigende Aufgabe. Der größere Bunker direkt neben dem Gleisgraben am Bahnhof Gesundbrunnen konnte trotz Sprengungen nur zur Hälfte abgerissen werden. Aus der Not machte man schließlich eine Tugend: Die beiden unzerstörbaren Bunker wurden mit Trümmern verfüllt und zugeschüttet. Dafür waren rund eine Million Kubikmeter Schutt notwendig.
Anstelle der monströsen Bauwerke findet man heute – wie im Friedrichshain – zwei dichtbewachsene Hügel, die den besonderen Reiz des Parks ausmachen und wie natürliche Erhebungen wirken. Der nördliche Trümmerberg an der Bahntrasse, Humboldthöhe genannt, ist mit 85 Meter Höhe ein hervorragender Aussichtspunkt im Berliner Stadtzentrum. Zwei der ehemals vier Flaktürme ragen aus der künstlichen Kuppe heraus.
Auf einer der beiden zugänglichen Plattformen steht eine markante Metallskulptur von Arnold Schatz aus dem Jahr 1967, welche die Wiedervereinigung der deutschen Länder anmahnte. Weiter unten wird ein freiliegendes Stück der noch intakten Bunkermauer, mit Griffen versehen, als Kletterwand genutzt.
Der Kleine Bunkerberg, am Südrand des Humboldthains neben der Gustav-Meyer-Allee gelegen, ist als 200 Meter lange Rodelbahn modelliert worden. Verschlungene Pfade führen durch dichtes Gehölz zum Startpunkt des winterlichen Vergnügens, an dem noch einige Trümmerreste sichtbar sind.
Den Plan zum Wiederaufbau des Humboldthains entwarf der Weddinger Gartenamtsleiter Günther Rieck (1903–61). Zwischen 1948 und 1951 wurden auf dem 29 Hektar großen Gelände rund 200000 Gehölze neu gepflanzt, darunter sogenannte Pionierpflanzen wie Wildrosen, Ahornbäume, Pappeln und Robinien, die das brache Terrain aus Schutt und Müll urbar machten.
Zwischen den Trümmerhügeln erstrecken sich die ausgedehnten Liegewiesen, die nach der Tradition der Landschaftsparks locker bepflanzt sind.
Im nordwestlichen Bereich des Parks, fußläufig zum S-Bahnhof Humboldthain, entstand ein Freibad mit Restaurant. Bolzplätze und ein Areal für Hunde liegen an der Gustav-Meyer-Allee. Rieck schuf mit Hilfe der Schuttberge nicht nur eine abwechslungsreiche Parklandschaft, ihm verdankt Berlin auch eines der schönsten Gartenkunstwerke der Hauptstadt: den Rosengarten.
Der Rosengarten im Humboldthain wurde zwischen Brunnenstraße und neuer Humboldthöhe angelegt, wo bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs die Himmelfahrtskirche von August Orth stand. In der Zeit seiner Entstehung zählte der zauberhafte Garten rund 15000 Rosen. Neben der üppigen und bunten Blütenpracht unzähliger Rosenarten ist es vor allem die Gestaltung, die den Garten so einzigartig macht.
Das durch Böschungen aus Hainbuchen und Rhododendren abgeschirmte Areal ist nach Vorbild italienischer Renaissancegärten arrangiert. Geometrisch beschnittene Hecken aus Buchsbaum und Eiben strukturieren den Garten. Niedrige Buchsbaumhecken umrahmen die variantenreich geformten Rosenbeete, höhere Eibenhecken umgeben schützend die zahlreichen Sitzgelegenheiten. Kugeln aus Buchsbaum setzen Akzente an den Wegkreuzungen, Kletterrosen ranken an Spalieren, die als Zugänge zum zentralen Rosenquartier dienen. Zur gärtnerischen Ausschmückung gehören auch Zierkirschen und Kübelpflanzen.
Am Übergang zur Humboldthöhe befindet sich hinter einem Staudengarten eine große, mit Glyzinien bewachsene Pergola. Im Rosengarten kann man darüber hinaus die Bronzeplastik "Diana" bewundern, die der Bildhauer Walter Schott 1926 geschaffen hat. 1987 wurde sie an diesem Ort aufgestellt. Ein kleiner Brunnen aus Biberfiguren gehört ebenso zum Schmuck des Rosengartens, der an die Tradition des alten, zerstörten Humboldthains anknüpft. "In keinem unserer öffentlichen Parks begegnet man einer so reichen und schönen Kollektion von Rosen wie hier", lobte das Berliner Tageblatt 1882 den historischen Vorgängergarten
Als Ersatz für die gesprengte Himmelfahrtskirche errichtete man übrigens von 1954 bis 1956 einen schlichten Neubau nach einem Entwurf von Otto Bartning im südöstlichen Bereich des Parks.
Im Jahr 1981 bekam der Humboldthain als neueste Kreation einen Wassergarten. Er gruppiert sich entlang eines Fließes, das sich im östlichen Parkteil durch das wellige Gelände schlängelt und Tümpel bildet. Bambus und Staudengewächse säumen seinen Weg, kleine, niedrige Brücken führen über ihn hinweg. Das Wasser entspringt einem Brunnen am Ende einer Allee, die durch einen Pavillon auf einer Anhöhe leicht zu finden ist. Der Pavillon wird von Pyramideneichen umgeben, die einen runden Platz bilden. In der Nähe sind zahlreiche Tische mit Sitzgelegenheiten für Schachspiele aufgestellt.
Neben einem konventionellen Spielplatz an der Liegewiese nahe dem Freibad befindet sich im Humboldthain neben der Himmelfahrtskirche auch ein Abenteuerspielplatz mit Holzhütten.
Zum Gedenken an den Namenspatron des Parks, Alexander von Humboldt (1769–1859), wurde 1952 ein zwei Meter hoher Humboldt-Gedenkstein nach einem Entwurf von Karl Wenke aufgestellt. Er steht am Hauptweg, der von der Gustav-Meyer- Allee, Ecke Brunnenstraße an der Kirche vorbeiführt. Der 100. Geburtstag des berühmten Naturforschers Alexander von Humboldt gab am 14. September 1869 Anlass zum Startschuss für den Bau des nach ihm benannten Parks. Bei diesem Festakt legte man auch den Grundstein für das erste Humboldt-Denkmal in der Grünanlage.
Nach Entstehung des Friedrichshains als des ersten kommunalen Parks Berlins hatten die Stadtverordneten 1864 beschlossen, zwei weitere Parks im Süden wie im Norden der wachsenden Stadt anlegen zu lassen. Neben dem Humboldthain war dies der Treptower Park. Für beide Projekte erarbeitete Gustav Meyer, einstmals Mitarbeiter Lennés, die Pläne. In seinem Entwurf verband der spätere Gartendirektor Berlins die natürliche Anmutung eines englischen Landschaftsparks mit geometrischen Elementen der klassischen Gartenbaukunst Frankreichs.
Akkurat gezirkelte Plätze und Promenaden säumte er mit Bäumen. In der doppelreihigen Lindenbepflanzung, die parallel zur Brunnenstraße am Rand des Humboldthains entlangführt, klingt heute noch die Gestaltung Meyers an. Von Anfang an hinterließ die boomende Metropole Spuren in der 1872 fertiggestellten Grünanlage:
Die Grenzstraße verlief geradewegs bis zur Brunnenstraße und teilte den Park in zwei Hälften. Am westlichen Rand durchzog zudem eine Industriebahn den Hain. Die Gleise dieser historischen Verbindung zum Industrieareal südlich des Humboldthains liegen am Eingang Wiesenstraße bis heute im Boden. Nicht unproblematisch war auch die Nachbarschaft expansionsfreudiger Industrieanlagen im Süden des Parks: Erst befand sich hier der alte Schlacht und Viehhof, anschließend entstanden an seiner Statt Maschinenfabriken des Elektrokonzerns AEG.
Gustav Meyer konnte das Gedeihen seines Parks mit eigenen Augen verfolgen – von seinem Dienstsitz als erster Gartendirektor der Stadt Berlin (1870–77) aus, einer schmucken Villa im italienischen Stil, die an der heutigen Gustav-Meyer-Allee errichtet wurde.
Die Namensgebung nach Alexander von Humboldt war nicht nur eine Ehrung des weitgereisten Forschers, man verband damit auch einen Auftrag zur Weiterbildung der Bevölkerung. In diesem Sinne wurden in dem Park zahlreiche ausländische und exotische Gehölze angepflanzt, die nach Vorbild botanischer Gärten entsprechend der geographischen Herkunft in Gruppen zusammenstanden. Vielen Schulen dienten sie als lebendiges Anschauungsmaterial.
1889 wurde im Humboldthain sogar ein Palmenhaus eröffnet. Ein Terrarium ergänzte die botanische Abteilung des Parks. Ebenfalls aus volkspädagogischen Gründen errichtete Dr. Eduard Zache 1894/95 eine "Geologische Wand", die aus Gesteinen der Erdkruste besteht. Die lehrreiche Wand wurde Jahre später nach Blankenfelde versetzt, wo sie heute im Botanischen Volkspark zu sehen ist. Basaltsäulen und ein Ergussgestein aus erstarrter Lava blieben im Humboldthain erhalten und sind am Eingang zum Rosengarten (Richtung Liegewiesen) zu finden.
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