Auszug - Befangenheit von Bezirksverordneten und Bürgerdeputierten bei der Vorbereitung von Entscheidungen des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über Förderanträge freier Träger  

 
 
13. (öfftl.) Sitzung (außerordentliche) des Jugendhilfeausschusses
TOP: Ö 2
Gremium: Jugendhilfeausschuss Beschlussart: erledigt
Datum: Mi, 20.11.2002 Status: öffentlich
Zeit: 18:00 - 21:40 Anlass: außerordentliche
Raum: Rathaus Köpenick, United Games of Nations-Zimmer, (Raum 106)
Ort: Alt-Köpenick 21, 12555 Berlin

Aufhebung eines Beschlusses bezüglich der Einsetzung einer Fachgruppe

Aufhebung eines Beschlusses bezüglich der Einsetzung einer Fachgruppe

Der Ausschussvorsitzende, Herr Retzlaff zitiert aus dem Inhalt des Schreibens vom Rechtsamt. Danach sind Personen in dem “Verfahren” nicht zugelassen, die mit der Verteilung von Mitteln befasst und gleichzeitig auch Begünstigte sind.

Dieser rechtsbedenkliche Zustand kann nicht beibehalten werden.

 

Herr Knietzsch: Warum wird jetzt erst die Frage der Befangenheit aufgebracht?

Herr Retzlaff: Bei der Sitzung, als die Facharbeitsgruppe eingesetzt wurde, habe ich meine Rechtsauffassung bereits mitgeteilt.

 

Herr Schubert, Leiter des Rechtsamtes (RA) erläutert das Schreiben des RA, welches als Anlage der heutigen Einladung beigefügt ist. Dieses Schreiben geht auf eine Anfrage des Jugendamtes zurück und problematisiert zwei Schwerpunkte:

1.   Beratung von Unterausschüssen, ab wann beginnen Ausschlussgründe zu wirken?

2.   Wann beginnt das Verwaltungsverfahren?

 

Die eigentliche Problematik der Befangenheit wird in den Vorschriften des Sozialgesetzbuches (SGB) - Zehntes Buch (X) §§ 16, 17 benannt. Herr Schubert zitiert aus den beiden Paragraphen.

§ 16 Abs. 4 bedeutet, dass der JHA über den Ausschluss von betroffenen Personen entscheidet. Der Betroffene darf dann nicht mitwirken, d.h. sich auch nicht an Diskussionen beteiligen und bei Beschlüssen nicht im Raum anwesend sein (strenge Vorschriften).

Weiterhin ist entscheidend, wann das Verfahren beginnt. Die in § 8 SGB X genannten Kriterien sind aufgrund der Zweigliederigkeit des Jugendamtes und der Zielrichtung (Begünstigung eines Dritten) erfüllt. Gem. § 16 beginnt das Verwaltungsverfahren spätestens, wenn über konkrete Träger und Summen gesprochen wird.

 

Die Vermutung, dass jemand hypothetisch einen Vorteil erlangen könnte, steht einer Tätigkeit bei einem Beteiligten gleich. Zum Beispiel sind beide Träger betroffen, wenn begrenzt Mittel zur Verfügung stehen und nicht beide Träger die gleichen Summen erhalten (§ 16 Abs. 5 i.V.m. Absatz 4).

Eine Beschlussfähigkeit ist nicht gegeben, weil es Stellvertreter gibt

 

JHA: Der Brief des Jugendamtes an das Rechtsamt ist in der Pause zu kopieren und an die Mitglieder des JHA zu verteilen.

 

Nach Diskussion im JHA nimmt RA Stellung zu den aufgetretenen Fragen, u.a. wie folgt:

JHA: Ist der Bezirksstadtrat wegen seiner Tätigkeit beim Treptow-Köln e.V. betroffen?

RA: Herr Stahr ist beratendes Mitglied. § 17 kann nur dann angewandt werden, wenn in der Person ein Grund vorliegt, also nicht pauschal unterstellen, weil diese Möglichkeit immer besteht.

 

·       Ausschluss der Öffentlichkeit ist in der Geschäftsordnung des JHA geregelt, der JHA kann hierüber entsprechend befinden.

·       Das Bezirksamt ist selbst Behörde, gemäß § 16 Abs. 1, Nr. 5 SGB X sind Vertreter der Anstellungskörperschaft nicht ausgeschlossen. Nach § 17 kann Misstrauen gegen die unparteiische Amtsausübung geltend gemacht werden.

·       Rundschreiben der Hauptverwaltung haben empfehlenden Charakter aber einen hohen Wert für die Verwaltung, wenn diese zu einer Regelpraxis in der Verwaltung führen.

·       Das OVG Berlin sagt, dass Bürgerdeputierte von freien Trägern, welche selbst einem zuwendungssuchenden Träger beschäftigt sind ausgeschlossen werden. Wegen der Stellvertreterpraxis ist dies unproblematisch. Die Verwaltung ist an diese Rechtsprechung gebunden.

·       Konkrete Konkurrenzsituation: Die Senatsverwaltung sieht die konkrete Konkurrenzsituation als gegeben, wenn begonnen wird, über konkrete Träger und Summen zu sprechen.

·       Wenn ein Mitglied des Ausschusses befangen ist und nicht ausgeschlossen wird, hat dies die Rechtswidrigkeit der getroffenen Entscheidung zur Folge, welche vom entsprechenden Träger angefochten werden kann wegen formaler Rechtswidrigkeit.

·       Die erforderlichen Entscheidungen auf die Verwaltung zu delegieren ist nicht möglich, weil die Entscheidung über die Förderung keine laufende Entscheidung der Verwaltung ist (§ 74 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII), durch OVG Berlin bestätigt.

Die Verwaltung ist an Gesetze und deren Auslegung durch Gerichte gebunden. Das OVG Berlin hat eine rigide Auffassung, deshalb erfolgte unsere Empfehlung an das Jugendamt entsprechend.

 

Vertritt ein Mitglied eine Gruppe von freien Trägern kommt es nicht auf die Vertreterrolle an, sondern ob die Person bei einem Beteiligten gegen Entgelt beschäftigt ist oder bei ihm als Mitglied des Vorstandes tätig ist.

 

Wenn eine Schließungsentscheidung dazu führt, dass mehrere Träger davon profitieren, das ist die konkrete Konkurrenzsituation nach unserer Auffassung nicht automatisch gegeben, dies kann aber durch das Gericht anders gesehen werden.

 

Es müssen aber objektiv feststellbare Tatsachen vorliegen, (wie z.B. Verwandschaft, Feindschaft usw.) eine pauschale Beschuldigung gibt der § 17 SGB X nicht her.

 

Herr Knietzsch: Wir haben keine Situation, wo ein Träger mehr Geld Bezirksamt kommt, sondern nur weniger, es werden keine Schließungen politisch beschlossen.

Herr Retzlaff: Die Befangenheitssituation ist nicht nur gegeben, wenn mehr zu verteilen ist, denn wenn Einrichtungen geschlossen werden ist eine endliche Summe neu zu verteilen unter den bestehenden Einrichtungen. Daraus resultiert die Konkurrenzsituation.

 

RA: Wenn der Ausschuss mit der Beratung über eine Summe X beginnt zu diskutieren, ist nach § 74,3 SGB VIII möglicherweise die konkrete Konkurrenzsituation gegeben.

Es gibt keinen konkreten Förderanspruch, aber eine pflichtgemäße Ermessensausübung. Der Schaden kann aber nicht dadurch entstehen, weil keine Förderung gewährt wird, denn es besteht kein Anspruch auf Förderung.

 

Der § 16 SGB X beinhaltet objektiv nachprüfbare Ausschussgründe, der § 17 SGB X enthält unbestimmte Rechtsbegriffe und stellt eine hohe Hürde dar. Nach den Ausführungen des OVG Berlin ist eine saubere Entscheidung höherwertig, als die Beteiligungsrechte einzelner Bürgerdeputierter. Das Problem ist, dass die Befangenheitsregelung die Arbeit des JHA nicht berücksichtigt. Je größer die Anzahl derjenigen, die von negativen Entscheidungen betroffen sind, desto unproblematischer. Als Grenzfall kann angesehen werden, wenn ein Träger gestrichen wird bei drei oder vier Begünstigten, die unmittelbare Konkurrenzsituation ist dann gegeben.

JHA: Es muss ein Verfahren gefunden werden, welches die konkrete Konkurrenzsituation weit nach hinten schiebt.

Herr Bloch erklärt, dass  bisher nur der rechtliche Teil der Problematik gewürdigt wurde und verweist auf die Stellungnahme der AG freier Träger (siehe Anlage 3 zum Protokoll).

 

Der Ausschussvorsitzende dankt den Bürgerdeputierten ausdrücklich für das Engagement und die Qualität ihrer Arbeit im Jugendhilfeausschuss.

 

Es wird folgender Beschluss gefasst Stellungnahme Beschlussempfehlung beschlossen:

Es wird folgender Beschluss gefasst  Stellungnahme Beschlussempfehlung  beschlossen:

 

 


 
 

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