Drucksache - V/0911  

 
 
Betreff: Gender Budgeting
Status:öffentlichVorgang/Beschluss:MdV V-30 lfd. 1700
 Ursprungaktuell
Initiator:B'90GrüneBA, PVFinWi
  Ulbricht, Klaus
Drucksache-Art:Große AnfrageSchriftliche Beantwortung
Beratungsfolge:
BVV Treptow-Köpenick Entscheidung
29.04.2004 
27. (ordentliche) Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung vertagt   
24.06.2004 
29. (ordentliche) Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung schriftlich beantwortet   
Anlagen:
Große Anfrage, 15.04.2004, BüGr
Schr. Beantwortung aus MdV V_30, 03.06.2004, BA

1

Wir fragen das Bezirksamt:

 

1. Wie weit ist das Bezirksamt bisher in die Vorbereitungen des Gender Budgeting im Land Berlin einbezogen worden? Welche Aktivitäten hat es selbst entwickelt?

 

2. Wie weit ist das Bezirksamt über das Pilotprojekt bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit, und Frauen informiert und welche Schlussfolgerungen kann es daraus für die eigenen Aktivitäten ziehen?

 

3. Wie möchte sich das Bezirksamt selbst mit einem Pilotprojekt einbringen ? (siehe Beispiel Bezirksamt Lichtenberg)

 

4. Betrachtet das Bezirksamt das Gender Budgeting als wichtiges Instrument im Rahmen des Gender Mainstreaming und wie definiert es die politische Zielsetzung für sich? Sind die Mitarbeiter für diese Aufgabe ausreichend qualifiziert bzw. wie werden sie darauf vorbereitet?

 

5. Sind Kriterien für eine Gender Budgeting-Analyse des Haushalts im Bezirksamt selbst entwickelbar oder muss externes Fachwissen bemüht werden? Auf welche Weise beabsichtigt das Bezirksamt in den nächsten 2-3 Jahre kontinuierlich an der Gender Budgeting zu arbeiten, um den “Berliner Anschluss” in der Haushaltsbewirtschaftung nicht zu verpassen?

«VONAME»Ausdruck vom: 26.07.2018Seite: 1/1

Veröffentlicht in den MdV Nr

Das Bezirksamt antwortet wie folgt:

 

Zu 1.:

Die Gender-Budgetierung, das heißt, die Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit des Haushalts, ist ein Instrument von Gender Mainstreaming. In der gegenwärtigen Pilotphase beteiligen sich vier Senatsverwaltungen und acht Bezirksämter. Zwei davon,  Lichtenberg und Tempelhof-Schöneberg, haben Pilotprojekte zur Gender Budgetierung. Unser Bezirksamt beteiligt sich an der sektoriellen Erprobung mit einem Gender-Mainstreaming-Pilotprojekt in drei bezirklichen Kitas, was sich aber nicht auf Gender-Budgetierung bezieht, sondern auf geschlechtsbewusste Erziehung. Über die Projekterfahrungen wird bei der nächsten AG Gender Mainstreaming am Donnerstag, 17.6.2004  um 18.30 Uhr

im Rathaus Köpenick, Raum 106 referiert werden.

 

 

 

Zu 2.:

Bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen ist angesiedelt die Landeskommission Gender Mainstreaming und eine verwaltungsübergreifende Arbeitsgruppe Gender Budget. Diese AG steht unter Leitung der Senatsverwaltung für Finanzen. Beteiligt sind Pilotverwaltungen, Steuerungsdienst, Initiative für einen geschlechtergerechten Haushalt, Geschäftsstelle Gender Mainstreaming und zwei Mitglieder des Hauptausschusses.

 

Es gibt einen Auflagenbeschluss vom 28.01.2004 des Ausschusses für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen, nach dem jede Senatsverwaltung rechtzeitig zur

1. Lesung des Haushalts u.a. zu berichten hat,

-          mit welchen Maßnahmen der Frauenförderung, des Gender Mainstreaming und

     des Gender Budgeting bestehende Ungleichheiten von Männern und Frauen

     ausgeglichen werden (Auftrag aus Artikel 10 Abs. 3 der Verfassung von Berlin),

-          mit welchen Anteilen Frauen und Männer an Haushaltsmitteln (titelscharf)

partizipieren,

-          mit welchen Maßnahmen, Vorgaben und Bemühungen die gleichberechtigte

     Teilhabe von Frauen und Männern gewährleistet oder angestrebt wird, wenn

     keine titelscharfe Aufteilung möglich ist.

 

Nach dem Beschluss der Landeskommission Gender Mainstreaming vom 26.02.2004 soll das weitere Umsetzungsverfahren zu Gender Budgeting ab April 2004 auf alle Senats- und alle Bezirksverwaltungen ausgedehnt werden.

Die Bezirksverwaltungen sollen Gender Budgeting anhand ausgewählter und abgestimmter Produkte erproben, während die Senatsverwaltungen Gender Budgeting im Rahmen des kameralen Haushalts erproben und sich dabei auf die Hauptgruppen 6 und 8 beschränken (Förderungen/Zuschüsse).

 

Die AG hat bespielsweise eine Standardtabelle für eine Gender-Budget-Analyse vorgelegt. Die Informationen der AG sind über das Internet über www.berlin.de,

dort Sen WiArbFrau, Geschäftsstelle Gender Mainstreaming zugänglich.

 

Ziel ist es, zur Haushaltsaufstellung 2006 erste verallgemeinerbare Informationen (Daten, Kriterien, Instrumente) über eine gendersensible Analyse und Berichterstattung des Haushalts des Landes Berlin zur Verfügung stellen zu können. Dies könnte in Form einer Anlage zum Haushaltsplan oder einer Ergänzung zu den Vorworten der (jeweils untersuchten) Einzelpläne geschehen. Die entsprechende Haushaltstechnik wird von SenFin zur Verfügung gestellt. Die Strategie ist eine geschlechtersensible Analyse ausgewählter Haushaltsansätze.

 

Vom zeitlichen Ablauf her sollen noch weitere Pilotverwaltungen und weitere Bezirke ab April 2004 einbezogen werden. Die Pilotphase soll Ende September 2004 mit einem Erfahrungsbericht abgeschlossen werden, rechtzeitig vor Beginn des Haushaltsaufstellungsverfahrens 2006/2007 im Januar 2005.

 

Für eigene Aktivitäten können folgende Schlussfolgerungen gezogen werden:

Voraussetzung einer erfolgreichen Durchführung von Gender Budgets ist

-          eine klar definierte politische Zielsetzung im Sinne von Geschlechtergerechtigkeit

-          der politisch dokumentierte Wille, Gender Budget als ein Instrument des Gender Mainstreaming zu betrachten und diese Position auch auf der Leitungsebene zu vertreten

-          Qualifizierung und Bereitstellung von personellen, finanziellen und zeitlichen Ressourcen

-          Organisation effektiver Strukturen der Prozesse (z.B. Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern)

-          Zeitrahmen bezüglich der Planung, Umsetzung und Kontrolle von Zielen

-          Monitoring.

 

 

Zu 3.:

Das Bezirksamt Lichtenberg unterzieht gerade folgende Produkte einer Gender Budget Analyse: Bereitstellung von Sportanlagen, Allgemeine Kinder- und Jugendförderung, Entleihung (Büchereien), Vermittlung Medienkompetenz, Lehrveranstaltungen VHS. Des Weiteren werden auf der Basis des kameralen Ansatzes die Sondermittel der BVV, die pauschalen Investitionsausgaben und die freiwilligen sozialen Leistungen genderspezifisch analysiert.

 

Aktuelle Zwischenergebnisse in Form eines 12seitigen Berichts zu Gender Budgeting liegen aus Tempelhof-Schöneberg vor:

Dort wurde bei der Auswahl der Produkte nach folgenden Kriterien vorgegangen:

-          Relevanz

-          Steuerbarkeit durch bezirkliche Entscheidungen

-          Zur Verfügung stehende Daten

-          Individuelle Leistungsempfänger.

 

Dabei zeigte sich, dass gerade in der Pilotphase die Steuerbarkeit durch bezirkliche Entscheidungen eine starke Bedeutung hat, da hier die Motivation im Hinblick auf einen unmittelbaren Nutzen am größten ist.

 

Als Anlage ist ein Beispiel aus der Abteilung Jugend des Bezirksamtes Tempelhof-Schöneberg. Es sind die Produkte  “Jugendberufshilfe und Tagesgruppe”, “Mutter-Kind-Wohnen” und “Kurzzeitpflege und Dauerpflege”. Aus dieser Übersicht ist zu ersehen, wie bei einer Haushaltsplanaufstellung den Produktsummen Daten zugeordnet werden können, die über die gleichstellungspolitische Wirkung des Mitteleinsatzes Auskunft geben können. Auf diese Weise wird Transparenz über die genderspezifischen Auswirkungen der jeweiligen Haushaltsentscheidungen geschaffen. Die Übersicht folgt dem Muster, das von der schon erwähnten verwaltungsübergreifenden AG bei SenWiArbFrau entwickelt wurde (Anlage).

 

Wie bei Frage 1 dargestellt, bringt sich das Bezirksamt Treptow-Köpenick mit einem Gender Mainstreaming Pilotprojekt zur geschlechtsbewussten Erziehung ein.

Das Bezirksamt beobachtet die Pilotphase zu Gender Budgeting und wird entsprechend den Auswertungsergebnissen der Pilotphase handeln.

 

Eine kleine Untersuchung läuft bereits im Kulturamt.

 

Seit Februar 2004 hat sich darüber hinaus im Bezirk Treptow-Köpenick eine Arbeitsgruppe zur “Erfassung der Kosten häuslicher Gewalt” gegründet, die mit dem Gender Budget Instrument arbeitet. Die Projektgruppe setzt sich zusammen aus Polizei, Offensiv 91, der Gleichstellungsbeauftragten, einer Studentin und einer Bezirkspolitikerin.

 

Die Arbeitsgruppe ist daran interessiert, das Thema aus einer neuen Perspektive betrachten: Berechnung der Kosten von der Verursacherseite aus.

Nicht die Opfer, sondern die Verursacher produzieren die Kosten, welche der Gesellschaft wie auch den Opfern als Einzelnen aufgebürdet werden.

So entstehen durch häusliche Gewalt eine Vielzahl von staatlichen, institutionellen und privatwirtschaftlichen Kosten für die Gesellschaft, sowie Kosten für die Betroffenen selbst.

Vor allem in den  Bereichen:

-          Gesundheit/ Medizin

-          Polizei/ Justiz

-          Sozialer Bereich

-          Volkswirtschaft und Arbeitsmarkt

 

Mit einem Gender-Budget-Ansatz werden die Kosten häuslicher Gewalt von der Verursacherseite aus für das Jahr 2003 im Bezirk Treptow-Köpenick berechnet. Arbeit gegen Gewalt ist ein Vorhaben, das sich kurzfristiger Logik entzieht. Um die gesellschaftlichen Kosten zu reduzieren, muss man den unmittelbaren Auswirkungen der Gewalt begegnen, um somit langfristige Folgeschäden und Chronifizierungen zu verhüten. Das bedeutet, dass nicht von vornherein mit größeren Einsparungen zu rechnen ist, sondern dass Investitionen in ein vernünftiges, politisch und fachlich abgestimmtes und qualitativ gutes Angebot an Beratung und Unterstützung die Grundlage für Veränderungen sind.

Somit wäre eine detaillierte Rechnung von Vorteil, die belegt, wie hoch die ökonomische Belastung der einzelnen gesellschaftlichen Bereiche ist. Dass es grundsätzlich möglich ist, die Kosten der Gewalt gegen Frauen in ihrer

gesellschaftlichen Dimension zu errechnen, belegen eine Studie der Soziologin Prof. Dr. Barbara Kavemann und eine kanadische Studie von 1995, durchgeführt vom Forschungszentrum zu Gewalt gegen Frauen und Kinder in Ontario.

 

Im Gesundheitsbereich ist es bis jetzt ebenso wie im Bereich der Justiz zu einer erschwerten Erfassung der Kosten gekommen. Bisher sieht es so aus, als wenn die Erhebung von Zahlen diesbezüglich noch nicht die notwendige Priorität erlangt hat. Besonders erstaunlich ist es, dass in Zeiten der Finanzierungsproblematik keine detaillierten Darlegungen der einzelnen Kosten in den genannten Bereichen bisher vorhanden sind. Wir möchten z.B. wissen, was ein Polizeieinsatz bei Einsätzen mit diesem Anlass im Mittel kostet. Diese Kosten sind z.Zt. nicht bekannt, werden aber von den Verursachern der Gesellschaft aufgebürdet. Ergebnisse sollen Jahresende 2004 vorliegen.

 

 

Zu 4.:

Ziele:

Gender Budgeting

-          schafft Transparenz

-          unterstützt zielgenauen und effektiven Mitteleinsatz

-          fördert Gleichstellung

-          macht Erfolg oder Mißerfolg geschlechtergerechter Politik messbar

-          bietet eine Grundlage für gleichstellungspolitisches Controlling.

 

 

 

Aufgabe:

Entwicklung eines Instrumentariums, das es zukünftig möglich macht, in möglichst allen Bereichen des Haushalts die Schlüsselfrage beantworten zu können:

Welche Auswirkung hat die jeweilige finanzpolitische Entscheidung auf die Gleichstellung der Geschlechter?

Das erfordert:

-          Erhebung und Analyse von Daten über die Mittelverwendung

-          Informationen über die Folgewirkungen (z.B. bei Kürzung der Mittel)

-          Zuordnung der Daten und Informationen zu den Haushaltsansätzen

-          Definition gleichstellungspolitischer Ziele

-          Definition von Qualitätsindikatoren

-          Controlling-Verfahren

 

Gender Budgeting lässt sich mit den Zielen und Instrumentarien des Neuen Finanzmanagements verbinden.

Zu den zentralen Zielen des Neuen Steuerungsmodells gehören:

-          die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit des Verwaltungshandelns

-          die Herstellung der Transparenz über die Kosten und Leistungen der Verwaltung

-          die Verbesserung der Steuerungsfähigkeit der Verwaltung durch die Politik

-          die Einführung eines an den Ergebnissen des Verwaltungshandels orientierten Finanzzuweisungssystems (Ergebnisorientierte Budgetierung)

 

Diese Ziele hat auch Gender Budgeting.

Eine Entscheidung über Gender Budgeting wurde im Bezirksamt bislang nicht getroffen, deshalb hat auch eine diesbezügliche Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bislang nicht stattgefunden.

 

 

Zu 5.:

Externes Fachwissen wird derzeit durch das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf herangezogen, das den Auftrag vergeben hat, zu beschreiben, wie eine Gender Budgetierung des Haushalts durchgeführt werden kann. Die Ergebnisse dieses Gutachtens werden uns zur Verfügung gestellt werden.

Das Bezirksamt möchte eine Arbeitsplanung zur Gender Budgetierung erst entwickeln, sofern aufgrund positiver Ergebnisse von Pilotprojekten in anderen Bezirken die Einführung sich als geboten erweist.

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