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Streetart
Die Jugendkulturen Punk und Hip Hop machten sie die Streetart in den 70er-Jahren in Berlin zum Ausdrucksmittel. Heute erfährt die Straßenkunst zunehmende Anerkennung in der Gesellschaft. mehr
Das 1.200 Quadratmeter große Triptychon-Mural zwischen Savignyplatz und Bahnhof Zoo im Stadteil Charlottenburg entstand 2004 als politisches Statement.
Hinweis: Dieses Wandbild ist leider nicht mehr zu sehen. Auf dem Gelände vor dem Mural wurde ein neues Gebäude gebaut.
2004 entstand im Hinterhof einer ehemaligen Tankstelle in der Uhlandstraße 187 das größte Mural Berlins, ein Triptychon von den Streetart-Künstlern Gino Fuchs und Christian "Lake" Wahle. Das Kunstwerk erstreckt sich über eine Fläche 1.200 Quadratmeter und drei Gebäudewände. In der Mitte ist eine Ansammlung verschiedener bekannter Politiker aller Parteien zu sehen. Darunter befinden sich beispielsweise der zum Entstehungszeitpunkt amtierende Bundeskanzler Gerhard Schröder, aber auch seine Vorgänger Helmut Kohl, Willy Brandt und Konrad Adenauer. Sie sitzen im Bundestag und beschließen Reformen. Wie Marionetten hängen sie an Fäden, die auf die linke Seite des Bildes führen.
Auf der linken Hauswand prangt eine grimmig schauende, rosafarbene Krake in Militärkleidung. Sie trägt einen Gürtel mit dem Zeichen von Mercedes Benz auf der Schnalle. Mit ihren Armen zieht sie die Fäden der Politiker-Marionetten, hält einen Panzer, einen Aktenkoffer, mehrere gesichtlose Männer in Anzügen und Atommüll. Zur Entstehungszeit des Murals stand an ihrer Stelle ein großer roter Mercedes und die Anzugträger zogen die Fäden. Einen Faden hält die Queen in der Hand. Im Hintergrund sind einige Gebäude Berlins zu sehen. Auf einer Wolke thronen Bismarck und Friedrich der Große.
Auf die Menschen, die auf der rechten Seite des Triptychons vor einem heruntergekommenen Gebäude stehen, fallen die Blätter mit den Reformplänen der Politiker herab. Eine Frau, der ein Zahn fehlt, schreit, andere schauen betroffen oder traurig. In der Tür des Gebäudes steht ein Mann und trinkt aus einer Flasche. Weiter hinten wühlt jemand in der Mülltonne. Hinter einer Wand des Gebäudes schaut Charlie Chaplin hervor. Oben auf dem Dach steht ein Mann mit einem Kind. Auf einer Wolke sitzen Marx und Engels und blicken auf das Geschehen herab.
Das Triptychon von Fuchs und Wahle entstand 2004 zu der Zeit, in der die Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder die Agenda 2010 beschloss und umzusetzen begann. Ziel war es, die Wirtschaft anzukurbeln und Arbeitslosigkeit abzubauen. Damit einher gingen durch die Einführung von Hartz IV strengere Auflagen für Arbeitslose. In der Gesellschaft stießen die Reformen auf scharfe Kritik. Das Werk der beiden Streetart-Künstler karikiert die damaligen Zustände: Die linke Seite stellt die Wirtschaft dar. Der Kapitalismus kontrolliert die Politik. Leidtragende der Reformen ist die Bevölkerung. Die auf der rechten Seite dargestellten Menschen leben in Armut, weinen und schreien.
Die Fläche für Berlins größtes Mural stellte vermutlich der ehemalige Besitzer des Gebäudes zur Verfügung. Zu seiner Person ist nichts bekannt. Inzwischen gab es mehrere Eigentümerwechsel und es ist ein Bauprojekt im Gange, bei dem ein siebenstöckiges Hotel in der Uhlandstraße 187 entsteht, hinter dem das Kunstwerk verschwinden wird. Zwischen ihm und den S-Bahnbögen ist eine sechs Meter breite Flaniermeile geplant. Die Bauarbeiten dauern voraussichtlich bis Ende 2017 an. Wer das Triptychon noch einmal live erleben möchte, muss sich beeilen.
Gino Fuchs kam 1978 in Berlin zur Welt. Er gelangte über die Hip-Hop-Szene zur Graffiti-Kunst und ist seit 1993 mit eigenen Werken aktiv. Zwei Jahre später begann er sich in der Airbrush-Technik auszuprobieren, die er im Laufe der Zeit perfektionierte. Nach kurzer Tätigkeit für eine Berliner Graffiti-Agentur machte sich Gino Fuchs als Auftragskünstler selbstständig. Zu seinen Motiven gehören Tiere, Pflanzen, Frauenkörper und Charaktere aus dem Hip Hop. Zudem lässt er sich von Comics und Zeichentrickfilmen inspirieren. Seine Werke bringt er als Tätowierer auch unter die Haut von Menschen. Mit seiner Kunst etablierte sich Gino Fuchs zu einer gefragten Größe in der Hauptstadt.
Christian Wahle, der sich selbst den Künstlernamen "Lake" gab, wurde 1979 in Ost-Berlin geboren. Er begann 1992 mit Graffiti und arbeitet seit 1996 als freischaffender Künstler. 1997 fand seine erste Ausstellung in der U-Bahn Gallery in München statt. Von 1996 bis 1999 arbeitete Christian "Lake" Wahle mit in der Berliner Agentur "Graco". Seine Auftragsarbeiten und Ausstellungen sind mittlerweile in ganz Europa, den USA, Canada, Mexico, Chile, Argentinien und Brasilien zu finden. Seit 2005 betreibt er außerdem die Klettersportanlage "Der Kegel" auf dem RAW-Gelände im Berliner Stadtteil Friedrichshain.
Das Triptychon von Gino Fuchs und Christian "Lake" Wahle befindet sich an einer Brandschutzmauer in der Uhlandstraße 187 zwischen den S-Bahnhöfen Savignyplatz und Zoologischer Garten. Im Vorbeifahren mit der S-Bahn bietet sich der beste, wenn auch nur kurze Blick auf das Mural. Es sich in Ruhe von unten anzuschauen, ist nur in Teilen möglich. Mit Fertigstellung des Neubaus Ende 2017 wird das Kunstwerk bedauerlicherweise komplett verschwinden.
Hinweis: Dieses Wandbild ist leider nicht mehr zu sehen. Auf dem Gelände vor dem Mural wurde ein neues Gebäude gebaut.
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