© dpa
Sehenswürdigkeiten nach Thema
Von Architektur bis Parks und Gärten: die wichtigsten Sehenswürdigkeiten in Berlin thematisch sortiert. mehr
© dpa
Zwischen der Bismarckstraße und dem Kleinen Wannsee im Südwesten Berlins liegt das Grab von Heinrich von Kleist und Henriette Vogel. Kleist und seine Freundin beendeten an dieser Stelle im November 1811 ihr Leben.
Unter hohen Bäumen, auf einem naturnahen Gelände zwischen der Bismarckstraße und dem Kleinen Wannsee im Südwesten Berlins liegt das Grab Heinrich von Kleists und Henriette Vogels. Der Dichter der Goethezeit und seine schwer kranke Freundin begingen dort am 21. November 1811 gemeinsam Selbstmord.
Da es zu jener Zeit verboten war, Selbstmörder auf einem Friedhof zu bestatten, begrub man ihre Leichen an Ort und Stelle. Ob der gemeinsame Selbstmord tatsächlich dort stattgefunden hat, wo Besucher heute den Grabstein vorfinden, ist umstritten. Möglicherweise fand der Selbstmord in einiger Entfernung statt, und man hat das Grab oder nur den Grabstein nachträglich versetzt.
Seit 1807 lebte und arbeitete Heinrich von Kleist in Berlin. Hier veröffentlichte er seine wichtigsten Erzählungen und hier gab er die Berliner Abendblätter heraus – eine Zeitung mit Lokalnachrichten. Seine heute so berühmten literarischen Werke fanden zu Lebzeiten Kleists keine große Anerkennung, und der Dichter lebte in seinen letzten Lebensjahren beinahe mittellos. Fehlende Anerkennung seiner Kunst, finanzielle Not und traumatische Kriegserlebnisse mögen Gründe dafür gewesen sein, dass Kleist anscheinend mit der festen Absicht an den Kleinen Wannsee reiste, um sich selbst das Leben zu nehmen. In der an Gebärmutterkrebs erkrankten Henriette Vogel fand er eine Wegbegleiterin.
Laut Augenzeugenberichten müssen sich die letzten Stunden vor dem Selbstmord folgendermaßen abgespielt haben: Am 20. November 1811 mieten sich der Dichter und seine Gefährtin in dem Gasthof „Stimmings Krug“ nahe dem Kleinen Wannsee ein. Sie bestellen Kaffee und verlangen Schreibzeug. Noch bis spät in die Nacht sind sie wach und schreiben Abschiedsbriefe, in denen sie ihren Selbstmord ankündigen. Nach außen verraten sie ihre Absicht jedoch nicht, wirken im Gegenteil vergnügt und gut gelaunt auf Augenzeugen. Auch Heinrich von Kleist betont in seinem Abschiedsbrief, dass er in seinen letzten Stunden "zufrieden und heiter" sei.
Am Nachmittag des 21. Novembers begeben sich Heinrich von Kleist und Henriette Vogel an den Kleinen Wannsee, lassen sich Tisch und Stühle bringen, bestellen erneut Kaffee und trinken ihn trotz der Novemberkälte im Freien. Kurze Zeit später fallen im Abstand von einigen Minuten zwei Schüsse. Der 34-jährige Heinrich von Kleist schießt erst seiner Begleiterin – auf ihren Wunsch – in die Brust und anschließend sich selbst in den Mund. Das ergibt eine Obduktion der Leichen – gesehen hat die Selbsttötung niemand.
Der Dichter Heinrich von Kleist gilt als Außenseiter seiner literarischen Zeit. Seine Dramen und Erzählungen handeln von Katastrophen, Verbrechen sowie von tiefen gesellschaftlichen und moralischen Konflikten. Vergewaltigung, Mord, Rache sind nur einige Motive in seinen Texten. Wie seine literarischen Werke ist auch sein Selbstmord in "heiterer" Stimmung dramatisch und außergewöhnlich, ein Selbstmord, den Kleistbiographen zuweilen als eine letzte Inszenierung begreifen, die ihm schließlich die Berühmtheit einbrachte, die er im Leben nicht erlangen konnte.
Anlässlich des 200. Todestages des Dichters wurde die Grabanlage neu gestaltet und der Grabstein restauriert. Bei dem Stein handelt es sich nicht um den Originalgrabstein, sondern um einen Stein aus der NS-Zeit. Die Nationalsozialisten versuchten, Heinrich von Kleist – wie andere Dichter auch – für sich zu vereinnahmen. 1936 tauschten sie den vorhandenen Grabstein anlässlich der Olympiade aus. 1941 legten sie noch einmal Hand an den Grabstein und ersetzten die Verse des jüdischen Dichters Max Ring ("Er lebte, sang und litt / In trüber, schwerer Zeit, / Er suchte hier den Tod / Und fand Unsterblichkeit") gegen das Zitat aus Kleists Prinz Friedrich von Homburg: "Nun, o Unsterblichkeit, bist du ganz mein". Ein Gedenkstein für Henriette Vogel kam 2003 hinzu.
Nach der Neugestaltung im Herbst 2011 trägt der Grabstein auf beiden Seiten eine Inschrift. Auf der Vorderseite stehen jetzt wieder die Worte Max Rings, und auch der Name von Henriette Vogel ist nun auf dem Grabstein eingraviert. Die Rückseite des Steins zeigt die alte Inschrift, wie sie vor der Restaurierung zu sehen war. Auf neu angelegten Wegen können Besucher um das Grab herumgehen und die Inschriften vergleichen. Dabei fällt auf, dass das Geburtsdatum Heinrich von Kleists nicht identisch ist. Auf der Rückseite ist der 18. Oktober 1777 eingraviert, auf der Vorderseite der 10. Oktober – dies ist das Datum, das Kleist selbst als seinen Geburtstag angegeben hat.
Neben der Restaurierung des Grabsteins wurde auch die Umgebung des Kleistgrabs zum 200. Todestag umgestaltet. Ein neuer Weg führt von der Königstraße fast bis zum Kleistgrab. Der Weg mündet allerdings noch vor dem Kleistgrab auf die Bismarckstraße und verläuft nicht über das Gelände eines ansässigen Rudervereins. Der einzige Zugang zum Kleistgrab ist nach wie vor der über die Bismarckstraße.
Besucher des Kleistgrabs können sich vor Ort über Heinrich von Kleist und Henriette Vogel informieren. An der Bismarckstraße Ecke Königstraße und auf dem Weg zum Kleistgrab stehen Informationstafeln, die über Leben und Tod des Dichters Aufschluss geben. Zudem können sich Besucher mit Audioguides auf einen Hörspiel-Parcours begeben. Über Kopfhörer hören sie Auszüge aus Vernehmungsprotokollen der Augenzeugen und aus den Abschiedsbriefen. Der Parcours führt an der Dampferanlegestelle am Wannsee vorbei, über die Königstraße, auf dem neu angelegten Weg zum Kleistgrab und hinunter an den kleinen Wannsee. Die Audioguides sind am S-Bahnhof Wannsee erhältlich.
Ende der Kartenansicht
© dpa
Von Architektur bis Parks und Gärten: die wichtigsten Sehenswürdigkeiten in Berlin thematisch sortiert. mehr
© dpa
Das Kleist-Museum in Frankfurt (Oder) zeigt Schriften, Bilder und weitere Exponate aus dem Leben und dem Umfeld des Dichters Heinrich von Kleist. mehr